Chris Führich und Maximilian Mittelstädt spielen nun zusammen für Bundestrainer Julian Nagelsmann.

Stuttgarts Schokoladenseite Mittelstädt und Führich könnten Nagelsmanns Probleme lösen

Stand: 20.03.2024 10:35 Uhr

Das Stuttgarter Erfolgs-Duo aus Maximilian Mittelstädt und Chris Führich hat es auch Bundestrainer Julian Nagelsmann angetan. Die linke Seite des VfB Stuttgart sorgt in der Bundesliga vor allem offensiv für mächtig Schwung.

Ein 3:0-Auswärtssieg bei einem gefühlten Heimspiel in der PreZero Arena in Sinsheim im Bundesliga-Topspiel am vergangenen Samstagabend: Mit einem viel besseren Gefühl kann man wohl nicht in die Länderspielpause gehen.

Beim VfB Stuttgart läuft's – besser als je zuvor in der Bundesliga – zumindest was die Punkte-Ausbeute angeht: 56 Zähler und 18 Siege nach 26 Spieltagen stellen einen Vereinsrekord dar: Nie hatten die Schwaben zu diesem Zeitpunkt der Saison mehr auf dem Konto, nicht mal in der letzten Meister-Saison 2006/2007. Völlig zurecht stehen die Stuttgarter als bester Tabellendritter der Bundesliga-Historie auf einem Champions-League-Platz.

Mittelstädt und Führich: Der linke Flügel als Prunkstück des VfB-Kollektivs

Doch was ist das Erfolgsrezept des VfB? Ganz einfach: Das Team als Kollektiv. Trainer Sebastian Hoeneß führte eine verunsicherte Mannschaft binnen weniger Monate vom Fast-Abstieg auf die internationalen Ränge. Er formte aus dem Kader eine stabile Defensive, ein kreatives und spielfreudiges Mittelfeld sowie einen brandgefährlichen Sturm. Mittlerweile steht der VfB für Offensiv-Spektakel. Nur Bayern München und Tabellenführer Bayer Leverkusen trafen in dieser Saison häufiger.

Chris Führich wurde von Bundestrainer Julian Nagelsmann zum zweiten Mal für das DFB-Team nominiert.

Sebastian Hoeneß (l.) hat Chris Führich (r.) zum Nationalspieler geformt.

Die Schokoladenseite des VfB Stuttgart

Maßgeblichen Anteil daran hat das Duo auf der linken Stuttgarter Seite. Maximilian Mittelstädt und Chris Führich bilden die Schokoladenseite der Stuttgarter, eine der derzeit gefährlichsten Flügelzangen der Liga. "Dass sie zusammen funktionieren, zeigen sie diese Saison fast jedes Wochenende. Das hat sich schon richtig gut eingespielt“, sagte Sebastian Hoeneß zuletzt nach dem 2:0-Sieg gegen Union Berlin.

Kein Wunder also, dass Bundestrainer Julian Nagelsmann neben Innenverteidiger Waldemar Anton und Stürmer Deniz Undav auch das Stuttgarter Flügel-Gespann für die Länderspiele der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich (Samstag, 21 Uhr, ZDF) und die Niederlande (Dienstag, 20:45 Uhr) nominierte. Doch was macht die Einzelspieler Maximilian Mittelstädt und Chris Führich in dieser Saison so gut und warum funktioniert das Duo, als spielte es schon seit Jahren zusammen?

Maximilian Mittelstädt: Vom Schnäppchen-Transfer zum Nationalspieler

Nicht einmal Sebastian Hoeneß und die VfB-Verantwortlichen hätten sich erträumen können, welche Entwicklung Maximilian Mittelstädt in so kurzer Zeit in Stuttgart nehmen würde. Zur neuen Saison für einen Schnäppchen-Preis von 500.000 Euro von Absteiger Hertha BSC verpflichtet, wo Mittelstädt nicht einmal Stammspieler war, etablierte sich der heute 27-Jährige unter Hoeneß im Laufe der Hinrunde als unverzichtbarer Bestandteil des Teams.

"Das war schon eine krasse Geschichte. Ich erzähle hier jetzt nicht, dass ich mir sicher war, dass er sechs Monate später Nationalspieler wird", sagte Hoeneß zu Mittelstädts Nominierung. Doch die Zahlen, Werte und Auftritte des Neu-Nationalspielers sprechen für sich – offensiv wie defensiv. Mit 35,2 Prozent erfolgreichen Flanken bringt kaum jemand in der Bundesliga aus dem Spiel mehr Bälle zu seinen Mitspielern. Kein Außenverteidiger gewinnt in der Defensive zudem so viele Zweikämpfe (61,8 Prozent) wie der gebürtige Berliner. Zwei Tore und drei Torvorlagen in 15 Startelfeinsätzen kommen obendrauf. "Er ist aber auch in der Lage, mal eingerückt zu agieren als linker Sechser und viele Situationen auch spielerisch zu lösen. Diese Variabilität ist schon besonders", lobte Hoeneß.

Maximilian Mittelstädt jubelt nach seinem Treffer zum 1:0 gegen den 1.FSV Mainz 05

Maximilian Mittelstädt jubelt nach seinem Treffer zum 1:0 gegen den 1. FSV Mainz 05.

Diese Leistungen sind auch Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht unentdeckt geblieben, dem es sowohl die Offensiv- als auch die Defensiv-Qualitäten des Stuttgarters angetan haben. "Maximilian Mittelstädt ist statistisch gesehen aktuell mit Abstand der beste Linksverteidiger in der Bundesliga und einer der besten vier auf der Welt. Das ist nicht nur ein subjektiver Eindruck, sondern objektiv durch Daten belegbar", sagte Nagelsmann auf der Pressekonferenz vergangene Woche. In den Spielen gegen Frankreich und die Niederlande bekommt Mittelstädt nun die Chance sich im Dreikampf mit David Raum (RB Leipzig) und Jan-Niklas Beste (1. FC Heidenheim), den Julian Nagelsmann auch als Linksverteidiger sieht, auf der Problemposition des DFB zu beweisen.

Maximilian Mittelstädt ist statistisch gesehen aktuell mit Abstand der beste Linksverteidiger in der Bundesliga und einer der besten vier auf der Welt." Julian Nagelsmann, Bundestrainer

Dribbelstarker Führich kann für Nagelsmann zum "Dosenöffner" werden

Beweisen darf sich erneut auch Mittelstädts kongenialer Partner auf der linken VfB-Seite, Chris Führich. Der 26-Jährige, der von Nagelsmann bereits für die letzten Länderspiele nominiert worden war, zählt aktuell zu den besten Linksaußen der Bundesliga. Schnell, dribbelstark, spielfreudig: "Das kann ein Dosenöffner sein, wenn wir mal ein Tor brauchen. Solche Spieler brauchen wir, die Mut haben, die ins Risiko gehen – das macht er herausragend gut", weiß auch der Bundestrainer.

Führichs starke Leistungen spiegeln sich ebenfalls in den Zahlen wider. Nur Leroy Sané ging in der Bundesliga öfter ins Dribbling als Führich (89-mal), nur der Münchener, dessen Teamkollege Jamal Musiala und der Leipziger Xavi Simons gewannen mehr ihrer Eins-gegen-Eins-Duelle als der Stuttgarter. Seine 14 Scorer-Punkte (sieben Treffer, sieben Torvorlagen) in der laufenden Saison sind eine weitere Rechtfertigung für seine DFB-Nominierung.

Solche Spieler brauchen wir, die Mut haben, die ins Risiko gehen – das macht er herausragend gut." Julian Nagelsmann, Bundestrainer

VfB-Duo der beste linke Flügel der Bundesliga?

Doch Nagelsmanns Schachzug, sowohl Mittelstädt als auch Führich zu nominieren, war nicht nur wegen ihrer individuellen Leistungen, sondern vor allem wegen ihres Zusammenspiels, ein kluger. Kein deutsches Flügel-Duo ist besser eingespielt als das des VfB. “Dass sie zusammen funktionieren, zeigen sie diese Saison fast jedes Wochenende", bestätigte VfB-Trainer Sebastian Hoeneß zuletzt. Kein Zufall also, dass 35 der 60 Stuttgarter Tore in dieser Saison über links oder halblinks fielen.

Chris Führich (l.) und Maximilian Mittelstädt (r.) im Zusammenspiel gegen Union Berlin

Chris Führich (l.) und Maximilian Mittelstädt (r.) im Zusammenspiel gegen Union Berlin.

Immer wieder sorgen die beiden im Zusammenspiel für offensive Gefahr, wenn Mittelstädt Führich hinterläuft und so die Defensiv-Reihen der Bundesliga vor Herausforderungen stellt. "Dadurch, dass ich ihn oft überlaufe, stellen wir Überzahl auf Außen her und machen es so den Gegnern schwer", sagt Mittelstädt zu dem Zusammenspiel mit Führich. "Er macht es mir sehr einfach, weil ich enormen Freiraum dadurch bekomme und er hinten alles dicht macht, weil er weiß, dass ich zwischendurch gerne auch mal vorne bleibe", so Führich.

Durch diesen einfachen, aber effektiven Spielzug bieten sich dem VfB auf der linken Offensivseite sofort zwei Optionen. Fokussiert sich der Abwehrspieler eher auf den hinterlaufenden Mittelstädt, schafft dies mehr Raum für den dribbelstarken Führich, der dann direkt nach innen ziehen kann. Legt der Verteidiger seinen Fokus darauf, Führich zu stoppen, hat wiederum Mittelstädt mehr Platz und kann mit seinen gefährlichen Flanken für Torgefahr sorgen, so wie beim 1:0 gegen den VfL Wolfsburg Anfang März.

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Stuttgarter können zur Lösung der deutschen Problemseite werden

Von einer derartigen Torgefahr über die linke Seite konnte die deutsche Nationalmannschaft zuletzt nur träumen. Von 17 erzielten Treffern im Kalenderjahr 2023 (alle Spiele nach der WM 2022) fielen lediglich zwei Tore über links – ein erschreckender Wert. Gerade deshalb erhofft sich Julian Nagelsmann neue Impulse von dem VfB-Duo.

Ankunft bei der Nationalmannschaft: Maximilian Mittelstädt, Chris Führich und Deniz Undav (v.l.n.r.) kommen im Teamhotel in Gravenbruch an.

Ankunft bei der Nationalmannschaft: Maximilian Mittelstädt, Chris Führich und Deniz Undav (v.l.n.r.) kommen im Teamhotel in Gravenbruch an.

Auch bei der Heim-EM im Sommer könnten diese Qualitäten von enormem Wert sein. Selbst wenn dort nicht beide in der ersten Elf stehen sollten, hätte der Bundestrainer den Trumpf in der Hinterhand, zwei Spieler bringen zu können, die auf Anhieb miteinander harmonieren. Mit Deniz Undav als weitere Option für die Offensive stünde ein dritter Stuttgarter als Zielspieler für Mittelstädt und Führich zur Verfügung.

Zunächst aber wird es für die Stuttgarter in den kommenden zwei Testspielen in Lyon und Frankfurt darum gehen, zu beweisen, dass sie auch in den endgültigen EM-Kader gehören. Schon das zweite Gruppenspiel - am 19. Juni (18 Uhr, ARD) in Stuttgart gegen Ungarn - würde dann zu einem doppelten Heimspiel werden. Eine einmalige Erfahrung, die sich sicher keiner der nominierten VfB-Spieler entgehen lassen möchte.

Sendung am Di., 19.3.2024 12:00 Uhr, SWR1 Baden-Württemberg, SWR1 Baden-Württemberg