Frank Schmidt

Zum 50. Geburtstag Das ABC von Heidenheim-Coach Frank Schmidt

Stand: 02.01.2024 18:06 Uhr

Seit gut 16 Jahren sitzt Frank Schmidt auf der Trainerbank des 1. FC Heidenheim. Am 3. Januar wird der Erfolgscoach 50 Jahre alt. Wie tickt der Trainer, der den FCH sensationell in die Bundesliga geführt hat? In seinem Buch "Unkaputtbar" erzählt er von seinem Denken und seinen Werten.

A wie Abbitte leisten
B wie Bücherwurm?
C wie Charakterköpfe
D wie Darts

E wie Emotionen
F wie Fallrückzieher
G wie Garagen-Kicker
H wie Heidenheim

I wie Idealtyp?
J wie Jugendsünde
K wie Kopfverletzung
L wie Lehre fürs Leben

M wie Mama
N wie Nervensägen
O wie Originell sein
P wie Pendel

Q wie Querköpfe
R wie Reden
S wie Stärke
T wie Teilchenbeschleuniger

U wie Urlaub
V wie Vorbild
W wie Werner Fuchs
Z wie Zusammenarbeit

Abbitte leisten


"
Ich musste als Spieler von Alemannia Aachen bei einem Hüttenabend vor der ganzen Mannschaft Abbitte leisten. Ich hatte kurz zuvor eine Rote Karte bekommen. Es wurde ein Stuhl auf den Tisch gestellt, auf den ich mich setzen musste. Die anderen durften mich beschimpfen, dann musste ich noch ein Lied singen. Ein kleines Spektakel."

Bücherwurm?


"
Ich bin kein großer Freund von Büchern, die wenigsten Bücher habe ich zu Ende gelesen. Ich ziehe das Wissen aus dem Leben, aus der Natur, aus der Beziehung zu meiner Frau und meinen beiden Töchtern. Ich lerne aus der Beobachtung, aus dem Nachdenken. Ich setze auf den gesunden Menschenverstand, weniger auf den Verstand aus Büchern."

Charakterköpfe


"Typen, die sich was trauen, passen zu uns in Heidenheim. Spieler, die riskieren, auch mal einen richtigen Mist zu bauen. Solche Typen sind mir oft lieber als Spieler, die aus den Nachwuchsleistungszentren kommen, die es gewohnt sind, dass alles für sie getan wird, die sich im entscheidenden Augenblick aber nicht selten wegducken."

Darts


"Ich bin nie ein großer Freund von Teambuilding-Maßnahmen gewesen. Wir können nicht einfach nach Schweden fahren und dort Flöße bauen. Das kostet alles wahnsinnig viel Geld. Da kann man auch Darts werfen. Das ist billiger und hat den gleichen Effekt."

Emotionen


"
Das ist es, was ich als Trainer entfachen möchte: Es gibt kein Gestern und kein Morgen, es gibt keine Post vom Finanzamt oder Stress in der Ehe. Es gibt nur dieses Spiel und die ganze Bandbreite menschlicher Emotionen: maximale Enttäuschung oder überschäumende Freude. Ich liebe diese Momente, wenn das Stadion ausrastet."

Frank Schmidt gestikuliert lautstark

Emotionsbündel an der Seitenlinie

Fallrückzieher


"
Ich war Stürmer. Ich wollte bei jedem Jugend-Hallenturnier mindestens ein Tor per Fallrückzieher machen. Jedes Mal ein Fallrückzieher-Tor. Das war komplett verrückt. Ich brachte meine Mitspieler dazu, mir immer den Ball so aufzulegen, dass es mit dem Fallrückzieher klappte. Es wurde zu meinem Markenzeichen."

Garagen-Kicker


"
Wir haben als Jugendliche bei uns in der Straße gekickt, auf Asphalt. Sich durchzusetzen, nicht klein beizugeben, das habe ich zwischen den Garagen gelernt. Es hat mich tief geprägt."

Heidenheim


"
Heidenheim ist eine Chance für viele Spieler. Wir entscheiden uns oft für Spieler, die woanders gescheitert sind, bei denen es bisher nicht rund lief oder deren Karriere ins Stocken geraten ist. Es ist menschlich, jemandem eine zweite Chance zu geben, in der Regel zahlen sie es zurück."

Idealtyp?


"Von den gegenwärtigen Spitzenspielern würde am ehesten Thomas Müller vom FC Bayern zu uns passen. Der wirkt noch normal, nicht abgehoben. Der würde sich vermutlich auch in Heidenheim wohlfühlen."

Thomas Müller lacht bei Teamvorstellung 2023

"Noch normal, nicht abgehoben": Thomas Müller

Jugendsünde


"
Ich war als Kind Fan von Bayern München, mit dem ganzen Drum und Dran: Bayern-Bettwäsche, Poster an der Wand, Aufkleben und samstags um 15:30 Uhr mit dem Ohr am Radio."

Kopfverletzungen


"
Ich habe mir bei Kopfballduellen insgesamt sieben Mal die Nase gebrochen. Aber im Hinblick auf die Vielzahl an anderen Verletzungen waren das eher die harmloseren. Ich hatte insgesamt elf schwere Operationen."

Lehre fürs Leben


"
Werner Fuchs, mein Trainer bei Alemannia Aachen, hat mich mal zur Seite genommen und gesagt: 'Ich will nicht noch mal sehen, dass deine Frau den Bürgersteig fegen muss. Das ist eine Frage des Anstands.' Für mich war das eine Lehre fürs Leben."

Mama


"
Meine Mutter hat meine Fußballerkarriere begleitet, immer. Sie ist bei jedem Spiel dabei, kennt die Ergebnisse, fiebert mit. Sie sitzt heute noch bei jedem Heimspiel auf der Tribüne. Als Schlaganfallpatientin fällt es ihr allerdings schwer, immer dabei zu sein. Sie ist mein treuster Fan."

Nervensägen


"Wenn ich auf eine Party gehe, muss ich nicht lange warten und es kommt einer auf mich zu: ‚Ihr braucht einen neuen Stürmer, so kann das nicht weitergehen.‘ In solchen Augenblicken will ich auch weitergehen – und zwar nach Hause."

Originell sein


"
Vor einigen Jahren habe ich ein Trikot bedrucken lassen: 'Allein stark, gemeinsam unschlagbar!' Dieses Trikot mussten alle Spieler unterschreiben, es wurde auf einem Bügel in die Kabine gehängt. Ich habe auch mal ein Schlauchboot in die Kabine gestellt. Die Botschaft war: 'Wir sitzen alle im gleichen Boot". Wir haben das Boot zu jedem Spiel mitgenommen."

Pendel


"
Das Kopfballpendel ist weitestgehend verpönt. Aber bei uns in Heidenheim gehört es dazu, ein Kopfballpendel zu nutzen. Vielleicht gibt es noch ein oder zwei andere Vereine, die eins haben. Wir gewinnen die meisten Kopfballduelle und haben 2022/23 die meisten Kopfballtore der Liga gemacht."

Querköpfe


"
Es gibt Trainer, die eine eigene Trainermarke sind, wie Steffen Baumgart oder Christian Streich. Von ihnen profitiert jeder einzelne Spieler, weil sie etwas besitzen, was mehr oder weniger fehlt in unserer Branche: Persönlichkeit. Mir fehlen die Typen, die vor dir stehen und du erkennst sofort, das ist ein authentischer Typ."

Streich und Baumgart umarmen sich

Trainertypen: Christian Streich (l.) und Steffen Baumgart

Reden


"
Es gibt keinen Grund, nicht mit Spielern zu reden. Du kannst nicht immer nett sein. Du kannst dich auch mal im Ton vergreifen – aber rede mit ihnen. Sei ein Ansprechpartner, nimm dir Zeit für ein Gespräch."

Stärke


"
Im Sport geht es ständig darum, keine Schwäche zu zeigen, stark, voller Energie und unkaputtbar zum nächsten Sieg zu jagen. Gefeiert wird, wer "ein Held" ist und oben steht. Dabei ist die Gefahr allgegenwärtig, alles zu riskieren, weil man glaubt, nicht anfällig oder gar zerstörbar zu sein. Ein Zwiespalt, mit dem ich fertigwerden muss."

Teilchenbeschleuniger


"
Ich nenne Frank Teilchenbeschleuniger. Ich kenne keinen Menschen, der von seinem Beruf so motiviert ist und so diszipliniert seinen Weg geht. Wir kennen uns sehr lange. Wir wissen, dass wir alles gemeinsam durchstehen. Für mich gab und gibt es einige Dinge, die schöner sind als Fußball. Trotzdem unterstütze ich meinen Mann komplett."
(Ehefrau Nadine über ihren Mann)

Urlaub


"
Im Grunde lebe ich von Sommer zu Sommer. Das ist mein Ziel, auf das ich hinarbeite, auf diesen nächsten Urlaub. Dazwischen Stress ohne Ende. Und im besten Fall, so wie in diesem Jahr, gekrönt vom Aufstieg."

Schmidt umarmt Töchter nach Aufstieg

Familienmensch: Frank Schmidt mit seinen Töchtern Lara und Julia

Vorbild


"
Ein Vorbild ist für mich jemand, der zeigt, was er kann, sich aber nie wichtiger nimmt, als er ist. Ein Vorbild zeichnet ein hohes Maß an Empathie aus – und entscheidend für ein Vorbild ist, dass es vorlebt, was für ihn oder sie wichtig ist."

Werner Fuchs


"
Werner Fuchs war als Trainer und Mensch ein Vorbild, mein Leuchtturm zu jener Zeit. Für mich war sein Tod ein maximaler Schock. Ich war einer der Sargträger. Er hat mir beigebracht, dass ein Trainer mit den Spielern spricht, dass er sie in den Arm nehmen kann, wenn sie versagt haben. Dass ein Trainer Mensch sein muss."

Zusammenarbeit


"
Bei uns arbeitet kein Sportpsychologe. Brauchen wir nicht. Ich bin auch kein Psychologe. Aber was ich mache, hat viel mit Psychologie zu tun. Mehr noch hat es mit Ehrlichkeit zu tun. Nur Ehrlichkeit bringt mich weiter. Meiner Mannschaft kann ich nichts vormachen, einem einzelnen Spieler kann ich nichts vormachen."

Quelle: Buch "Frank Schmidt – Unkaputtbar" (Murmann Verlag, 2023)