Georg Fleischhauer (Deutschland, Bob Anschieber). (Bild: IMAGO / Eibner)

Talent Georg Fleischhauer Leichtathlet aus Brandenburg wird Bob-Anschieber auf Welt-Niveau

Stand: 02.11.2023 19:14 Uhr

Als Leichtathlet wollte er einst zu Olympia, doch mittlerweile hat sich Georg Fleischhauer zu einem der weltbesten Anschieber des Bobsports entwickelt. Grundlage dafür war die Potsdamer Trainingsgruppe eines vierfachen Olympiasiegers.

Die Brandenburger Landeshauptstadt Potsdam hat auf den ersten Blick mit Wintersport so viel zu tun wie aktuell die Fußball-Damen von Turbine mit der Champions League. Doch genau hier schindet sich ein Sportler für die großen Momente im Eiskanal: Bob-Anschieber Georg Fleischhauer.
 
Der 35-Jährige ist sich der Absurdität seines Trainingsstützpunktes durchaus bewusst, denn in Potsdam gibt es keine Bobbahn. Aber im Sommer trainiert man ohnehin nur die Athletik, erst im Winter bekommt man die nötige Eiszeit mit seinem Piloten. Für die richtige Physis hat Fleischhauer in Potsdam eine starke Trainingsgruppe beisammen, die ihm dabei geholfen hat in der vergangenen Saison in die absolute Weltspitze des Bobsports vorzudringen, woran noch vor ein paar Jahren nicht im Entferntesten zu denken war.

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Deutscher Meister über 400-Meter-Hürden

Fleischhauer kommt, wie so viele sprintstarke Anschieber vor ihm, von der Leichtathletik. Er läuft zunächst Sprints und 110-Meter-Hürden. Ende 2009 konzentriert er sich zunehmend auf die 400-Meter-Hürden. 2010 wird er in Braunschweig erstmals Deutscher Meister, sein bis dato größter Erfolg. 2012 kann er diesen Titel erneut gewinnen, wird dazu bei den Europameisterschaften in Helsinki beachtlicher Sechster. Es werden die besten Ergebnisse seiner Leichtathletik-Karriere bleiben.
 
Trotz großen Aufwands und vielen ansprechenden Platzierungen bei Deutschen Meisterschaften reicht es für den gebürtigen Halberstädter in der Folge nicht für den ganz großen Traum: "Ich wollte immer im Sommer zu Olympia. Das habe ich leider nie geschafft", sagt er. Freunde raten ihm zu einem Wechsel in den Bobsport, um vielleicht dort seinen Olympiatraum zu verwirklichen.

Von Leopold entdeckt, von Kuske geformt

2019 startet Fleischhauer erstmals als Anschieber im Europacup. Zu diesem Zeitpunkt fährt er zweigleisig: im Sommer Laufbahn, im Winter Eiskanal. Doch die großen Erfolge bleiben in beiden Sportarten aus. Es habe gedauert, "erstmal im Bobsport anzukommen", meint Fleischhauer heute. Irgendwann wird Gerd Leopold auf ihn aufmerksam. Der ist Bundesstützpunkt-Trainer für den Bobsport im sächsischen Altenberg und gehört weltweit zu den angesehensten Bobtrainern, hat beispielsweise den großen Harald Czudaj und Francesco Friedrich zu Olympiasiegern geformt.
 
Leopold stellt für Fleischhauer den Kontakt zum ehemaligen Weltklasse-Anschieber Kevin Kuske her. Der viermalige Olympiasieger und siebenfache Weltmeister nimmt ihn in seine Potsdamer Trainingsgruppe auf. Seitdem läuft es bei Fleischhauer. Er feiert erstmals Weltcupsiege, Ende 2023 holt er in St. Moritz zusammen mit seinem Piloten Johannes Lochner sogar WM-Gold im Zweierbob.
 
"Dass es gleich so gut funktioniert mit Hansi Lochner und dass wir dann Weltmeister werden, das habe ich in keinster Weise erwartet", erklärt Fleischhauer. Als die beiden über die Ziellinie der anspruchsvollen Natureisbahn in St. Moritz fahren und der WM-Titel festgestanden habe, sei das ein "unbeschreibliches Gefühl" gewesen.

Bei Georg ist optimal, dass er eine wahnsinnige Schnellkraft und Schnelligkeit mitbringt. Nicht umsonst ist er gerade der beste Athlet für den Anschub, den es weltweit gibt.

Eigene Anschubstrecke im Potsdamer Luftschiffhafen

Fragt man den Trainer Kevin Kuske nach seinem Schützling, gerät dieser schnell ins Schwärmen: "Bei Georg ist optimal, dass er eine wahnsinnige Schnellkraft und Schnelligkeit mitbringt. Nicht umsonst ist er gerade der beste Athlet für den Anschub, den es weltweit gibt."

 
Die Komplimente von Kuske bedeuten Fleischhauer eine Menge: "Für mich ist es eine riesige Ehre, dass er mich so bezeichnet", sagt er. Das Verhältnis mit Kuske bezeichnet er als eng, kumpelhaft und immer auf Augenhöhe, vermutlich auch deswegen, weil beide nicht mehr die Allerjüngsten sind.
 
In Potsdam arbeiten sie gemeinsam im Sportpark Luftschiffhafen, wo sie optimale Bedingungen vorfinden, auch auf einer eigens angelegten Anschubstrecke. Hier wird an der richtigen Schrittfolge, der Technik und an den Startzeiten gefeilt. Daneben treffen sich Trainer und Sportler zumeist im angrenzenden Kraftraum. Georg Fleischhauer drückt dann 180 Kilo aus den Beinen heraus – das doppelte seines Körpergewichts.

Florin Boeck (Projektentwickler Para, l.) + Michael Nitsch (Direktor FES, r.). Quelle: imago images/Ed Gar
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Der Traum von Olympia lebt

Die Schinderei mit den Gewichten soll sich schließlich für Fleischhauer auch auszahlen, wobei er nebenbei sogar noch arbeiten geht, um sich den Leistungssport finanzieren zu können. Der studierte Wirtschaftsingenieur ist 20 Stunden pro Woche als Unternehmenberater tätig. Seine mittelfristigen sportlichen Ziele mit Pilot Johannes Lochner sind die WM-Titelverteidigung im Zweierbob und eine Medaille im Viererbob – all das vor heimischem Publikum im Februar 2024 auf der Bahn in Winterberg im Hochsauerland.
 
Und dann wäre da noch der große Traum von Olympia. 2026 finden die nächsten Winterspiele in Mailand und Cortina d'Ampezzo statt. Georg Fleischhauer will auf jeden Fall dabei sein. "Bei Olympia einen Sieg einzufahren oder eine Medaille holen, das ist nochmal mehr wert. Darauf arbeiten wir hin, das ist das große Ziel."

Sendung: rbb24, 31.10.2023, 21:45 Uhr