St. Paulis Marcel Hartel

Datenanalyse Marcel Hartel vom FC St. Pauli: Der beste Spieler der 2. Liga

Stand: 04.10.2023 09:50 Uhr

St. Paulis Marcel Hartel trifft und trifft und trifft. Den Mittelfeldmotor der Hamburger auf seine Offensivqualitäten zu reduzieren, greift aber zu kurz - wie auch die Daten zeigen. Er ist der beste Spieler der 2. Liga im aktuell stärksten Team.

Von Tobias Knaack

Jetzt also auch noch mit dem Kopf: Es lief die 74. Minute am vergangenen Sonnabend im Berliner Olympiastadion und Hartel stand, nachdem er kurz zuvor bereits an den Pfosten geköpft hatte, erneut in der Luft - und dieses Mal setzte der 1,77 Meter große Mittelfeldspieler den Ball wuchtig ins Tor. Das 2:0 war die Vorentscheidung bei St. Paulis überzeugendem 2:1-Erfolg in Berlin, der den Kiezkickern die Tabellenführung bescherte.

Der Treffer war bereits Hartels fünftes Saisontor - mit rechts, mit links und nun eben auch noch mit dem Kopf. Besser war Hartel in dieser Statistik noch nie. Wie die gesamte Mannschaft in diesem Kalenderjahr einen enormen Sprung gemacht hat, seit Fabian Hürzeler als Trainer übernommen hat, gilt das auch für Hartel.

"Diese Saison werde ich belohnt"

"Ich versuche, mich stetig in meinen Abschlussqualitäten zu verbessern. Diese Saison werde ich belohnt", sagte der 27-Jährige über seine hohe Erfolgsquote zuletzt. Dabei ist Hartel weit mehr für die Hamburger, als es die bloße Zahl der Tore aussagt. Der ehemalige U21-Nationalspieler ist bei St. Pauli in seiner dritten Saison. Der gebürtige Kölner, der bei den Rheinländern alle Jugendmannschaften durchlaufen hat, war 2021 aus Bielefeld ans Millerntor gewechselt und ist seither der Motor des Teams und ein Muster an Konstanz.

Hartel, das Laufwunder

Hartel ist Dauerläufer und Dauerbrenner: In dieser Saison hat er den GSN-Daten zufolge als einziger Spieler ligaweit nach acht Spieltagen mehr als 100 Kilometer abgespult. Mit seinen 101,61 Kilometern liegt er rund dreieinhalb Kilometer vor seinem ärgsten "Verfolger" Robin Heußer vom SV Wehen Wiesbaden.

Vergangene Spielzeit standen 418,5 Kilometer bei Hartel auf dem Tacho - knapp 30 mehr als beim zweitplatzierten Marvin Wanitzek (Karlsruher SC) - das waren im Schnitt 12,3 Kilometer pro Partie.

In den acht Begegnungen in dieser Spielzeit toppt er diesen Wert sogar: Aktuell liegt er bei durchschnittlich 12,72 Kilometern pro Partie - Ligabestwert. Im mannschaftsinternen Vergleich hat er im Mittel knapp einen Kilometer pro Spiel mehr auf dem Konto als Jackson Irvine auf Rang zwei. Der Kapitän, mit dem "Cello" - so Hartels Spitzname - im Mittelfeld ein kongeniales Duo bildet, kommt auf 11,83 Kilometer.

Was steckt genau hinter den GSN-Daten?

Die GSN-Datenbank greift in seinen Analysen mittlerweile auf ungefähr 35 Milliarden einzelne Datenpunkte zurück. Grob zusammengefasst gibt es dabei vier Bereiche:

  • "Persönliche Basisdaten": Daten wie Größe, Gewicht oder Alter der Spieler werden erfasst.
  • "Scoutingdaten": Ein weltweites Scoutingnetzwerk liefert Einschätzungen zu ca.130 fussballspezifischen Eigenschaften (technisch, taktisch, physisch, mental) von Spielern.
  • "Performance-Daten": Jede Aktion jedes Spielers während eines Spiels wird erfasst - u.a. Pässe, Torschüsse, Sprints oder auch Fouls.
  • "Advanced analytics": Damit sind Datenmodelle gemeint, die auch mit Hilfe von künstlicher Intelligenz berechnet werden. Diese Modelle sollen den "Performance-Daten" Kontext verleihen. Ein Beispiel ist der sogenannte "Action score", bei dem berechnet wird, wie positiv oder negativ jede Aktion eines einzelnen Spielers für das jeweilige Team ist.

Optimale Position: Offensives Mittelfeld

Erstaunlich ist angesichts des hohen läuferischen Aufwands Hartels Belastbarkeit. Seit seinem Wechsel ist er in 73 von 74 möglichen Partien für die Braun-Weißen auf dem Rasen gewesen und hat fast immer durchgespielt. In der aktuellen Spielzeit stand er in allen Begegnungen in der Startelf und hat nur eine Minute verpasst. Den weit überwiegenden Teil aller Partien seit seiner Ankunft am Millerntor - gut 81 Prozent - hat er im zentralen Mittelfeld gespielt, knapp 15 Prozent als Linksaußen.

Die stärkste Position Hartels ist eigentlich das offensive Mittelfeld - also als zentraler, offensiver, vorgezogener Spielmacher. Diese Rolle gibt es im 3-4-3 der Kiezkicker in dieser Form allerdings nicht. Seine zweitbeste Position aber ist das zentrale Mittelfeld im Sinne eines vorgeschobenen Spielmachers. Genau die füllt Hartel aktuell aus.

Starke Passwerte

Und das mit einem sehr hohen Fußball-IQ. Beispiel Schlüsselpässe, also Bälle, mit denen er Mitspielern einen Torabschluss ermöglicht: Hartel spielt pro 90 Minuten 3,5 solcher Pässe - Ligabestwert. Zudem hat er 5,38 schusskreierende Aktionen pro Begegnung - Pässe, Offensivzweikämpfe, herausgeholte Freistöße -, was ligaweit Rang vier beduetet. Ebenfalls sehr gute Werte erreicht er bei angekommenen raumöffnenden sowie linienüberspielenden Pässen.

Und dennoch hätte er im Passspiel und bei Dribblings den Daten nach sogar das Potenzial, noch etwas risikofreudiger zu sein, um noch mehr Gefahr zu kreieren. Hier haben andere Spieler auf seiner Position bessere Werte.

Einen Assist hat Hartel in der bisherigen Spielzeit auf dem Konto - der Wert wäre mit Sicherheit höher, wenn die Mannschaft insgesamt, wie es auch Coach Hürzeler nach dem Berlin-Spiel anmahnte, noch effektiver in der Chancenverwertung wäre.

Auf dem Weg zu neuen Bestmarken

Doch setzt "Cello" nicht nur Mitspieler in Szene, sondern bringt sich durch kluge Laufwege immer wieder auch selbst in aussichtsreiche Abschlusspositionen. Bei den erhaltenen Schlüsselpässen liegt er mit einem Wert von 1,44 ebenfalls auf dem vierten Platz. Er erkennt Räume und bespielt sie - mit Läufen, Pässen oder immer häufiger auch Schüssen.

Er sucht deutlich häufiger als in der Vergangenheit den eigenen Abschluss, ist auch wesentlich effizienter und erfolgreicher. In eigentlich allen wichtigen Schussparametern - Anzahl, Schüsse auf das Tor, Torwahrscheinlichkeit - hat er sich seit seinem Wechsel nach Hamburg konstant verbessert. Und in diesem Jahr nochmals signifikant gesteigert.

Der 27-Jährige ist Dreh- und Angelpunkt im Spiel der Braun-Weißen, und mit sechs Scorerpunkten an 46 Prozent der Tore beteiligt. Vergangene Spielzeit war er auf fünf Tore und acht Vorlagen gekommen, 2021/2022 schlugen zwei Treffer und sechs Vorbereitungen zu Buche. Hartel liegt also früh in der Saison auf Kurs, diese Werte zu überbieten.

Hohe Balleroberungen

Ihn auf seine offensiven Qualitäten zu reduzieren, würde allerdings deutlich zu kurz greifen, wie auch Neuzugang Hauke Wahl findet: "Cello hat zwischen beiden Sechzehnern eine unfassbare Qualität", sagte der aus Kiel gekommene Abwehrspieler.

Die geringe Anzahl an St. Paulis Gegentreffern (fünf in acht Partien) hat vor allem mit dem starken gesamtmannschaftlichen Verteidigen zu tun. Und das fängt vorne an. 3,79 Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte hat Hartel im Schnitt, 0,91 Bälle holt er für sein Team im gegnerischen Sechzehner, zudem hat er 3,66 Balleroberungen nach Gegenpressing.

Und in der kommenden Saison das erste Bundesligator?

Beim 3:1 über Schalke 04 schoss der offensive Mittelfeldspieler nicht nur zwei Tore, sondern gewann auch sensationelle 75 Prozent seiner Zweikämpfe. Das war aber selbst für einen so vielseitigen Akteur wie ihn ein astronomisch hoher Wert. Im Mittel sind es knapp 40 Prozent - eine der wenigen Zahlen, die in dieser Saison bisher unter denen der Vorjahre liegt, als es knapp 46 (2021/2022) und rund 48 Prozent (2022/2023) waren.

Seine Bedeutung für St. Paulis Spiel ist, wie auch Wahl es sagt, eine andere: Mit 679 intensiven Läufen (ligaweit der zweitbeste Wert) und 169 Sprints (zweitbester Wert bei den Braun-Weißen und Top 25 in der Liga) stresst er die Gegner fast über das gesamte Feld hinweg. Viele kommen nach Ballverlusten der Hamburger also oft gar nicht in den eigenen Spielaufbau - auch dank des 27-Jährigen.

Die Daten zeigen es, Hartel ist aktuell der beste Spieler der 2. Liga im aktuell besten Team, das sich anschickt an die Tür zur Bundesliga zu klopfen. In der Beletage des deutschen Fußballs haben Hartels Zahlen allerdings noch Luft nach oben. Dort hat er in 30 Spielen noch keinen Treffer erzielt.

Aber wenn es bei ihm und dem St.-Pauli-Team weiter so läuft wie gerade, könnte Hartel das in der kommenden Saison ja nachholen.