Bundestrainer Julian Nagelsmann

Datenanalyse Nagelsmann als Bundestrainer - den Zahlen nach die richtige Wahl

Stand: 22.09.2023 12:21 Uhr

Julian Nagelsmann beerbt Hansi Flick als Fußball-Bundestrainer - zumindest bis zur Heim-EM im kommenden Jahr. Der 36-Jährige passt in Taktik und Spielweise perfekt zur deutschen Nationalmannschaft, wie die Datenanalyse des NDR gezeigt hat.

Von Tobias Knaack

Ein "Wunschkandidat" mit "Energie" und "Persönlichkeit": DFB-Sportdirektor Rudi Völler hat den neuen Fußball-Bundestrainer in höchsten Tönen gelobt. "Er ist nicht nur ein absoluter Fußball-Fachmann, sondern hat auf all seinen Stationen - in für einen Cheftrainer sehr jungen Jahren - bereits bewiesen, dass er eine Mannschaft und das gesamte Umfeld motivieren und mitreißen kann", sagte Völler am Freitag.

Der frühere Coach von Bayern München hat nun also auch offiziell den schweren Auftrag, die deutsche Nationalmannschaft als zwölfter Bundestrainer aus dem tiefsten Tal zu einer erfolgreichen Europameisterschaft im eigenen Land zu führen.

Nagelsmanns Taktik passt zum DFB-Team

Die GSN-Datenanalyse zeigt, dass Nagelsmanns Taktik und Spielweise perfekt zur Nationalmannschaft passt. Seine Spielweise ist auf Kurzpass- und Kombinationsspiel ausgelegt. Seine Teams sind generell offensiv ausgerichtet. Nach Ballverlusten geht es umgehend ins Gegenpressing und Pressing über. Defensiv lässt der Trainer gerne in Raumdeckung agieren. Seine Spieler haben diverse Freiräume während der Partie. Zudem setzt der gebürtige Landsberger auch auf eine starke Bank, um die Spielweise anzupassen. Er lässt bevorzugt im 4-2-3-1 agieren, das defensiv in ein 5-2-2-1 übergeht. Mit 1,92 Punkten pro Begegnung und einer Siegquote von 56,96 Prozent erreicht Nagelsmann Spitzenwerte.

Sein GSN-Trainer-Index-Wert liegt mit 86,87 im Bereich der Weltklasse. Seine Taktik wäre gegenüber dem DFB-Team zu 90,65 Prozent passend. Der beste Wert der analysierten Trainer.

Wie wird der GSN-Index bei Trainern erstellt?

Der GSN-Index bei Trainern setzt sich aus unterschiedlichen Faktoren zusammen. Relevanz haben:

  • die Stärke des eigenen Teams im Verhältnis zur Stärke der Liga - geholte Punkte werden faktorisiert.
  • die Spielerentwicklung - entwickeln sich Spieler unter einem bestimmten Trainer weiter, stagnieren sie oder werden gar schlechter?
  • taktische Flexibilität - schafft es ein Trainer, sein Team situationsbedingt taktisch umzustellen, um damit erfolgreich zu sein?
  • statistische Werte der Mannschaft - auch taktisch und technisch.

Bewertungs-Skala:

  • 85 - 100: Weltklasse-Trainer wie Klopp oder Guardiola
  • 70 - 85: Trainer, die die Fähigkeiten haben, eine Nationalmannschaft zu coachen oder einen Club, der international spielt (innerhalb der Top-Fünf-Ligen)
  • 60 - 70: Bundesliga-Trainer
  • ...

Das Potenzial der starken Individualisten abrufen

Hansi Flick hatte es in seiner rund zweijährigen Amtszeit nicht geschafft, das Potenzial der vielen starken Individualisten, die in ihren Clubs teils mit herausragenden Leistungen glänzen, abzurufen, geschweige denn, eine homogene Mannschaft zu formen. Das wird eine der Hauptaufgaben für den 36 Jahre alten Nagelsmann sein - der jüngster DFB-Cheftrainer seit dem Amtsantritt von Otto Nerz 1926 (34 Jahre und neun Tage) wird.

Der Vertrag Nagelsmanns läuft bis 31. Juli 2024. Und dann? Zieht es Nagelsmann wieder in den Club-Fußball, wäre dann der Weg frei für die Traumlösung mit Jürgen Klopp in Richtung WM 2026?

Was ist mit Klopp?

Seit Jahren wird der 56-Jährige als Wunschlösung genannt - und sein unter allen analysierten Coaches ermittelter GSN-Index-Wert unterstreicht eindrucksvoll, warum: 91,22 ist Weltklasse und distanziert die anderen Kandidaten - auch Nagelsmann - in dieser Hinsicht deutlich.

Das Problem aus DFB-Sicht: Klopp hat wiederholt betont, seinen noch bis 2026 beim FC Liverpool laufenden Vertrag erfüllen zu wollen. Der gebürtige Stuttgarter hat bei einem Punkteschnitt von 1,86 eine Siegquote von 54,70 Prozent. Klopps Teams spielen mit hohem Angriffspressing, hohen Balleroberungen und schnellen Umschaltmomenten. Die Spielweise ist extrem auf Pressing und Gegenpressing ausgelegt. Offensiv entsteht allerdings Gefahr durch hoch aufrückende Außenverteidiger und nach innen rückende Außenstürmer.

Klopp lässt offensiv im 4-3-3 agieren, defensiv wird es zu einem 4-5-1, seine Taktik passt der Analyse nach allerdings "nur" zu 83,90 Prozent zur DFB-Auswahl. In dieser Wertung liegt er klar hinter Nagelsmann.

Nagelsmann nimmt Völler zum Vorbild

Ein mögliches Engagement Klopps bleibt Zukunftsmusik, die Lösung für die kommenden zehn Monate heißt Nagelsmann. Mit Haut und Haaren hat sich der neue Bundestrainer der historischen Chance Heim-EM verschrieben, im Stile seines Kurzzeit-Vorgängers Rudi Völler will er die Herzen der Fans zurückerobern und ihnen ein Sommermärchen 2.0 schenken. "Ich habe große Lust, diese Herausforderung anzunehmen", sagte er

"Dieser Tatsache, ein großartiges Turnier in einem großartigen Land zu haben, ordne ich alles unter."
— Bundestrainer Julian Nagelsmann

Bei seiner Vorstellung versprach er: Der Coup mit Völler gegen Vize-Weltmeister Frankreich "war der Anfang. Wir werden im kommenden Jahr ein eingeschworener Haufen sein." Und nach drei bitteren Turnierenttäuschungen endlich wieder um den Titel mitspielen?

"Wir haben eine Europameisterschaft im eigenen Land. Das ist etwas Besonderes - etwas, das alle paar Jahrzehnte mal vorkommt", sagte der 36-Jährige und versicherte: "Dieser Tatsache, ein großartiges Turnier in einem großartigen Land zu haben, ordne ich alles unter."

Die Wahreheit liegt der alten Fußball-Wahrheit zufolge dann wie immer auf dem Platz, den Daten nach aber sind Nagelsmann und der DFB ein perfektes Match.

Dieses Thema im Programm:
Sport aktuell | 22.09.2023 | 12:17 Uhr