Trainer Alois Schwartz mit seinen Spielern von Hansa Rostock

2. Bundesliga Hansa Rostock in der Datenanalyse: Erst top, dann flop?

Stand: 30.09.2023 10:02 Uhr

Mit drei Siegen aus vier Spielen war Hansa Rostock überraschend gut in die Zweitliga-Saison gestartet. Doch es folgten drei Niederlagen. Vor dem Spiel gegen Eintracht Braunschweig stellt sich die Frage nach dem wahren Leistungsvermögen der Mecklenburger. Die Datenanalyse gibt Antworten.

Von Florian Neuhauss

Nach der jüngsten 1:3-Niederlage auf dem Betzenberg in Kaiserslautern waren die Rostocker ordentlich gefrustet. Sein Team habe 25 Minuten "komplett verschlafen", monierte Trainer Alois Schwartz. Er kritisierte die Verteidigung, die "teilweise naiv gewesen" sei und sich "nicht klug angestellt" habe. Und er kritisierte den Angriff, namentlich Juan José Perea, der bei seinen Chancen den Ball hätte "im Tor unterbringen müssen".

Der Anfangsschwung ist dahin, und so konstatierte Hansa-Keeper Markus Kolke: "Drei Niederlagen in Folge sind schon mal ein Wort. Der Druck auf dem Kessel ist klar ein bisschen da."

Dabei stehen die Norddeutschen in der Tabelle als Elfter noch recht gut da - dem guten Start sei Dank. Bei nur noch zwei Punkten Vorsprung auf den Relegationsrang schrillen aber schon ein wenig die Alarmglocken. Verantwortliche, Spieler und Fans dürfte gleichermaßen die Frage umtreiben: Wie gut ist diese Mannschaft wirklich - so wie beim furiosen Saisonstart oder doch eher wie in den Spielen danach?

"Drei Niederlagen in Folge sind schon mal ein Wort. Der Druck auf dem Kessel ist klar ein bisschen da."
— Hansa-Torwart Markus Kolke

Im Fokus steht dabei auch Trainer Schwartz, der den Club im Frühjahr als Feuerwehrmann vor dem Abstieg gerettet hat, dabei aber extrem defensiv agieren ließ. Doch der 56-Jährige hat in seiner Karriere (unter anderem führte er Karlsruhe zum Aufstieg in die Zweite Liga) auch schon gezeigt, dass er anders kann. Findet er mit und für Hansa auf Dauer den richtigen Weg?

Hansa hat den schlechtesten Kader der Liga

Ein Blick in die Daten von GSN zeigt zunächst Erstaunliches: Nach Expected Points müssten die Rostocker eigentlich den letzten (!) Tabellenplatz belegen. Den realen neun Punkten stehen in der Rechnung 5,40 gegenüber. Ein deutlich schlechteres Abschneiden würde allerdings nicht einmal überraschen. Denn mit einem durchschnittlichen GSN-Index der Spieler von 55,01 hat Hansa auch den schlechtesten Kader der Liga.

Was ist das "Expected points"-Modell?

Die Expected points ermitteln die Anzahl der Punkte, die eine Mannschaft aus einem Spiel hätte holen "müssen", basierend auf den Torchancen, also den "Expected goals", die sie in diesem Spiel generierte bzw. hätte bekommen müssen. Jedes Team bekommt zwischen 0,1 und 2,7 Expected points, je nachdem, wie einseitig das Spiel aus Sicht der "Expected goals" war.

Beim Blick auf die einzelnen Spiele war nach Expected Goals und Points nur der Sieg gegen Aufsteiger Osnabrück (2:1) wirklich verdient. Auf der anderen Seite war auch nur die Niederlage gegen Spitzenreiter Düsseldorf (1:3) unverdient. Die beiden anderen Siege fallen in die Kategorie glücklich, nach Datenlage darf sich zudem über die drei anderen Niederlagen (Hannover, HSV und Kaiserslautern) niemand beschweren.

Gleicher Platz und gleiche Punktzahl wie unter Härtel

Kurze Randnotiz: In der vergangenen Saison hatten die Hanseaten - noch unter Schwartz-Vorgänger Jens Härtel - nach sieben Spieltagen ebenfalls neun Zähler geholt und lagen genauso auf Platz elf wie jetzt. Einziger Unterschied waren die geschossenen und kassierten Tore: War 2022 zu diesem Zeitpunkt noch die Tordifferenz 5:9 notiert, liegt sie nun bei 9:12.

Schon diese Zahlen zeigen das aktuelle Problem: Hansa ist zuletzt die defensive Stabilität abhandengekommen. Und die Offensive ist nach wie nicht gut genug, um regelmäßig schlechte Defensivleistungen auszugleichen.

Offensiveres Spiel - Schwartz wagt sich aus der Deckung

Auf dem Weg zum Klassenerhalt setzte Schwartz in der vergangenen Saison auf eine extrem defensive Herangehensweise. Im Schnitt stand seine Defensivreihe noch mal 5,5 Meter näher am eigenen Tor als unter Härtel, der selbst nicht für Hurra-Fußball bekannt ist. Aber: Schwartz hat sich seit Saisonbeginn im wahrsten Sinne des Wortes wieder ein wenig aus der Deckung gewagt. Die letzte Kette ist nun 4,21 Meter nach vorn gerückt (also bei 36,07 Metern).

Was ist der "Performance-Score"?

  • Tore, Pässe, Fouls, Schüsse oder auch Abseitspositionen: die Spiel-Basisdaten und weiterführende Analysen wie "Expected goals" oder "Action scores" werden beim "Performance-Score" durch einen Algorithmus in einen übergeordneten Kontext gesetzt - zum Beispiel positionsbezogen.
  • Beim "Performance-Score" sind alle Spieler zunächst einmal auf 0 gesetzt und werden anhand der reinen Leistungsdaten, kombiniert mit Datenmodellen, bewertet.
  • Damit liefert dieser Wert eine Einschätzung, wie gut oder schlecht ein Spieler aktuell spielt.
  • Der "Performance-Score" ist ein Baustein des GSN-Index, der wiederum eine generelle, langfristige Bewertung aller Fähigkeiten, Potenziale und Qualitäten eines Spielers ist.

Das liegt auch an einer (teilweisen) Systemumstellung. Das 3-4-3, das gegen den Ball in der Regel hinten eine Fünferketter zeigte, wird immer öfter zu einem 3-4-1-2. Was wiederum mit den Neuzugängen zu tun hat: Die Stürmer Juan-José Perea (56,00) und Júnior Bramado (57,90) haben ihre Klasse bereits gezeigt. Der Performance-Score von Perea (56,00/zehntbester Stürmer der Liga) und Bramado (57,90/6.) weist sie als klare Verstärkungen aus.

Der neue Spielmacher, der bundesligaerfahrene Sebastian Vasiliadis (54,70), ist aber bisher ebenso noch zu selten ein Faktor wie alle übrigen Neuzugänge.

Erfolgsgarant Pröger hat stark abgebaut

Zu selten in Erscheinung tritt bisher auch Kai Pröger. Der Garant des Klassenerhalts in der vergangenen Saison - er war mit zehn Toren und sechs Vorlagen an fast 47 Prozent aller Treffer beteiligt - hat seit Saisonbeginn erst einmal getroffen und kein Tor direkt vorbereitet.

Seine Werte waren in der Vorsaison statistisch zwar merklich besser, als nach den Leistungen zu erwarten gewesen wäre (Überperformance). Nun bleibt der 31-Jährige aber deutlich unter seinen Möglichkeiten: Sein Performance-Score ist von 55,61 auf 53,50 gefallen.

Schwartz: "Brauchen einen langen Atem"

Schwartz hat den Club und seine Anhänger in der "Ostsee-Zeitung" gerade auf eine harte Saison eingestellt: "Wir brauchen einen langen Atem, wir werden Durststrecken haben. Ich hoffe, dass sie nicht allzu lange andauern werden." Der Trainer-Routinier, der mittlerweile seit über 20 Jahren im Geschäft ist, gab sich angesichts der drei Niederlagen allerdings gleichzeitig betont gelassen und erklärte er, es habe ihn "auch nicht beunruhigt, dass wir nach zwei Spieltagen Tabellenführer waren".

Torhüter Kolke hatte im Sportschau-Interview betont, er hoffe, dass die Hansa-Kogge schon bald "wieder in ruhigere Gewässer fährt".

Saison-Simulation: Hansa muss in die Relegation

Trotzdem ist ein Sieg gegen Eintracht Braunschweig heute (13 Uhr, im NDR Livecenter) natürlich das erklärte Ziel. Dabei kommt es zum Wiedersehen mit Ex-Coach Härtel, für den es mit den "Löwen" als Tabellenvorletzter noch viel schlechter läuft.

Von einem "Pflichtsieg" wollte Schwartz nichts wissen: "Die Medien hauen das immer raus. Wir wissen, wer wir sind und wo wir herkommen. Jetzt hoffen wir, dass wir uns gut schütteln, sodass alles wieder raus ist, und gegen Braunschweig wieder anfangen."

Am Ende wird wahrscheinlich wieder jeder einzelne Punkt wichtig sein für Hansa. Die GSN-Simulation der Saison gibt dem Coach in Bezug auf den nötigen langen Atem nämlich Recht - mehr als ihm lieb sein dürfte: Demnach belegt Hansa in der Abschlusstabelle nur Rang 16 und müsste damit in der Relegation nachsitzen.

Dieses Thema im Programm:
Nordmagazin | 29.09.2023 | 19:30 Uhr