
Letztes Saisonspiel beim SC Freiburg Packt's Eintracht Frankfurt in die Champions League? Fünf Fragen, drei Meinungen
Eintracht Frankfurt steht vor einem "Do-or-Die"-Spiel. Ein Punkt in Freiburg reicht für die Champions League. Und wie sieht das "Worst Case"-Szenario aus? Der hr-sport diskutiert.
Spielt die Eintracht in der kommenden Saison in der Champions League?
Gerald Schäfer: Ich habe Anfang Januar gesagt, die Eintracht schafft das mit der Champions League, und ich bleibe dabei: Eintracht Frankfurt spielt in der Saison 2025/26 Champions League.
Mark Weidenfeller: Wenn mir jemand diese Frage an irgendeinem Tag dieses Jahres vor dem Heimspiel gegen St. Pauli gestellt hätte, hätte ich ohne zu zögern "ja" gesagt. Jetzt bin ich mir ehrlich gesagt sehr unsicher.
Klar: Es ist nur ein Punkt und der SC Freiburg ist wirklich auch keine Übermannschaft. Aber die Tendenz, der Druck, die Nervosität: Das alles spricht für mich aktuell dafür, dass es sehr, sehr eng wird. Die Eintracht muss ihr Final-Gesicht zeigen, so wie damals in Nürnberg, 2018 gegen die Bayern oder 2022 in Sevilla. Ob sie das nach dieser Saison und mit dieser Besetzung kann? Ich weiß es nicht.
Ron Ulrich: Ich verstehe nicht so recht die allgemeine hessische Weltuntergangsstimmung und Sätze wie "Die Eintracht verspielt es schon wieder...". Mark hat ja schon drei Beispiele genannt, in denen die Eintracht da war, als es drauf ankam. Erst im letzten Jahr hat die Mannschaft selbst nach einem 0:2-Rückstand im letzten Spiel noch Europa geschafft. Die verpasste Qualifikation 2021 hatte zum einen mit den fehlenden Fans auf den Rängen zu tun und damit, dass gewisse Funktionäre ihrer Karriere lieber woanders einen Knacks verpassen wollten.
Ansonsten war die Eintracht in den vergangenen Jahren wie für diese Spiele gemacht - und Alfons Berg wird am Samstag auch nicht pfeifen. Außerdem: Wie jeder (Otto-Waalkes-Fan) weiß, lügen weder Dänen noch Tabellen. Die Eintracht war trotz der Durchhänger über die Saison gesehen besser als Freiburg und Dortmund. Das wird sich auch in der Endabrechnung widerspiegeln. Punkt.
Wie geht das Spiel in Freiburg aus?
Ron Ulrich: Freiburgs Ritsu Doan schießt das 1:0 für den SC Freiburg, jubelt aber aus Respekt vor seinem zukünftigen Arbeitgeber nicht. Aus Respekt vor einem möglichen anderen zukünftigem Arbeitgeber jubelt er aber auch bei den Zwischenständen aus Dortmund nicht. Robin Koch checkt vor einem Einwurf an der Seitenlinie den Freiburger Trainer Julian Schuster um, doch der macht keine große Show daraus und das Spiel kann fair weitergespielt werden. Nach einer letzten Ecke köpft ausgerechnet der mitgeeilte Kevin Trapp den mit einer Muskelverletzung im Fünfer liegenden Elye Wahi an - von da springt der Ball in der fünften Minute der Nachspielzeit zum 1:1 ins Netz.
Im Ernst: Ich denke wirklich, dass die Partie unentschieden ausgeht.
Gerald Schäfer: Ursprünglich wollte ich ja auch auf unentschieden tippen. Weil ich aber auch glaube, dass Dortmund sein Spiel gegen Kiel gewinnt, sage ich: Die Eintracht gewinnt das Ding mit 2:1.
Die letzte Frankfurter Niederlage in Freiburg ist sechs Jahre her. Seitdem gab es drei Remis und einen Sieg im Breisgau. Die Serie wird auch am Samstag nicht reißen. Und weil Freiburg in den Schlussminuten alles auf eine Karte setzt und hinten auf macht, gewinnt die Eintracht dank eines Konters in der Nachspielzeit.
Mark Weidenfeller: Gerald, dieser unglaubliche Optimist. Am lustigsten fände ich es ja, wenn der BVB mal wieder BVB-Dinge tut und gegen Kiel nach 20 Minuten 0:2 hinten liegt. Lewis Holtby, der alte Schalker, zündet mit einem Doppelpack das Freiburger Stadion an. Dann geht auch für die Eintracht alles. Und wenn nicht? Dann wird es vielleicht und mit viel Würgerei ein 1:1. Torschütze Farès Chaibi, und niemand weiß warum.
Sollte Dino Toppmöller die Aufstellung ändern?
Mark Weidenfeller: Ja. Es wird zwar die ganze Zeit erzählt, dass Freiburg das Spiel machen muss und die Eintracht fröhlich kontern kann. Für mich wäre das in diesem Endspiel, Do or Die, aber der falsche Ansatz. Die Eintracht kann kicken, die Eintracht kann Pressing und die Eintracht kann Freiburg auch einfach mit ihren Mitteln besiegen. Dafür braucht es aber Spieler, die eben genau jetzt bereit und in Form sind.
Michy Batshuayi ist - und das meine ich so positiv wie es geht - mental so abgestumpft, dass ihm im Grunde völlig egal sein wird, was da am Samstag passiert. Der steht vorne und wird seine Chance nutzen. Ich hätte auch nichts gegen eine Pause für Ellyes Skhiri, ja selbst über Can Uzun und Chaibi (der mit dem Tor) sollte Trainer Dino Toppmöller nachdenken. Ein "Weiter so" darf es, so abgedroschen der Satz auch ist, nicht geben.
Gerald Schäfer: Ich bin absolut kein Freund dieser Idee. Wenn Dino Toppmöller nicht im Training den Eindruck gewinnt, dass ein Spieler mental oder körperlich völlig neben sich steht, dann soll er dem Team auch weiter das Vertrauen schenken. Das ist übrigens dasselbe Team, das vor nicht einmal drei Wochen RB Leipzig mit 4:0 auseinandergeschraubt hat.
Wieso nach einem 2:2 gegen St. Pauli auf einmal alles in Frage gestellt werden muss, habe ich noch nicht so wirklich verstanden. Und: Es ist doch gar nicht so schlecht, dass man bei Bedarf noch einen frischen Michy Batshuayi in der 65. Minute nachlegen kann.
Ron Ulrich: Ich bin da bei euch beiden in gewisser Hinsicht. Mark hat recht: In so einem Spiel braucht es Leute wie bei uns in der Sport-Redaktion, die eher weniger nachdenken. Michy Batshuayi also würde ich Jean-Matteo Bahoya vorziehen, gleichzeitig aber auch nicht viel mehr ändern, wie es Gerald gesagt hat. Ich würde Ellyes Skhiri eher das Vertrauen schenken als beispielsweise Jungen wie Can Uzun. Zwar werde ich nicht schlau aus Skhiri, der sich in dieser Spielzeit erst so beeindruckend aus seinem Leistungsloch gespielt hat und dann gegen St. Pauli wieder durchhing. Aber wenn es in so ein wichtiges Spiel geht (und schon Mario Götze als Ruhepol so vermisst wird), brauchst du einen Erfahrenen auf der Sechs.
Was würde die Champions League für die Eintracht bedeuten?
Gerald Schäfer: Es würde zumindest die Hoffnung nähren, dass es nicht zum totalen Ausverkauf in Frankfurt kommt. Ob Hugo Ekitiké oder Hugo Larsson auch in der kommenden Saison noch das Eintracht-Trikot tragen, sei einmal dahingestellt. Die Champions-League-Qualifikation erhöht aber zumindest die Chance auf dieses Szenario. Und es erhöht die Chance, sollten sie doch nicht zu halten sein, adäquaten Ersatz an den Main zu locken.
Ron Ulrich: Ich würde soweit gehen, dass es ein Statement für die Zukunft in der Bundesliga ist. Nur mit den aberwitzigen Summen aus der Champions League kann sich die Eintracht in der Spitzengruppe der Liga positionieren. Und das müsste dann keine Eintagsfliege sein: Die Frankfurter Mannschaft ist jung und könnte im Kern zusammengehalten werden. Anders sieht es in Leipzig aus, wo Berichten zufolge Stars gehen und der Konzern diesmal finanziell nicht nachschießen will. Gegenüber dem BVB hat die Eintracht den wichtigen Vorteil der Kontinuität auf der Führungsebene. Die Platzierung in diesem Jahr könnte also wegweisend für die nächsten Jahre sein. Aber nun gut, wir wollten den Druck ja eigentlich nicht erhöhen ...
Mark Weidenfeller: Die Qualifikation für die Königsklasse über die Liga wäre finanziell und sportlich ein Quantensprung. Zudem wäre es das nächste Kapitel in der von Sportvorstand Markus Krösche und Trainer Dino Toppmöller geschriebenen Erfolgsstory. Die Eintracht wäre tatsächlich in der Ligaspitze angekommen und dürfte in der nächsten Saison - dank des neuen Ligen-Systems - auf jeden Fall gegen die ganz Großen antreten. Für die Kaderplaner wäre die Königsklasse zudem einfach ein Faustpfand. Johnny Burkardt könnte sich schon mal in die S8 setzen und von Mainz nach Frankfurt kommen.
Und wenn es doch nur zu Platz fünf reicht?
Ron Ulrich: Man dürfte mildernde Umstände nicht vergessen: Die Eintracht stellte die jüngste von allen Mannschaften, der Trainer absolvierte seine zweite Spielzeit als Bundesliga-Chef und die Mannschaft musste im Winter ihren überragenden Stürmer abgeben. Doch seien wir ehrlich: Der Fußball hat in diesem Fall ein Goldfisch-Gedächtnis und würde bei einem Verpassen der Champions League all das vergessen.
Spieler würden weiterziehen, andere wohl nicht kommen, ein riesiger Batzen Geld würde ausbleiben, die Zweifel am Trainer wachsen, sämtliche Euphorie wäre verflogen. Emotional wäre es auch eine absolute Hypothek für die kommende Saison.
Gerald Schäfer: Hier weiche ich von meiner Januar-Meinung dann doch ab. Damals, unmittelbar nach dem Wechsel von Omar Marmoush, hatte ich noch gesagt, dass die Eintracht mit Platz fünf in der Endabrechnung doch auch zufrieden sein könnte. Diese Aussage hat sich inzwischen überholt. Auch nachdem die Hessen ihren besten Stürmer abgegeben hatten, fielen sie kein einziges Mal aus den Champions-League-Rängen heraus. Passiert es ausgerechnet am letzten Spieltag, können die Verantwortlichen beim besten Willen kein positives Saisonfazit ziehen.
Der Eintracht würde in diesem Fall erneut ein kniffliger Sommer bevorstehen. Die Transfermarkt-Möglichkeiten werden kleiner, die Unruhe im Umfeld dafür umso größer. Erinnert sich noch jemand an die Toppmöller-Debatte nach der vergangenen Saison? Ob fair oder nicht, verpasst die Eintracht den Sprung in die Königsklasse, wird es auch in diesem Sommer wieder eine Trainer-Debatte geben.
Mark Weidenfeller: Den Worten des Kollegen Schäfer ist nichts hinzuzufügen. Das Verpassen der Champions League wäre nach diesem Saisonverlauf eine sportliche Katastrophe.