FC Aberdeen Duk Miovski

Europa League Frankfurts Gegner Aberdeen: Der Dino vom Pferdedung-Hügel

Stand: 20.09.2023 10:31 Uhr

Kaum zu glauben: Eintracht Frankfurts Gegner FC Aberdeen ist international erfolgreicher als die schottischen Großklubs Celtic und Rangers. Und um ein Haar wäre der Klub sogar US-amerikanischer Meister geworden. Der FC Aberdeen im Check.

Von Stephan Reich

Am Donnerstag (18.45 Uhr) empfängt Eintracht Frankfurt den FC Aberdeen zum ersten Gruppenspiel der Conference League. Das Spiel hören Sie live und in voller Länge bei hr-iNFO und auf hessenschau.de. Die wichtigsten Vorab-Infos zum Gegner aus Schottland gibt es aber schon hier.

Der Verein

Wer an schottischen Fußball denkt, denkt zuallererst wohl an die beiden Großklubs Rangers und Celtic aus Glasgow, die Jahr für Jahr die nationale Meisterschaft unter sich ausmachen. Der zumindest international erfolgreichste Verein des Landes ist aber: der FC Aberdeen. Die "Dons", wie sie genannt werden (warum, ist nicht mehr bekannt), sind anders als die einmaligen Europacupsieger Celtic (Pokal der Landesmeister 1967) und Rangers (Europapokal der Pokalsieger 1972), gleich zweifacher internationaler Titelträger.

In der absoluten Hochphase des Klubs in den Achtzigern führte ein gewisser Alex Ferguson den Klub nämlich nicht nur zu diversen nationalen Titeln, sondern auch zu einem sensationellen Sieg im Pokal der Pokalsieger 1983. Die Dons schlugen auf dem Weg zum Triumph nicht nur den FC Bayern (Franz Beckenbauer vor dem Spiel: "Aberdeen ist technisch schlechter als Bielefeld". Beckenbauer nach dem Spiel: "Ich habe noch nie eine technisch und taktisch so versierte britische Mannschaft gesehen."), sondern auch im Finale Real Madrid in der Verlängerung. Da später im Jahr auch noch der Hamburger SV im europäischen Supercup geschlagen wurde, zieren gleich zwei Europacupsiege den Briefkopf der Dons. Und eine Statue von Ferguson, der 1986 zu Manchester United weiterzog, wo es für ihn ja auch ganz gut lief, den Stadionvorplatz.

An die Erfolge aus den Achtzigern konnte man in Europas einstiger Ölhauptstadt allerdings nicht wieder anknüpfen, der Klub verdingte sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten eher im Tabellenmittelfeld, der letzte Titel war der Ligapokal 2014. Dennoch kann man bei den Dons auf eine andere Leistung ganz besonders stolz sein: Denn der 1903 gegründete Klub stieg 1905 in die erste schottische Liga auf – und seither nie wieder ab. Das nennt man dann wohl einen Dino.

Der Star

Der Star des Teams ist eigentlich ein Duo, genauer gesagt das Sturmduo. Das bilden der kapverdische Nationalspieler mit dem schönen Namen Duk sowie der mazedonische Nationalspieler Bojan Miovski. Der bullige Duk entstammt der Kaderschmiede Benfica Lissabons und lief in der Jugend gar diverse Male für portugiesische Juniorennationalmannschaften auf, der Durchbruch bei Portugals Vorzeigeverein blieb ihm jedoch verwehrt. Miovski ging einen Umweg über MTK Budapest nach Aberdeen, beide kamen in der vergangenen Saison auf je 16 Saisontore und wissen also anscheinend relativ genau, wo der Kasten steht. Vorsicht ist geboten.

Der Trainer

Barry Robson, der Mann mit dem vielleicht schönsten Wikipedia-Profilbild eines Fußballers jemals, ist erst seit Anfang des Jahres Cheftrainer des FC Aberdeen. Zuvor verdingte sich der 44-Jährige im Nachwuchs der Dons, als im Januar Jim Goodwin gefeuert wurde, übernahm Robson zuerst interimsmäßig, nach guten Ergebnissen – zwischenzeitlich feierte Aberdeen sieben Siege in Folge – wurde Robson zum Chef befördert. Unter ihm wurden die Dons in der Scottish Premiership Dritter.

Robson kann darüber hinaus auf eine durchaus solide Karriere als Aktiver zurückblicken. In Schottland absolvierte er 245 Erstligaspiele, seine Laufbahn führte ihn auch nach England und in die MLS, außerdem machte er sechs Champions-League-Spiele für Celtic, für die er gegen den FC Barcelona mit Lionel Messi, Ronaldinho und Thierry Henry traf. Auch nicht so schlecht. Für Schottland machte Robson darüber hinaus 17 Länderspiele.

Das Stadion

Sollten passionierte Eisschwimmer unter den Eintracht-Fans sein, können sie zum Rückspiel im Dezember die Badesachen einpacken. Das Pittodrie-Stadion liegt nämlich nur 500 Meter von der Nordsee entfernt. Doch auch über die Beinahe-Strandlage hinaus (eine mittlerweile abgerissene Tribüne hieß tatsächlich Beach End) hat das 1899 eröffnete Stadion einiges zu bieten.

Denn das bereits seit 1903 als Heimspielstätte des FC Aberdeen fungierende Stadion kann getrost als Sehnsuchtsort für Fußballromantiker bezeichnet werden. Die wunderschöne Granitfassade vor dem Merkland Stand ist ein Foto wert, das knapp 20.000 Zuschauer fassende Pittodrie (im Europacup sind etwas weniger Zuschauer zugelassen) hat darüber hinaus auch fußballkulturellen Stellenwert. So war es nicht nur das erste voll überdachte Stadion Großbritanniens, sondern auch der Ort, an dem – kein Witz – die überdachte Trainerbank erfunden wurde. Genauer gesagt von Trainer Donald Colman in den zwanziger Jahren. Eine brillante wie naheliegende Idee, die sich zurecht durchgesetzt hat.

Übrigens: Wenn es für die Eintracht im Pittodrie eher besch*ssen läuft, dann könnte das am Stadion liegen. Bevor an der Stelle ein Fußballplatz entstand, war dort nämlich: die Ablagestelle für den Dung der Aberdeener Polizeipferde.

Und sonst so?

Vier Meisterschaften, sieben Pokalsiege und besagte zwei Europacupsiege stehen im Briefkopf der Dons, beinahe aber wäre der FC Aberdeen sogar – wirklich wahr – US-amerikanischer Meister geworden. Im Jahre 1967 nämlich gründeten ein paar findige amerikanische Geschäftsmänner die United Soccer Association in den USA, um den Fußball dort populär zu machen. In Ermangelung eigener Teams kauften sie kurzerhand europäische und südamerikanische Mannschaften ein, die in ihrer spielfreien Zeit in der Sommerpause in einer Art Sommerliga gegeneinander antraten – natürlich mit neuen, US-kompatiblen Namen und Wappen.

Der FC Aberdeen war unter jenen zwölf Teams und spielte zwischen Mai und Juli 1967 eine ordentliche Runde. Als Washington Wips, ein Name, der per Umfrage in der Zeitung gewählt wurde, verloren sie das Finale dramatisch per Eigentor im Sudden Death gegen die Los Angeles Wolves, die eigentlich die Wolverhampton Wanderers waren. Nach einem Sommer war die Liga schon wieder Geschichte und der FC Aberdeen wieder der FC Aberdeen. Der Fußball, er schreibt eben die wildesten Geschichten.