
100 Jahre Frankfurter Waldstadion 100 Jahre Waldstadion Frankfurt: Alles Gute, altes Haus
Das Frankfurter Waldstadion wird 100 Jahre alt. Der Ort ist längst mehr als ein Stadion, er ist eine Pilgerstätte, wo Menschen finden, was sie suchen: Zusammenhalt, Lebendigkeit, Erinnerungen.
Das erste Mal vergisst man nicht. Ich stieg aus dem Auto meines Onkels, das Herz voller Vorfreude, schon waren wir Teil eines Stroms aus Menschen, den es wie magnetisch durch den Wald zog. Hinter den Bäumen leuchtete es, tausend Geräusche, Gerüche, ein Abend als Wimmelbild, Fahnen, Trikots, Gesänge, von den Buden wehte der Rauch von den Grills. Eintracht Frankfurt würde gegen Waldhof Mannheim im Pokal spielen, 1992, und vor mir tauchte das Waldstadion auf, als würde es sich aus dem Boden erheben, in diesem Moment erst manifestieren, aus meiner kindlichen Fantasie in die Realität. Wir gingen durch die Tore, jeder Schritt ein Pulsschlag, und als wir die Stufen hochschritten und ich das erste Mal in ein Fußballstadion blickte, war es passiert: Ich würde diesen Sport für immer lieben.
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Diese Erinnerung fühlt sich so exklusiv an, so persönlich, aber jeder Mensch, der es mit Eintracht Frankfurt hält, hat seine eigene Variante dieses Moments. 100 Jahre wird das Waldstadion nun alt, eröffnet am 21. Mai 1925, viermal umgebaut, stets derselbe, zentrale, mystische Ort geblieben. Wie viele Menschen sind einst die Stufen zum ersten Mal nach oben gegangen und kamen 90 Minuten später als andere Menschen wieder herunter, das Leben für immer in eine andere Richtung bewegt, rettungslos an diesen Sport gebunden?
Was hat dieses Stadion alles gesehen?
210 Meter lang, 190 Meter breit, eine Fläche von 110.000 Quadratmetern, 44 Stützen, die ein Dach von 3.000 Tonnen tragen – das klingt so banal, so technisch und unlebendig, aber es ist das genaue Gegenteil. Denn was hat dieses Stadion alles gesehen? All die Triumphe und Tragödien, Wunder und Skandale. Ein 6:1 gegen Glasgow 1960, Bernd Hölzenbeins Tor im Sitzen und Fred Schaubs Tor zum Uefa-Cup-Sieg 1980, der bittersüße Jubel von Jürgen Grabowski, mittlerweile ja selbst im Stadion verewigt mit einer eigenen Tribüne.
In der Mitte ist es Jan Aage Fjörtoft, der zum Übersteiger ansetzt, wenige Jahre später Alex Schur, der gegen Reutlingen zum Kopfball geht, im Hintergrund die Baustelle Waldstadion. Champions League und Zuschauerrekorde bei den Fußballerinnen der Eintracht, eine nicht für möglich gehaltene Verwandlung bei den Herren. Das Stadion, die Geschichten, die der Sport dort schreibt und die Menschen, die diese sehen – in diesem Dreieck entsteht nicht nur die Historie eines Orts, das Wesen eines Klubs, es entsteht Magie.
Ein Ort, der durch die Menschen lebendig wird
Im Wald, da spielt die Eintracht… heißt es in einem Lied, aber ja nicht nur. Das Stadion hat Boxkämpfe erlebt, legendäre Länderspiele, die Wasserschlacht 1974, das Leck im Dach beim Confed-Cup 2005, Football, Eishockey, Radrennen, den FSV Frankfurt, der das Finale um die Deutsche Meisterschaft 1925 verliert, im ersten ausverkauften Spiel der Stadiongeschichte, zwei Wochen nach Eröffnung. Das Stadion ist sich selbst ein Museum, die Erinnerungen der Menschen sind die Exponate. Begehbare, erlebbare Geschichte, weitergetragen und weitergeschrieben, jede Woche aufs Neue.
Eben durch die Menschen, die dort hinpilgern, dem Strom folgen, hinter den Bäumen das magische Leuchten, das mittlerweile rot schimmert, wenn die Eintracht spielt. Ein Ort, der durch diese Menschen lebendig wird. Gleichzeitig ein Ort, an dem die Menschen spüren, dass sie leben. All die Emotion, die Leidenschaft, all diese Momente nackten, puren Daseins, diese kostbaren, schwerelosen Sekunden, wenn dieser oder jener Spieler allein aufs Tor zuläuft, das Spiel in wenigen Sekunden zu Ende ist, noch dieser eine, letzte, verdammte Eckball kommt. Hoffen, bangen, sich in die Arme fallen oder auch nicht: Das Waldstadion ist ein Ort, der alle anderen Orte verschwinden lässt, ist man dort und schaut ein Spiel. Nichts anderes ist dann wichtig, die Zeit vergeht für 90 Minuten nur hier, und auch wenn das natürlich nicht stimmt, ist es so.
Ein bisschen Magie
Was ja etwas Tröstliches hat: Im Wald, da spielt die Eintracht, das ist seit 100 Jahren so und vielleicht, ganz vielleicht auch noch in 100 Jahren, wenn man selbst nicht mehr ist und die Welt eine andere. Ganz sicher aber in ein paar Wochen wieder, und dann wieder und wieder, so verbringt man sein Leben dort, ein Ort als Konstante, ein Stück einer Heimat.
Noch heute ist der erste Blick ins Waldstadion ein magischer Moment geblieben. Tausend Geräusche, Fahnen, Trikots, Gesänge, Teil eines Wimmelbilds zu sein, das Herz voller Vorfreude auf das, was kommt: Triumphe, Tragödien, Wunder und Skandale. Oder einfach nur ein Spiel, 90 Minuten mit Freunden, Zusammenhalt. Ein bisschen Magie eben, so oder so.