Der FC Bayern auf der Sommer-Tour in Singapur

Bundesliga FC Bayern und Auslandsvermarktung: "Alleine auf weiter Flur"

Stand: 30.10.2023 15:26 Uhr

Der FC Bayern wird bald wohl wieder neue Rekordumsätze präsentieren. Das liegt auch an der Auslandsvermarktung. Die Münchner sehen die Ligakonkurrenz in der Pflicht.

Von Florian Eckl, Raphael Weiss

Thomas Tuchel war nicht unbedingt begeistert, dass seine Mannschaft sich in diesem Sommer auf den Weg in Richtung Japan und Indonesien machte, um einige Testspiele in Asien zu bestreiten. Die Konkurrenz hatte es mit Manchester City und dem FC Liverpool zwar in sich, doch das sportliche Kräftemessen war freilich nicht der Hauptgrund für die lange Reise in eine komplett andere Zeitzone.

Doch so ist nun mal das Geschäft, das weiß Tuchel nach seiner langjährigen Arbeit bei europäischen Spitzenklubs. Und so blieb ihm nicht viel übrig, als anzukündigen, dass er "auf Wetter und Jetlag wenig Rücksicht" nehmen könne. Und auch der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen sagte damals: "Bei einer Fernreise ist man immer zwiegespalten, die haben immer eine Down-Side", aber: "Andererseits ist das Teil unseres Fußballgeschäftes."

Kane und Musiala: "Doppelspitze" bei den Trikotumsätzen

Am 12. November wird der FC Bayern auf der Jahreshauptversammlung seinen Umsatz präsentieren und dort - auch dank solcher Auslandsreisen - wohl wieder einmal einen Rekordumsatz verkünden. Das ist die andere Seite der Medaille, denn anders wäre der Transfer von Harry Kane kaum zu stemmen gewesen. Auf diese 17 Torbeteiligungen in zwölf Spielen des neuen Mittelstürmers will beim FC Bayern niemand verzichten.

Doch Kane zahlt die hohe Ablöse nicht nur mit Toren zurück. Alleine mit den Trikotverkäufen hat er zumindest einen Teil der 100 Millionen Euro wieder eingespielt: "Er ist sehr weit oben im Verkauf der Trikots. Wir haben eine Doppelspitze mit Harry Kane und Jamal Musiala. Wir haben hier ein Eigengewächs, was die Fans begeistert und einen Top-Spieler, der bei jedem anderen Klub in Europa Stammspieler wäre", sagt Andreas Jung, Marketing-Vorstand des FC Bayern München, gegenüber dem BR24Sport.

Fußball-Investition Musiala: Wertsteigerung um das 550-fache

Kane und Musiala stehen dabei stellvertretend für das personelle Konzept des FC Bayern München. Einerseits sind die Münchner bereit, im ganz großen Transferzirkus mitzumischen. Das haben sie mit Kane bewiesen. Andererseits sollen junge Talente zu Superstars aufgebaut werden - wie der neue Sportdirektor Christoph Freund nicht müde wird, zu betonen. Auch wenn die Bezeichnung "Eigengewächs" bei Musiala, der als 16-Jähriger 2019 vom FC Chelsea in die Jugendabteilung des FC Bayern gewechselt ist und ein Jahr später bereits sein Debüt bei den Profis feierte, ein wenig übertrieben ist.

Nichtsdestotrotz haben sich die 200.000 Euro, die der FC Bayern für Musiala in Richtung London überwiesen hat, mehr als ausgezahlt. Aus dem Team von Thomas Tuchel ist er nicht mehr wegzudenken. Durch sein Tor gegen Köln hat er maßgeblich zur Meisterschaft in der vergangenen Saison beigetragen. Und der Marktwert für den 20-Jährigen liegt laut transfermarkt.de mittlerweile bei 110 Millionen Euro.

Der Star ist nicht mehr die Mannschaft

Kein Wunder, dass eine Verlängerung des 2026 auslaufenden Vertrags beim FC Bayern ganz weit oben auf der Liste steht, während Topklubs wie der FC Liverpool, Manchester City und Real Madrid schon auf eine Verpflichtung des Youngsters gieren. Musiala soll nicht nur die sportliche Zukunft des FC Bayerns sein. Er trägt auch zum finanziellen Erfolg des Vereins maßgeblich bei: "Internationale Zuschauer sind von Megastars angezogen. Man sieht bei den Fans, dass sie immer weniger Anhänger von Klubs sind und der einzelne Spieler stärker in den Fokus gerückt ist", sagt Professor Justus Haucap, Direktor des Düsseldorf Institute for Competetive Economics an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Von einem Mega-Transfer wie Harry Kane profitiere wegen dieser Aufmerksamkeit nicht nur der FC Bayern, sondern die gesamte Bundesliga, sagte Haucap gegenüber dem BR und hat Lob für die Münchner übrig. Denn selbst solche Transfers könnte der FC Bayern stemmen, ohne dabei ihre finanziellen Prinzipien außer Acht zu lassen: "Insgesamt hat der FC Bayern im internationalen Quervergleich eine relativ solide Politik, was das Personal angeht. Eigentlich schwanken die Personalausgaben ungefähr um die 50 Prozent der Umsätze. Das ist im internationalen Quervergleich ein ziemlich niedriger Wert. Andere Vereine dieser Größenordnung haben deutlich höhere Ausgaben, gemessen an den Umsätzen", so der Wirtschaftsprofessor.

Auch FC-Bayern-Sportvorstand Jan-Christian Dreesen betonte in der BR-Sendung Blickpunkt Sport die Bedeutung von Kane. "Er ist ein absoluter Topstar. er ist weltweit bekannt. Es fällt uns viel, viel leichter mit Harry Kane neue Märkte zu erobern, neue Sponsoren zu finden" und erläutert: "Je mehr Menschen auf der Welt FC-Bayern-Trikots tragen, umso mehr Visibilität haben wir, umso spannender werden wir für neue Partner und Harry Kane ist definitiv ein wichtiger Puzzle-Stein in unserer Marketing-Strategie."

Im Video: FC Bayerns Marketingvorstand Andreas Jung über die "Doppelspitze" Jamal Musiala und Harry Kane

Andreas Jung, Marketingdirektor des FC Bayern München

Großer Abstand zwischen FC Bayern und Real Madrid

So haben sich die Münchner nicht nur sportlich als einer der besten Vereine in Europa etabliert. Mit Blick auf den Umsatz befinden sich die Münchner stets unter den zehn größten Vereinen Europas. In der vergangenen Saison belegten sie Platz sechs (653,6 Millionen) hinter Manchester City (731), Real Madrid (713,8), dem FC Liverpool (701,7), Manchester United (688,6) und Paris Saint-Germain (654,2). "Dieses Jahr", prognostiziert Haucap, "könnten es sogar die Top 5 werden. Insofern ist der FC Bayern auf jeden Fall konkurrenzfähig."

Dennoch liegt aktuell noch ein großer Abstand zwischen der Wirtschaftskraft des FC Bayern und Vereinen wie Manchester City, Real Madrid oder dem FC Liverpool. Das hat auch damit zu tun, dass das Produkt Bundesliga nicht so spannend ist wie die spanische Liga oder die Premier League, was auch an der Spannung des Wettbewerbs liegt, den die Münchner nun elfmal in Folge gewonnen haben.

Jung: "Sind mit dem BVB alleine auf weiter Flur"

Doch auch in puncto Auslandsvermarktung hat die Bundesliga einiges an Nachholbedarf, wenn das Produkt Bundesliga und damit die Vereine höhere Einnahmen erzielen sollen. Die Premier League und die großen spanischen Vereine Real Madrid und der FC Barcelona haben deutlich früher erkannt, wie wichtig der asiatische Markt für die finanzielle Seite des Fußballs ist. Noch immer profitiert man in England und LaLiga von diesem "First-Mover-Effekt", wie ihn Haucap nennt. Denn durch die frühere Sichtbarkeit gibt es auf den anderen Kontinenten deutlich mehr Fans englischer und spanischer Vereine – und dadurch lassen sich dort höhere Medien- und Marketing-Einnahmen erzielen.

In diesem Sommer flogen nur der FC Bayern und Borussia Dortmund auf andere Kontinente. In der Premier League waren es zehn. "Wir sind hier zusammen mit dem BVB alleine auf weiter Flur", sagte Jung. "In der Premier League spricht man sich ab, welcher Verein wann wo hinfährt. Bei uns machen die anderen Vereine maximal ein Trainingslager in der Nähe der Grenze", erklärt Jung und resümiert: "Es sind zu wenige Vereine da, die sich dem anschließen." Auch Dreesen sagte in Blickpunkt Sport: "Es gibt noch einiges, was man in der Bundesliga entwickeln könnte."

Jung: "Authentizität" des FC Bayern muss erhalten bleiben

Dennoch: Bei all dem Trieb, mehr Marketinggewinne einzufahren, das eigene Potenzial zu erhöhen, gibt es eine Grenze. Der FC Bayern wird laut Jung auch in Zukunft keine Superstars alleine wegen ihres großen Namens verpflichten. "Das Sportliche steht an erster Stelle", sagt Jung. "Es ist für uns wichtig, weiterhin Authentizität behalten. Wir dürfen uns als Klub nicht verändern." Dazu passen die Berichte, dass der FC Bayern die Möglichkeit hatte, Cristiano Ronaldo zu verpflichten, doch aus sportlichen Gründen absagte. Anders wäre wohl Harry Kane nicht nach München gewechselt. Und Musiala hätte weniger Raum zur Entfaltung gehabt. Sowohl finanziell als auch sportlich war das die richtige Entscheidung.

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Quelle: Blickpunkt Sport 29.10.2023 - 21:45 Uhr