Alejandro Valverde

Vuelta a España Letzte Runde für Oldie Alejandro Valverde

Stand: 08.09.2022 11:21 Uhr

Alejandro Valverde, 42, verabschiedet sich bei dieser Spanienrundfahrt. Die Zuneigung für ihn ist enorm - trotz der dunklen Flecken in seiner Vita.

Von Tom Mustroph, Monasterio de Tentudía

Überall am Straßenrand dieser Vuelta sind Transparente zu sehen, die die "Legende Valverde" feiern, den "ewigen Valverde" begrüßen oder einfach nur sagen "Danke Valverde". Alejandro Valverde befindet sich auf seiner Abschiedsrundfahrt durch Spanien.

Es ist die 16. Vuelta a España für den mittlerweile 42 jahre alten Radprofi. Seine erste bestritt er vor genau 20 Jahren. Im Jahr darauf wurde er Gesamt-Dritter – der verheißungsvolle Auftakt einer erstaunlichen Karriere. Damals siegte Roberto Heras, Erik Zabel gewann zwei Etappen und das Punktetrikot. Es war eine ganz andere Generation, in die dieser junge Spanier hineinfuhr.

Gegen die übernächste Generation

Aktuell fährt der ganz alte Spanier immer noch, inzwischen gegen die übernächste Generation. Remco Evenepoel, 22 Jahre jung, schickt sich an, die Vuelta zu gewinnen. Juan Ayuso, 19, und Carlos Rodriguez, 21, kämpfen um einen Podiumsplatz. Dazwischen liegt Enric Mas, 27, auf Rang zwei.

Mas ist Mannschaftskollege von Valverde – und damit der Mann, auf den Valverde bei dieser Rundfahrt aufpasst. "Enric liegt gut im Klassement und ich bin hier, um ihm Ruhe zu vermitteln", erklärt Valverde seine Aufgaben. Er sagt das so ruhig, wie er auch ist. Gelassenheit in allen Rennsituationen war stets sein Markenzeichen.

Gelernt hat er die Ruhe auf besondere Art und Weise. In ganz jungen Jahren gewann er viele Rennen. Drei Jahre lang, zwischen dem elften und dem 13. Lebensjahr, gewann Valverde in seiner Heimategion Murcia sogar alle Rennen, zu denen er antat. Er verdiente sich damit den Namen "el Imbatible", der Unschlagbare.

"In der Zeit allerdings war ich viel nervöser als heute. Ich verspürte ungeheuren Druck, denn nicht zu gewinnen erschien mir schlimm. Erst mit den Jahren habe ich besser verlieren gelernt. Denn im Radsport verlierst du häufiger, als du gewinnst", sagte Valverde der Sportschau bereits bei seiner vorletzten Grand Tour, beim Giro d’Italia im Mai.

Leise Hoffnung Etappensieg

In seiner Abschiedssaison ist er allerdings alles andere als unschlagbar. Lediglich zwei Siege, bei kleinen Rennen auf Mallorca und in Galizien, konnte er seiner ansonsten sehr beeindruckenden Bilanz hinzufügen. Auch bei der Vuelta ist er fern von einem Sieg. Gern würde er seine Karriere aber mit einem Etappensieg abrunden.

"Wenn mir die Teamleitung sagt, geh heute in eine Fluchtgruppe und kämpfe um den Tagessieg, dann würde ich das auch tun. Aber bisher passierte das nicht, weil wir uns auf das Klassement mit Enric Mas konzentrieren", sagt Valverde, während ihm ein kleiner Schatten über das Gesicht fliegt.

Sich gegen die Teamleitung stellen oder Extrawünsche geltend machen, ist seine Sache nicht. Er ist, trotz aller Erfolge wie dem WM-Titel 2018, dem Vuelta-Sieg 2009, insgesamt fünf Triumphen beim Klassiker Fléche Wallonne und deren vier beim Monument Lüttich-Bastogne-Lüttich, bescheiden geblieben.

"Wenn ich nicht Radprofi geworden wäre, wäre ich Lkw-Fahrer geworden, wie mein Vater", pflegt er zu sagen. Und mit der Langmut eines Mannes, der täglich Hunderte Kilometer auf dem Bock absitzt, betreibt Valverde auch seinen Sport. Das macht ihn beliebt im Peloton. Ein schlechtes Wort über ihn mag keiner sagen, weil er nicht polarisiert wie manch anderer Star der Szene.

Alejandro Valverde gewinnt eine Etape der Tour de France 2005 vor Lance Armstrong

Der schwarze Moment

Die Medien und auch die internationalen Fans polarisiert Valverde freilich enorm. Er ist schließlich einer der wenigen überführten und verurteilten Doper im Rahmen der Dopingermittlung Operacion Puerto. Valverde kränkte die Strafe. Er trainierte in der Zeit der Sperre dennoch wie besessen weiter – und kam in der Saison 2010 so stark wie zuvor zurück. Der WM-Titel 2018 war seine größte Stunde, wie er selbst sagt.

Als schwärzeste Stunde bezeichnet er nicht seine Dopingaffäre – über die pflegt er zu schweigen – sondern den schweren Sturz beim Auftaktprolog der Tour de France in Düsseldorf 2017. "Damals habe ich gedacht, meine Karriere sei zu Ende", erzählte er jetzt. Valverde erholte sich aber wieder, kehrte zurück und siegte weiter. 133 Profisiege fuhr er zwischen 2003 und 2022 ein, den ersten im Baskenland, den bisher letzten in Galizien.

Für all das wird er in Spanien gefeiert. Sein Team Movistar ließ ein riesiges Porträt des Oldies auf den Bus sprühen. Die Vuelta-Organisatoren legten den Start der 11. Etappe in die Nähe von Valverdes Heimatort Murcia. Ganze Heerscharen von Fans kamen zu diesem Anlass. Fernando Lopez Miras, Präsident der Region Murcia, lobte Valverde als den "besten Botschafter, den wir haben können". Der dicke Dopingfleck auf der Weste? Vergeben, vergessen, als nicht relevant betrachtet.

Besser als früher – und trotzdem nicht Spitze

Sportlich freilich läuft nicht mehr viel bei Valverde. Nicht, weil ihm das Alter zusetzt. Zu Saisonbeginn habe er bessere Werte als in früheren Jahren gehabt, sagte er dem Sportblatt "Marca". "Ich war selbst überrascht davon", gestand er. Dass es zu Siegen kaum noch reicht, hängt seiner Auffassung nach mit der gestiegenen Leistungsstärke der Konkurrenz zusammen. "Wir sind jetzt schneller unterwegs als früher. Das liegt vor allem daran, dass das Durchschnittsniveau stark gestiegen ist", hat er beobacht.

Selbst mit persönlichen Bestwerten kann Alejandro Valverde nur noch hinterfahren. Das ist verblüffend. Und für ihn wohl auch der rechte Moment, um abzutreten. Die nächsten zwei Jahre will er Team Movistar in einer noch nicht definierten Rolle unterstützen. Jetzt will er seine Karriere damit beschließen, dass er Enric Mas mit seiner Ruhe und Erfahrung zum Vuelta-Sieg lotst. Und wenn ihn Movistar lässt, dann hängt er zum Abschluss auch noch die WM in Australien dran.