Radsport Vuelta-Sieger Roglic - dominant auf allen Ebenen

Stand: 06.09.2021 10:00 Uhr

Primoz Roglic hat seine dritte Spanienrundfahrt gewonnen. Der Radprofi dominierte sie vom ersten Tag an und setzte den Schlusspunkt mit seinem Zeitfahrsieg in Santiago de Compostela.

Von Tom Mustroph

Geschwindigkeit spielt in der Pilgerstadt Santiago de Compostela normalerweise keine Rolle. Der Weg ist das Ziel, geistige Läuterung der erhoffte Ertrag.

Radprofi Primoz Roglic indes setzte auf Geschwindigkeit im Schatten der Kathedrale des Wallfahrtsortes. Der Olympiasieger im Zeitfahren war in seiner Spezialdisziplin auch auf der letzten Etappe dieser 76. Vuelta der Schnellste.

Er holte sogar den zwei Minuten vor ihm gestarteten Gedamtzweiten Enric Mas ein und baute seinen Vorsprung in der Gesamtführung auf fast fünf Minuten aus. Das dritte Rote Trikot innerhalb von drei Jahren war daher seines.

Pilgergewand nach Triumph

Bei der Siegerehrung holten den Slowenen indes die Eigenarten des Ortes wieder ein. Die Domkapelle spielte getragen auf. Und neben Uhren, Champagnerflaschen und anderen Präsenten der Sponsoren für die diversen Wertungen bekam er auch eine komplette Pilgerausrüstung mit Mantel, Hut und Stock überreicht.

Die zog er sogar an, zur Freude der Bewohner und auch der Pilger, die sich auf dem Platz vor dem Kirchenbau versammelt hatten. Das passte dann irgendwie auch.

So eine Pilgerreise vollzieht sich schließlich ebenfalls in Etappen, wie eine Grand Tour im Straßenradsport. Und längs der Etappen durch Galizien am Wochenende konnte man auch immer wieder Pilgergruppen entdecken, die sich zusammenfügten wie Ausreißergruppen und Gruppetto im Tretsport auf der Straße.

Dominanz auf allen Ebenen

Bei diesem Tretsport stellte sich Roglic als der mit Abstand Beste heraus. Neben dem Gesamtsieg holte er vier Tagessiege, fein aufgeteilt auf die beiden Zeitfahren und zwei Bergetappen. Hinzu kamen vier zweite Plätze.

Diese Top-Platzierungen bescherten ihm noch 44 Bonussekunden. Das erklärt die deutliche Führung. "Manchmal gewinnt man mit großem Vorsprung, manchmal mit wenig. Was aber zählt, ist, dass man gewinnt", sagte Roglic.

Emotionen brachen durch

Am Ende brachen aber auch die Emotionen über diesen nunmehr dritten Sieg im dritten Vueltajahr hintereinander durch. "Es ist unglaublich, es ist verrückt", sprudelte es aus ihm heraus. Denn geplant war dieser Vuelta-Sieg mitnichten.

"Wenn Primoz nicht bei der Tour de France gestürzt und ausgeschieden wäre und wenn er überhaupt eine gute Tour gefahren wäre, hätte er die Vuelta überhaupt nicht bestritten. Alles war ganz anders vorgesehen", sagte sein sportlicher Leiter Addy Engels der Sportschau. Roglic schied aber aus.

Und er setzte sich schnell neue Ziele. Olympia und Vuelta hießen die. "Es ist toll, dass das so gut geklappt hat", sagte Roglic. Aus Tokio brachte er eine Goldmedaille mit, aus Spanien jetzt das Rote Trikot.

Neuaufbau nach Tour-Pech

Möglich wurde dies auch wegen der mentalen Stärke des Slowenen. Nach dem Tief in Frankreich schaltete er blitzschnell um. "Er hat sich perfekt vorbereitet, er zeigte einfach keine Schwäche und war auch in der dritten Woche superstark", sagte Engels.

Roglic eliminierte damit auch seine letzte kleine Schwäche. Bei bisherigen Grand Tours ließ er zum Ende oft nach, ließ sich 2019 den Girosieg und 2020 die Tour de France noch wegnehmen. Auch im vergangenen Jahr bei der Vuelta musste er in der dritten Woche bangen.

Bei dieser Spanienrundfahrt brillierte er aber auch in den letzten Tagen. Die 17. Etappe durchs Bergland Nordspaniens gewann er als Solist, nach 60 Kilometern Fahrt vor dem Feld und gemeinsam mit dem früheren Toursieger Egan Bernal. Auf den letzten Kilometern hängte er den Kolumbianer aber noch ab. Es war eine Demonstration der Stärke. Roglic überragte das gesamte Peloton.

Neue Leichtigkeit

Das dürfte dem Slowenen Hoffnung machen, den ganz großen Coup, den Tour-de-France-Sieg, doch noch zu schaffen. Roglic hat noch zugelegt, trotz seines vergleichsweise hohen Alters von 31 Jahren. Er hat bei dieser Vuelta auch zur Leichtigkeit im Siegen zurückgefunden.

Der Slowene wirkte weniger verbissen. Die lange Flucht mit Bernal belegte seine Klasse als Instinktfahrer. Darin kommt er seinem Landsmann Tadej Pogacar wieder näher, der seinen Siegen ja diese unerhörte Leichtigkeit vermittelt. Das bedeutet aber auch, dass das kleine Slowenien wohl weiterhin die obersten Podestplätze bei den Rundfahrten besetzen wird.