Frust bei Dortmunder Spielern in Köln

Dortmunder Pleite in Köln Comeback des schwarz-gelben Scheinriesen

Stand: 02.10.2022 13:49 Uhr

Borussia Dortmund hadert nach der Niederlage beim 1. FC Köln mit altbekannten Problemen und übt sich vor dem Bundesliga-Duell mit dem FC Bayern München in Selbstkritik.

Erik Meijer hat sich in der Riege der TV-Experten eine eigene Nische gesichert. "100 Prozent Meijer" heißt seine Rubrik beim Bezahlsender "Sky". Zu Meijers Markenkern gehört es, dass er bei seinen Analysen auch gerne mehr als 100 Prozent gibt, mit Aussagen, die etwas drüber sind.

Nach Dortmunds 2:3-Niederlage beim 1. FC Köln zerlegte er an der Studioleinwand das Abwehrverhalten des BVB, speziell von Niklas Süle beim dritten Kölner Treffer: Süle, so Meijer, habe zwar die Statur eines Bären. In dieser Situation habe er aber "wie ein Waschbär" ausgesehen.

Auch wenn Vergleiche mit Tieren eigentlich vermieden werden sollten. Und der Waschbär unbestritten über positive Eigenschaften verfügt, neben einem niedlichen Äußeren übrigens auch über eine gewisse Angriffslust. Aber natürlich hatte Vidiwall-Krawallo Meijer seinen Punkt gemacht: Dortmunds Abwehrhüne Süle blieb beim Schuss von Kölns Dejan Ljubicic freundlich auf Distanz. Und wirkte in diesem Moment tatsächlich eher wie ein knuffiger Bär - auf jeden Fall nicht wie ein furchterregendes Ungetüm, das sein Revier verteidigt.

Terzic: "Es hapert seit Jahren"

Der Nationalverteidiger Süle stand sinnbildlich für die Leistung des BVB, die zu deutlicher Kritik Anlass gab. Nicht nur bei TV-Experten, sondern auch bei Dortmunds Trainer. Zum wiederholten Male sei es passiert, klagte Edin Terzic, "dass wir Spiele, die wir komplett kontrollieren, einfach weggeben". Die am Ende verdiente Niederlage in Köln sei ein weiterer Beleg dafür, "woran es seit Jahren hapert, um konstant oben anzuklopfen", so Terzic. "Wir waren nicht bereit, die letzten, drei, vier Schritte zu gehen."

Da war es wieder, das schon oft beklagte, aber offenbar weiter tief sitzende Mentalitätsproblem, das auch Terzic, ein Trainer mit Dortmunder DNA, bislang nicht in den Griff bekommen hat. Dabei müsste es sich in der Liga inzwischen herumgesprochen haben, dass der 1. FC Köln unter Coach Steffen Baumgart eine Mannschaft geworden ist, die sich von einem Rückstand grundsätzlich nicht einschüchtern lässt und auch gegen nominell stärker besetzte Teams immer zurückkommen kann.

Auch dass Köln gerne die Breite des Feldes nutzt, mit konsequentem Flügelspiel und gefährlichen Flanken attackiert, ist keine neue Erkenntnis. Wie beim Ausgleich, als sowohl Flankengeber Linton Maina als auch Torschütze Florian Kainz einfach gedankenschneller waren als Dortmunds Abwehr.

Köln deckt Dortmunder Schwächen auf

Beim BVB glaubte man offenbar, nach der Führung, die alles andere als einer vorangegangenen Dominanz entsprang, in den Verwaltungsmodus schalten zu können und alles Weitere der größeren individuellen Klasse zu überlassen. Weil auf der anderen Seite aber ein Gegner stand, der sich nicht einfach in sein Schicksal ergeben wollte, waren die Dortmunder am Ende wieder zu einem Scheinriesen zusammengeschrumpft.

Dabei wähnte man sich in Dortmund in dieser Saison eigentlich schon weiter. Und endlich bereit, den seit Jahren enteilten FC Bayern anzugreifen, als ernsthafter Herausforderer, auch ohne den abgewanderten Erling Haaland. Dafür mit neuen Hoffnungsträgern wie Abwehr-Brecher Süle, der aus München kam, mit Kampfansagen gegen seinen Ex-Klub. Oder dem umworbenen Flügelstürmer Karim Adeyemi, der schon mit Kylian Mbappé verglichen wurde.

Keeper Meyer beklagt "Körpersprache" - nicht nur bei Adeyemi

Gegen Köln fiel Adeyemi mit zunehmender Spieldauer mit sehr zurückhaltender Defensivarbeit auf - und weckte damit in Dortmund böse Vorahnungen: Dass der Jungstar womöglich der nächste in einer Reihe von aufstrebenden Spielern sein könnte, die Dortmund vor allem als Durchgangsstation betrachten, auf dem Weg zu lukrativeren Adressen im Ausland, anstatt mit dem BVB ernsthaft große Titel anzustreben.

Die Aufzählung seiner Vorgänger füllt inzwischen eine halbe Champions-League-Auswahl. Torwart Alexander Meyer dürfte in jedem Fall auch Adeyemi im Sinn gehabt haben, als er fehlende "Körpersprache" der Teamkollegen beklagte. "Viele waren mit sich selber beschäftigt.

Modeste - jetzt auch offiziell ein Problemfall

Dies gilt wohl auch für Anthony Modeste, der bei der Rückkehr an die alte Wirkungsstätte weiter wirkungslos blieb. Der Stürmer, als Ersatz für den erkrankten Sébastien Haller nachverpflichtet, bekommt seit Wochen den Zorn von Fans und schwarz-gelb eingefärbten Medien ab und gilt in Dortmund bereits als gescheitert: als Typ klassischer Vollstrecker im Strafraum, der mit Flanken versorgt werden muss.

Auch innerhalb der Mannschaft gilt Modeste nun offiziell als Problemfall. Julian Brandt riet dem glücklosen Stürmer, dass er "dranbleiben muss", fügte aber vielsagend hinzu: Es sei nie der Spielstil der Borussia gewesen, sich über Flanken zu definieren.

Erst nach Sevilla, dann kommt der FC Bayern

Dies führt wiederum zu der Frage, warum die BVB-Verantwortlichen vor der Saison fünf Millionen Euro für einen Stürmer ausgegeben haben, der überhaupt nicht zum bevorzugten  Offensivspiel passt. Viel Zeit haben sie in Dortmund nicht, um dies zu beantworten: Am kommenden Mittwoch muss sich der BVB in der Champions League beweisen, beim FC Sevilla. Und drei Tage später kommt der wieder erstarkte FC Bayern.