Coronakrise und Sport Verschärfte Corona-Lage: Kommt die Impfpflicht für Profi-Sportler?

Stand: 12.11.2021 10:57 Uhr

Ein Corona-Fall bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Spielausfälle und steigende Inzidenzen bundesweit: Die sich drastisch verschärfende Pandemie-Lage hat auch den Sport mit voller Wucht eingeholt. Nun ist eine Debatte um eine Impfpflicht im Profi-Sport entbrannt. Doch ist wirklich denkbar, dass sie kommt? Und welche Alternativen gibt es?

Von Matthias Heidrich

Bundestrainer Hansi Flick wünscht sich "ganz klar", dass seine Nationalspieler geimpft sind. Und das nicht erst seit dem positiven Test von Niklas Süle samt Quarantäne für vier weitere Nationalspieler - darunter der nicht geimpfte Joshua Kimmich. Die Frage, ob nur noch immunisierte Spieler in den Kader berufen werden sollten, ließ er zunächst offen, reichte dabei aber auch den Ball an die Clubs weiter. Schließlich fehlen den Vereinen bei positiven Fällen vor wichtigen Spielen möglicherweise gleich mehrere Profis, die sich infizieren oder in Quarantäne sitzen. Erst recht, wenn sie ungeimpft sind.

"Alles dafür tun, den Spielbetreib aufrechtzuerhalten"

Natürlich geht es bei der hitzig geführten Debatte nicht zuletzt um die Vorbildfunktion von Stars wie Kimmich und Co. Doch die Clubs aller Profiligen haben vor allem den Spielbetrieb im Blick - und ihre eigenen Ziele. Der Ausfall teurer Profis - zumal von Leistungsträgern - wiegt schwer im Kampf um Meisterschaften, Pokale und damit letztlich auch Wirtschaftlichkeit. Da Impfdurchbrüche - wie im Fall Süle - immer wieder vorkommen können, ist es umso wichtiger, es dem Virus bei seiner weiteren Verbreitung so schwer wie möglich zu machen. Es ist besten Fall sogar zu stoppen.

"Wir müssen alles dafür tun, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Das fällt in die Selbstverantwortung jedes einzelnen Clubs, aber auch jeden einzelnen Akteurs - nicht nur Spieler, sondern auch Umfeld", betonte Steffen Schneekloth, Präsident von Fußball-Zweitligist Holstein Kiel, im Gespräch mit dem NDR.

Profis unterliegen dem Arbeitsrecht

Allerdings können die Vereine aktuell nicht mehr tun, als an ihre Angestellten zu appellieren. Längst nicht alle Clubs befürworten den Impfzwang. Doch auch den anderen sind die Hände gebunden. Denn anders als die Zuschauer in den Stadien, wo mittlerweile überwiegend 2G (Geimpft oder Genesen) gilt, unterliegen die Profis auf dem Platz bei der Ausübung ihres Berufs dem Arbeitsrecht. "Einen Impfzwang kann ein Fußballverein als Arbeitgeber ohne gesetzliche Impfpflicht nicht durchsetzen", sagte Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott dem NDR. "Es betrifft das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das Recht auf Unversehrtheit der Beschäftigten, die diese Entscheidung nur selbst treffen dürfen."

"Wenn der Stadionbetreiber sagt, er will nur Geimpfte und Genesene im Stadion haben, kann ich als Zuschauer dem Spiel fernbleiben. Als Arbeitnehmer habe ich diese Möglichkeit nicht. Ich muss meine Arbeitsleistung erbringen und ich habe dort vor Ort zu erscheinen."
— Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott

Fest steht: Jeder Berufssportler hat (noch) das Recht, auf den Schutz zu verzichten. "Der Impuls muss nicht aus dem Sport, sondern der Politik kommen. Wir brauchen klare Regelungen", sagt Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL). Doch solange es noch nicht einmal im Gesundheits- oder Erziehungswesen eine Impfpflicht gibt, scheint ein gesetzlicher Zwang für Profisportler unwahrscheinlich. Zumal die Impfquoten in den Ligen nach eigenen Angaben bei über 90 Prozent liegen.

Impfzwang durch die "2G-Hintertür"?

Ein Impfzwang durch die "2G-Hintertür" ist da schon ein wahrscheinlicheres Szenario. "Ich bin klarer Befürworter für 2G - für sämtliche Akteure im Fußball, für alle", unterstrich St.-Pauli-Präsident Oke Göttlich jüngst im NDR Interview. Für die beiden Bundesligen müssten dann die DFL oder für die Dritte Liga der DFB als Wettbewerbs-Veranstalter eine 2G-Regelung für die teilnehmenden Vereine festlegen und so Druck auf die Clubs ausüben. Fuhlrott: "Das könnte dazu führen, dass ein Verein sagt: 'Lieber Spieler, du bist nicht geimpft oder genesen, ich darf dich nicht einsetzen, ich muss dich jetzt bezahlt freistellen.'" Oder sich womöglich sogar von dem Spieler trennen.

"Wenn ich aufgrund meiner Eigenschaft als Ungeimpfter bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausüben kann, kann durchaus eine personenbedingte Kündigung in Betracht kommen."
— Prof. Dr. Michael Fuhlrott

Im Handball wird solch ein 2G-Szenario wohl schon in Kürze Wirklichkeit. Die internationalen Dachverbände IHF und EHF planen für die anstehende Frauen-WM im Dezember in Spanien sowie bei der Männer-EM im Januar in Ungarn und der Slowakei eine 2G-Regelung auch für Spielerinnen und Spieler. "Wenn sich das in Zukunft komplett durchsetzen würde, dass alle Veranstalter sagen, bei uns gilt immer 2G und ich habe als Verein Spieler, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, dann werde ich irgendwann sagen können, ich kann dich so nicht mehr beschäftigen", erläuterte Fuhlrott.

Große Meisterschaften, Sportligen oder vielleicht sogar Olympische Spiele nur unter 2G-Bedingungen für die Aktiven? Das würde den Druck auf nichtgeimpfte Profis extrem erhöhen - und womöglich zum Umdenken bewegen.

Dieses Thema im Programm:
Sport aktuell | 11.11.2021 | 15:59 Uhr