Kristina Timanowskaja, polnische Sprinterin belarusischer Herkunft

Nach Flucht vor dem Regime in Belarus Timanowskaja - Rückkehr im polnischen Trikot

Stand: 22.08.2023 09:12 Uhr

Kristina Timanowskaja wäre 2021 während der Olympischen Spiele in Tokio fast zwangsweise nach Belarus gebracht worden. Am Ende rettete sie sich nach Polen. Für dieses Land startet sie nun bei der Leichtathletik-WM in Budapest.

Timanowskaja sollte bei den Sommerspielen vor zwei Jahren in Tokio in der 4x400-m-Staffel für Belarus laufen, obwohl sie eigentlich auf die kürzeren Sprintdistanzen spezialisiert ist. Die Staffel brauchte neue Mitglieder, nachdem zwei Läuferinnen wegen verpasster Dopingkontrollen ausgeschlossen worden waren.

Aber Timanowskaja sagte "Nein" - und kritisierte ihre Trainer öffentlich bei Instagram. Es folgten dramatische Stunden für die damals 24-Jährige, denn Widerspruch hat in Belarus Folgen. Sie wurde gegen ihren Willen zum Flughafen in Tokio gebracht und sollte zurück nach Minsk geflogen werden. Es gelang ihr schließlich mithilfe der japanischen Polizei, die Abreise nach Belarus abzuwenden und Asyl in Polen zu beantragen.

Rückkehr auf die internationale Bühne

Mittlerweile ist Timanowskaja, die in Klimawitschy in Belarus geboren wurde, auch sportlich in ihrem neuen Leben angekommen. Bei der Leichtathletik-WM in Budapest kehrt sie in einem anderen Trikot erstmals auf die internationale Sportbühne zurück. Timanowskaja startet nun im rot-weißen Dress für Polen. Eine Ausnahmegenehmigung des Leichtathletik-Weltverbands World Athletics machte das Startrecht möglich. Die Entscheidung dafür fiel am 7. August, erst wenige Tage vor dem WM-Beginn. Zuvor waren für Timanowskaja nur Wettkämpfe in Polen möglich gewesen.

Ihr erster Auftritt in Budapest waren die 100 m. "Meine ersten 100 m in meinem Leben bei der WM", schrieb sie bei Instagram und zeigte ein Foto von sich in einem polnischen Trikot. "Ich bin glücklich, hier zu sein und zu laufen." Timanowskaja schied nach 11,32 Sek. im Vorlauf aus, hat aber noch eine weitere Chance über die 200 m. In der Startliste des Weltverbands belegt sie - gemessen an den persönlichen Bestleistungen der Läuferinnen - den 26. Platz, nach Saisonbestleistungen den 25. Rang.

Einige Sportlerinnen und Sportler Teil der Massenproteste

Auch viele Sportlerinnen und Sportler beteiligten sich 2020 an den Massenprotesten in Belarus. Anschließend wurden sie unterdrückt. Die Belarusian Sport Solidarity Foundation (BSSF), die diese Menschen finanziell und juristisch unterstützt, fordert schon lange den Ausschluss belarusischer Sportverbände.

"Sport ist ein Propagandamittel von Diktator Lukaschenko", sagte BSSF-Geschäftsführer Alexander Apeikin der Sportschau 2022. Auch im belarusischen Sport gebe es Manipulation, Korruption und Menschenrechtsverletzungen. "Nun kommt die Unterstützung beim russischen Angriff auf die Ukraine hinzu."

Großmutter warnte: "Komm nicht zurück!"

Ein Zurück in ihr Heimatland gibt es für Timanowskaja wohl kaum. Schon 2021, kurz nach den Olympischen Spielen, berichtete sie in einem Interview mit dem "Stern", wann ihr das klar geworden sei: "Als mich meine Großmutter angerufen hat", sagte sie.

Ihre Oma habe sie gewarnt, sie solle nicht zurückkommen. "Sobald ich in Belarus landen würde, sollte ich in eine psychiatrische Klinik gebracht werden. Alles war vorbereitet", sagte die Leichtathletin. Belarus hatte in Tokio versucht, den Rückzug der Läuferin mit deren "psychischer Verfassung" zu begründen.

Kristina Timanowskaja bei den Olympischen Spielen im belarusischen Trikot.

Kristina Timanowskaja bei den Olympischen Spielen im belarusischen Trikot.

Nun startet Timanowskaja am Mittwoch (23.08.2023, 11.55 Uhr, im Live-Ticker bei sportschau.de) über die 200 m. Das Rennen wird unabhängig von der Platzierung ein besonderes Rennen für die 26-Jährige sein. Denn genau diese Distanz war es, die sie in Tokio nicht laufen durfte - und die somit den Beginn ihres neuen Lebens in Polen einläutete.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 22.08.2023 | 18:50 Uhr