Die DLV-Staffel bei der Leichtathletik-WM in Budapest in Aktion.
kommentar

Keine Medaille bei Leichtathletik-WM Scheinriese Deutschland läuft der Weltspitze hinterher

Stand: 28.08.2023 14:02 Uhr

Deutschland hat in Budapest erstmals bei einer Leichtathletik-WM keine einzige Medaille gewonnen. Damit setzte sich der Negativtrend der vergangenen Jahre fort. Welche Konsequenzen müssen gezogen werden, um wieder in die Erfolgsspur wechseln zu können?

Von Jens Jörg Rieck

Nach dem schlechtesten Abschneiden einer deutschen Mannschaft in der langen WM-Geschichte ist von großer Trauer keine Spur. Dass bei einer der besten Weltmeisterschaften der vergangenen Jahre die Stimmung innerhalb des DLV-Teams so gut war, ist vielleicht kein Wunder, doch Smileys sind keine harte Währung - das sind nur Medaillen und Resultate.

Globale Konkurrenz in der Leichtathletik ist groß

Natürlich gab es da die zwei deutschen Rekorde durch Geher Christopher Linke, dazu noch ein halbes Dutzend persönliche Bestleistungen und dann noch dieses Wunderkind Leo "the German" Neugebauer - Zehnkampf-Weltmeister für einen Tag.

Und ja, bei keiner Weltmeisterschaft des globalen Sports ist es statistisch gesehen schwieriger, eine Medaille zu gewinnen. Hinter Seriensieger USA finden sich im Medaillenspiegel Länder wie Botswana, die Dominikanische Republik oder die britischen Jungferninseln.

Deutschland fehlt Resilienz der Amerikaner

Apropos USA: Mit Noah Lyles, dem neuen Superstar, gelang erstmals einem Sprinter seit Usain Bolt wieder Dreifachgold! Die Resilienz der Amis, die trotz all des Boheis gnadenlos abliefern, fehlt bei Schwarz-Rot-Gold dagegen viel zu oft. Der Kugelstoßweltrekordler Ryan Crouser klagte über große Schmerzen und ein Blutgerinnsel in der Wade. Er gewann trotzdem nervenstark und im letzten Versuch mit 23,51 Meter! Das ist fast vier (!) Meter weiter als der aktuelle deutsche Meister.

Deutschland, das Land mit großer Tradition in der Schwerathletik, das in David Storl vor gar nicht so langer Zeit noch den jüngsten Weltmeister in dieser Disziplin stellte, hatte dagegen zu Recht auf einen WM-Starter verzichtet.

Es braucht pragmatische Lösungen und mehr Geld

Der Niedergang in den erfolgreichen Bereichen deutscher Kernkompetenz - nämlich bei Wurf und Stoß - ist längst erkannt, doch von pragmatischen, erfolgreichen Lösungen ist das komplexe, föderale deutsche System weit entfernt. Das Leichtathletik-Trainingszentrum vom kleinen Nachbarn Niederlande in Papendal steht für eine Handvoll Medaillen. Vielleicht sollte man die knappe Stunde Autofahrt mal riskieren und sich vor Ort umsehen?

Und auch bei den finanziellen Dimensionen kann Europas größte Volkswirtschaft längst niemand mehr erschrecken. Allein der Sportetat von Leo Neugebauers Uni in Austin/Texas entspricht in etwa dem des gesamten deutschen olympischen Sports.

Wer sich hohe Ziele steckt, muss etwas dafür tun

Kein Geld, keine Medaillen, keine Zukunft? Die sportliche Leitung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) zeigt sich von der aktuellen Bestandsaufnahme aufgerüttelt und hat für die Olympischen Spiele 2028 bereits das Ziel ausgegeben, wieder zu den besten fünf Leichtathletik-Nationen zu gehören. Immerhin, zumindest in den Bereichen Stimmung und Fantasie ist Scheinriese Deutschland weiter absolute Weltspitze!