Zehnkämpfer Niklas Kaul bei der WM 2019 in Doha

Rückblick Doha 2019: DLV-Athleten überzeugen bei WM der Extreme

Stand: 06.06.2022 12:34 Uhr

Die Leichtathletik-WM in Katar war höchst umstritten, für das deutsche Team aber erfolgreich: Weitspringerin Malaika Mihambo und Zehnkämpfer Niklas Kaul holten Gold bei den Titelkämpfen im heißen Golf-Emirat, die für viele Diskussionen sorgten.

Die Vorzeichen standen nicht allzu gut. Gleich reihenweise hatte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) im Vorfeld der Welt-Titelkämpfe prominente Ausfälle zu beklagen. Am Ende war das 71-köpfige deutsche Team bei einer WM auf hohem sportlichen Niveau mit sechsmal Edelmetall - zweimal Gold und viermal Bronze - vor allem qualitativ voll im Soll. In London vor zwei Jahren waren es fünf Medaillen (1, 2, 2). 

Mihambo und Kaul schreiben Geschichte

Gleich mehrere DLV-Asse trugen sich dabei in die Geschichtsbücher ein. Wie Weitspringerin Malaika Mihamo, die am Schlusstag ihrer Favoritenrolle mit beeindruckender Souveränität gerecht wurde und sich 26 Jahre nach dem Triumph von Heike Drechsler in Stuttgart mit persönlicher Bestleistung von 7,30 m Gold holte.

Ebenfalls zum Abschluss der WM eroberte Titelverteidiger Johannes Vetter nach einem schwierigen Jahr mit vielen Verletzungen Speerwurf-Bronze. Für das erste DLV-Gold hatte zuvor Niklas Kaul mit einem Paukenschlag gesorgt: Mit erst 21 Jahren avancierte er sensationell zum jüngsten Zehnkampf-Weltmeister der Geschichte.

Krause und Klosterhalfen laufen zu Bronze

Gesa Felicitas Krause holte über 3.000 m Hindernis ebenso Bronze wie Konstanze Klosterhalfen über 5.000. Doch Klosterhalfen stand auch im Zentrum von Diskussionen. Sie trainierte beim Nike Oregon Projects (NOP), das von Dopinggerüchten umwittert war.

Während der WM in Doha wurde Cheftrainer Alberto Salazar von der amerikanische Anti-Doping-Agentur (USADA) wegen Verstößen gegen die Anti-Doping-Regeln für vier Jahre gesperrt.

Kurz nach Ende der Weltmeisterschaften in Katar entzog Nike dem Projekt die finanzielle Unterstützung. Es wurde daraufhin aufgelöst.

Allyson Felix holt 13. WM-Titel

Während Kaul, Klosterhalfen und Co. an der Spitze einer neuen Leichtathletik-Generation standen, brachte Zwillingsmama Christina Schwanitz mit ihrem dritten Platz eine ganz andere Botschaft unters Volk. Seht her, es geht doch! Für die Kugelstoßerin, die ihre zehnte Medaille bei einer großen internationalen Meisterschaft verbuchte, fühlte sich Bronze an wie Gold.

Sie reihte sich ein in die Liste starker Mütter, die in Doha für Furore sorgten - wie Shelly-Ann Fraser-Pryce, die Gold über 100 m sowie mit der Sprintstaffel holte, Weltrekordlerin Liu Hong, die ihren insgesamt dritten WM-Triumph im Gehen feierte, oder Allyson Felix. Der US-Star, bereits im Vorfeld an der Spitze der erfolgreichsten WM-Athleten aller Zeiten, fügte seiner imposanten Medaillensammlung Gold Nummer 12 (Mixed-Staffel) und 13 (4x400 m) hinzu.

Hohes Niveau - wenig Zuschauer

Sportlich bewegten sich die globalen Titelkämpfe auf einem ungeheuer hohen Niveau: das beste Kugelstoß-Finale der Männer in der WM-Historie, der Weltrekord von Dalilah Muhammad (52,16 Sekunden) über 400 m Hürden, die fantastischen 48,14 Sekunden von Salwa Eid Naser über 400 m flach, das erste Double über 10.000 m und 1.500 m durch Sifan Hassan 

Das Zuschauerinteresse hielt sich trotz der Top-Leistungen in Grenzen: Nur gut 11.000 Zuschauer nach offiziellen Angaben am zweiten Wettkampftag - eine triste Kulisse beim 100-m-Finale der Männer, das US-Sprinter Christian Coleman gewann, der trotz verpasster Dopingtests teilnehmen durfte.

Immerhin: Die Veranstalter lernten schnell und halfen nach, verteilten Freikarten und lotsten Bauarbeiter und Militär in die Arena. Mit Erfolg: Die Stimmung stieg und wurde einmal sogar weltmeisterlich, als Mutaz Essa Barshim in der vollbesetzten Arena für die Gastgeber zum Hochsprung-Gold schwebte und damit sogar den Emir glücklich machte.

Extreme Bedingungen außerhalb des Stadions

Perfekt organisiert und von Tausenden Helfern vorbildlich betreut, gab es dennoch viel Kritik an der ersten Leichtathletik-WM in einem arabischen Land, die von Korruptionsvorwürfen überschattet wurde. Während die Bedingungen für die Sportler im allerdings aufwändig klimatisierten Khalifa-Stadion hervorragend waren, trieb die schwüle Hitze die Marathonläufer und Geher bei den Nacht-Entscheidungen in der City an und oft auch über die Grenzen. 41 Prozent betrug die Ausfallquote beim Frauen-Marathon - trauriger WM-Rekord.

Startblockkameras stoßen auf wenig Gegenliebe

Auch die zahlreichen Innovationen, die in Doha ihre Premiere feierten und der Leichtathletik neuen Schwung verleihen sollen, stießen bei den Sportlern nicht nur auf Gegenliebe. Beispielsweise die Startblockkameras, über die sich vor allem die Läuferinnen heftig beschwerten.

Spektakulär, aber für die Athleten zu lang, war die Lasershow vor den Starts der Sprinter, die gefühlt in den Hintergrund gerieten. Wie auch bei den Siegerehrungen im oberen Winkel der Stadionkurve.

Was vor knapp drei Jahren noch niemand ahnte: Die WM in Doha blieb aufgrund der Corona-Pandemie für lange Zeit das letzte internationale Großereignis in der Leichtathletik. Erst bei den um ein Jahr verschobenen Olympischen Spielen 2021 in Tokio gab es wieder ein Kräftemessen der Top-Athleten.