Malaika Mihambo während der Finals 2022

Leichtathletik nach den Finals Lichtblicke, aber viele Fragezeichen vor der WM

Stand: 27.06.2022 13:59 Uhr

Die deutschen Meisterschaften im Rahmen der Finals waren für die Leichtathletik vor allem eine Standortbestimmung für die bevorstehende Weltmeisterschaft.

Gina Lückenkemper sorgte für einen der emotionalen Höhepunkte bei den deutschen Meisterschaften: Lückenkemper sprintete am Samstagabend (25.06.2022) in 10,99 Sekunden zum Titel. Ihr anschließender Jubelschrei übertönte nach den Berichten von Augenzeugen sogar die knapp 10.000 Zuschauer im Berliner Olympiastadion. Erstmals nach vier Jahren war Lückenkemper wieder unter der Marke von 11 Sekunden geblieben, als erste deutsche Sprinterin nach der von Dopingvorwürfen belasteten Katrin Krabbe. Für Lückenkemper war es nach einer langen, auch von Verletzungen geplagten Leidenszeit die Erlösung, die sie auch mit ein paar Freudentränen feierte.

Blick nach Eugene, Schauplatz der Leichtathletik-WM

Die daran anschließende Frage ist in diesen Tagen aber, wie viel Lückenkempers Zeit wirklich wert ist. Denn die deutschen Meisterschaften waren vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) im Vorfeld auch als letzte Standortbestimmung ausgerufen worden, drei Wochen vor dem ersten Saisonhöhepunkt: den Weltmeisterschaften in Eugene.

Dort, in der Heimat der US-Leichtathletik, fanden nahezu zeitgleich die nationalen US-Titelkämpfe statt. Und im Finale der 100 Meter unterboten gleich sieben der besten acht Läuferinnen die 11 Sekunden - und waren dabei auch allesamt schneller als die beste deutsche Sprinterin in Berlin, rund 8.000 Kilometer weiter östlich. Die US-Sprinterinnen demonstrierten damit eindrucksvoll einmal mehr ihre Leistungsdichte an der Spitze - für Starläuferin Sha'Carri Richardson etwa reichte es noch nicht einmal zur WM-Teilnahme.

Mihambo: "Das letzte bisschen noch rausarbeiten"

Bei den Finals in Berlin weckten vor allem jene WM-Hoffnungen, die man zuvor ohnehin schon auf dem Zettel hatte: Malaika Mihambo zum Beispiel. Die Weitsprung-Olympiasiegerin zeigte sich mit ihrer Siegweite von 6,85 Meter zufrieden. Zugleich betonte Mihambo aber, dass sie zu den Titelkämpfen "aus dem vollen Training heraus" angetreten sei, nach einer Knieblessur im Frühjahr gebe es zudem immer noch viel Luft nach oben bis zu den Weltmeisterschaften: "In den Details hat nicht alles ineinander gegriffen", sagte Mihambo im ZDF. "Ich weiß, dass die Form sehr gut ist. Das letzte bisschen werde ich auf jeden Fall noch rausarbeiten."

Lita Baehre im Stabhochsprung jetzt unter den Top drei

Bo Kanda Lita Baehre tat im insgesamt doch sehr spärlich besetzten Olympiastadion wie gewohnt alles, um die Fans zu unterhalten, streute zwischen seinen Sprüngen das eine oder andere Tänzchen ein. Der 23-Jährige unterstrich dabei aber auch, dass er zu einem der besten Stabhochspringer der Welt gereift ist: Mit seinem Satz über 5,90 Meter katapultierte er sich sogar unter die Top drei und zu einem Medaillenkandidaten für die WM in Eugene. Schon 2019 in Doha wurde Lita Baehre WM-Vierter, nun sei er aber "auf jeden Fall näher dran, vorne mitzumischen", betonte er in Berlin.

Für die deutsche Leichtathletik, die schon etwas länger für mehr Aufmerksamkeit und gegen das etwas angestaubte Image kämpft, ist der mit natürlichem Selbstbewusstsein auftretende Lita Baehre weiterhin ein Glücksfall. "Er ist authentisch und verstellt sich nicht, das bringt neues Flair in unsere Sportart", sagte Chefbundestrainerin Annett Stein.

Stabhochsprung: Baehres Sprung zur Meisterschaft

Sportschau - Die Finals

Diskuswerferin Pudenz schon in WM-Form

Einer der Höhepunkte des Wochenendes war der Diskuswurf, auch weil sich die Athletinnen gegenseitig zu Höchstleistungen pushten. Shanice Craft (64,64 m), Julia Harting (64,34) und Claudine Vita (63,36) machten mit ihren Weiten mächtig Druck auf die favorisierte Kristin Pudenz. Dies animierte die Silbermedaillengewinnerin von Tokio am Ende zu einer persönlichen Bestweite von 67,10 Metern, damit untermauerte Pudenz ihre Ambitionen auf eine Medaille auch bei der WM.

Im Hochsprung meldete sich Mateusz Przybylko vier Jahre nach seinem EM-Triumph im gleichen Stadion zurück und überquerte 2,30 Meter.

Klosterhalfen, Krause, Vetter - viele Fragezeichen für Eugene

Ansonsten hinterließen die Finals aber viele Fragezeichen, vor allem weil einige Aushängeschilder der deutschen Leichtathletik sich mit den Spätfolgen von Verletzungen oder Erkrankungen herumschlagen und den Härtetest in Berlin auslassen mussten: Hindernisläuferin Gesa Krause konnte ebenso nicht antreten wie Langstrecklerin Konstanze Klosterhalfen oder Christin Hussong, Speerwurf-Europameisterin von 2018. Bei den Männern hatte Johannes Vetter auch in Berlin weiter mit seiner lädierten Schulter zu kämpfen, Deutschlands bester Speerwerfer ließ zuletzt einen Start bei der WM und sogar bei der Heim-EM in München (ab dem 15. August) offen.

Ein bisschen Zeit bleibt den deutschen Leichtathletik-Assen noch: Am 15. Juli starten die Weltmeisterschaften in Eugene, spätestens eine Woche vorher will der DLV sein endgültiges Aufgebot benennen.