"Das ist das Hoffenheim Italiens" US Sassuolo - provinzielle Heimat der italienischen Shootingstars

Stand: 20.06.2021 15:10 Uhr

Domenico Berardi und Manuel Locatelli überragen bislang in einem starken italienischen Team. Sie spielen nicht bei Top-Klubs, sondern beim Provinzverein US Sassuolo, an den auch Sportschau-Experte Prince Boateng schöne Erinnerungen hat.

Vor acht Jahren schaffte in Italien ein Provinzverein namens US Sassuolo Calcio den Aufstieg in die Serie A, der nun einen großen Anteil daran hat, dass die "Squadra Azzurra" die bislang überragende Mannschaft der EURO 2020 ist.

Der Klub aus der 10.000-Seelen-Gemeinde in der Emilia Romagna ist die Heimat von Domenico Berardi und Manuel Locatelli, die entscheidenden Anteil an den 3:0-Siegen gegen die Türkei und Schweiz hatten.

Sportlicher Erfolg dank der "Mapei"-Millionen

Doch nicht nur die Größe der Stadt ist der Grund dafür, dass Sportschau-Experte Prince Boateng über Sassuolo sagt: "Das ist das Hoffenheim Italiens." Was einst Dietmar Hopp für die TSG war, war Giorgio Squinzi für die Norditaliener.

Der Mäzen war CEO des Baustoffherstellers "Mapei", der einst eines der besten Radsportteams der Welt stellte, und unterstützte bereits seit 2002 den US Sassuolo finanziell. "Mapei" ist auch Hauptsponsor des Vereins. Giorgio Squinzi verstarb 2019.

Doch Sassuolo ist keineswegs ein Klub, der es mit teuer bezahlten Stars geschafft hat, seit dem Aufstieg 2013 die Klasse zu halten und sich peu à peu zu steigern. Sassuolo setzt vor allem auf junge Spieler mit hohem Entwicklungspotenzial. Wie Locatelli einer war, als der Klub ihn 2019 vom AC Mailand für 14 Millionen Euro loseiste, wo der heutige Nationalspieler nicht so gut zurecht gekommen war.

Berardi ging und kam sofort zurück

Für Berardi investierte Sassuolo 2015 zehn Millionen Euro. Aber für einen anderen Verein hat er noch nie gespielt. Der dreifache Vorlagengeber bei der EM stammt aus der Jugend des US Sassuolo und wechselte 2013 für 4,5 Millionen Euro zu Juventus Turin. Der Rekordmeister verlieh Berardi aber direkt wieder an seinen Jugendverein, der ihn nach zwei Jahren zurückkaufte. Ein Minus-Geschäft von 5,5 Millionen Euro, aber der Jackpot für den Verein.

In 238 Einsätzen in der Serie A hat Berardi für "das italienische Hoffenheim" 86 Tore erzielt und 56 Treffer vorbereitet. Er ist der Kapitän und Star der Mannschaft, wird seit Jahren von Top-Klubs umworben, aber entscheidet sich immer wieder, in seiner Heimat Sassuolo zu bleiben.

"Der kleine Pep Guardiola" hat in Sassuolo das "Tiki Taka" eingeführt

"Der Verein ist sehr familiär und bezieht dich in viele Sachen mit ein. Dort fühlst du dich einfach wohl", sagt Boateng, der von Juli 2018 bis Januar 2019 selbst bei Sassuolo spielte: "Wenn man einmal dort war, ist es schwierig, den Verein wieder zu wechseln. Es macht einfach Spaß, in der Stadt zu spielen. Auch weil es dort nicht so viele Fans und wenig Druck gibt. Da ist es gerade für junge Spieler leichter, frei aufzuspielen."

Bis Ende der vergangenen Saison war Roberto De Zerbi Trainer der Sassuolo-Profis. "Er hat seine eigene Philosophie eingebracht, ich nenne ihn immer den kleinen Pep Guardiola", sagt Boateng über den Taktikfanatiker, der beim Provinzklub ein Barcelona-ähnliches "Tiki Taka" etabliert hat.

Transfergerüchte um die beiden Sassuolo-Stars

Der Vertrag des 42-Jährigen läuft am 30. Juni jedoch aus, und er hat auch schon eine neue Herausforderung gefunden. De Zerbi wird neuer Trainer des ukrainischen Serienmeisters Schachtjor Donezk. Sein Nachfolger bei Sassuolo wird Alessio Dionisi, der mit dem FC Empoli den Aufstieg in die Serie A geschafft hat.

Wenn es nach den italienischen Gazetten geht, könnte Dionisi ein Neustart ohne seine beiden Stars Berardi und Locatelli bevorstehen. Seit Berardi gegen die Türkei und die Schweiz überzeugte und Locatelli im zweiten Gruppenspiel einen Doppelpack erzielte, kocht die Gerüchteküche über.

Es wird von Ablösesummen im Bereich von 50 Millionen Euro berichtet, von Interessenten wie dem FC Liverpool oder Juventus Turin. Die Frage ist aber, ob die Spieler das kleine Fußball-Idyll im Norden Italiens überhaupt verlassen wollen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes war Giorgio Squinzi als aktueller Chef des Hauptsponsors Mapei benannt. Squinzi verstarb allerdings im Herbst 2019 mit 76 Jahren. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.