Vor dem Achtelfinale gegen England Löw und mögliche Wechsel - Gedankenspiele und Historie

Stand: 27.06.2021 15:00 Uhr

Thomas Müller zurück, Ilkay Gündogan angeschlagen: Joachim Löw stellen sich vor dem Achtelfinale gegen England mehrere Personal- und Systemfragen. Ein Blick in die Historie zeigt, dass der Bundestrainer beim Übergang in die K.o.-Phase sparsam und manchmal sehr erfolgreich änderte.

Beim Durchzählen blieben die Beobachter des Trainings bei 23 stehen. Drei Spieler fehlten also bei der Einheit am Sonntagmorgen (27.06.2021) in Herzogenaurach. Lukas Klostermann war einer von ihnen, der Leipziger fehlt wegen eines Muskelfaserrisses schon seit geraumer Zeit.

Eine Nachricht war hingegen, dass Ilkay Gündogan im vier Tage zuvor bestrittenen Spiel gegen Ungarn eine Schädelprellung erlitt und daher pausieren muss. Er soll aber am Montag in den Flieger steigen, der planmäßig um 16.30 Uhr vom Flughafen in Nürnberg nach London abheben soll. Das gilt auch für Antonio Rüdiger, der wegen einer leichten Erkältung beim Training fehlte.

Die Überlegung, was wäre, falls Gündogan für das Achtelfinale gegen England ausfallen sollte, dürfte der Bundestrainer wie seine angeblich 80 Millionen Kolleginnen und Kollegen in Deutschland anstellen. Leon Goretzka ist bereit für seinen ersten Einsatz in der Startelf bei der EURO , das machte er mit seinem Tor zum 2:2 gegen Ungarn auf dem Platz deutlich.

Über einen Wechsel des dynamischen Münchner Bayern für den merkwürdig gehemmten Gündogan wird ohnehin schon seit dem Ende der Gruppenphase spekuliert.

Sollte Rüdiger auch ausfallen, wäre es schon kniffliger. Niklas Süle und Robin Koch stünden bereit, um ihn als Innenverteidiger in einer Dreierkette neben Matthias Ginter und Mats Hummels zu ersetzen. Aber die Frage, wie Löw die Defensive ordnet, ist selbst für den Fall sehr interessant, dass Rüdiger einsatzbereit sein wird, wovon auszugehen ist.

Es ist klar, dass Joshua Kimmich spielen wird, aber fraglich, auf welcher Position. Gegen Ungarn wechselte er zur zweiten Halbzeit vom rechten Mittelfeld ins Zentrum an die Seite von Toni Kroos, um dort mehr Einfluss auf das Spiel zu gewinnen. Diese Lösung scheint auch gegen England möglich. Dann dürfte Goretzka weiter nach vorne rücken und Thomas Müller, der ganz sicher wieder in der Startelf erwartet wird, dabei unterstützen, die Angreifer zu bedienen.

Wer weicht für Müller?

Kai Havertz dürfte vorne zum vierten Mal beginnen, aber ansonsten gibt es Fragezeichen. Für Müller, der wegen einer inzwischen überwundenen Kapselverletzung gegen Ungarn zunächst auf der Bank saß, muss jemand weichen. Erster Kandidat dürfte Leroy Sané sein, der gegen Ungarn enttäuschte.

Aber ab und an sorgt Joachim Löw auch für Überraschungen. Dass Sané statt Goretzka im letzten Gruppenspiel Müller ersetzte, gehörte in diese Kategorie. So könnte es am Dienstag auch Serge Gnabry treffen. Oder es trifft Sané und Gnabry, stattdessen würde dann Timo Werner vielleicht zu seinem ersten Startelfeinsatz kommen. Oder etwa Kevin Volland?

Ein Blick in die Historie zeigt, dass Löw als Bundestrainer noch bei keinem großen Turnier mit derselben Mannschaft in das erste K.o.-Spiel ging, die auch das letzte Gruppenspiel bestritt.

Nur eine Änderung des Systems

Bei der Europameisterschaft 2008, bei der er erstmals verantwortlich war, wechselte er gleich vier Mal. Nur eine Neuerung war verletzungsbedingt, die anderen drei hatten auch taktische Gründe, denn bei dem Turnier in Österreich und der Schweiz änderte Löw auch das System, von einem 4-4-2 im letzten und bedeutenden Gruppenspiel gegen Österreich (1:0) hin zu einem 4-2-3-1 im Viertelfinale gegen Portugal, das mit 3:2 gewonnen wurde.

Glücksgriffe Reus und Draxler

Systemwechsel blieben danach beim Übergang in die K.o.-Phase aus, aber auch bei der nächsten Europameisterschaft gab es wieder vier Wechsel. Einer davon erklärte sich durch die abgesessene Gelb-Rot-Sperre von Jérôme Boateng, die anderen drei waren weniger folgerichtig. So kam Marco Reus zu seinem ersten Einsatz bei einem großen Turnier, erzielte beim 4:2 gegen Griechenland gleich sein erstes Pflichtspieltor im Nationaltrikot, das sogar zum Tor des Monats gewählt wurde.

Ähnlich gut lag Löw bei der Europemeisterschaft 2016. Julian Draxler, der im Achtelfinale als einzige Änderung für Mario Götze in die Mannschaft gekommen war, schoss ein Tor und leistete eine Vorlage beim problemlosen 3:0 gegen die Slowakei.

Zurückhaltung bei Weltmeisterschaften

Bei den Weltmeisterschaften war Löw wesentlich zurückhaltender mit Veränderungen in der Startelf. In Südafrika 2010 kam für das Viertelfinale gegen England (4:1) Miroslav Klose, der zuvor wegen einer Gelb-Roten-Karte gesperrt war, für den ohnehin angeschlagenen Cacau in die Mannschaft.

Das mit Ach und Krach 2:1 nach Verlängerung gewonnene Achtelfinale bei der Weltmeisterschaft in Brasilien gegen Algerien begann Deutschland mit Götze für den angeschlagenen Lukas Podolski. Shkodran Mustafi ersetzte den verletzten Mats Hummels, musste dann aber selbst nach 70 Minuten vom Platz. Lahm rückte aus dem zentralen Mittelfeld bis zum Ende des Turniers ans rechte Ende der Viererkette, knapp zwei Wochen später war Deutschland Weltmeister.