Hans-Joachim Watzke (r.) mit Karl-Heinz Rummenigge

UEFA-Entscheidung Watzke und Rummenigge stimmen für Rückkehr russischer Jugendteams

Stand: 29.09.2023 21:19 Uhr

Die UEFA will Nachwuchsteams aus Russland wieder mitspielen lassen - auch DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke und Karl-Heinz Rummenigge stimmten dafür. Zahlreiche europäische Verbände haben einen Boykott solcher Spiele angekündigt.

Es gehe um Kinder, die nichts für den Krieg könnten, sagte Watzke am Donnerstag (29.09.2023) der "Bild-Zeitung". Die Entscheidung sei keine Aufweichung der ablehnenden Haltung Russland gegenüber, da die Erwachsenen-Teams ausgeschlossen blieben. Auch Bayern Münchens Aufsichtsratsmitglied Karl-Heinz Rummenigge begründete mit ähnlichen Argumenten seine Stimme für die Rückkehr.

DFB-Vizepräsident Watzke war im April in das Exekutivkomitee gewählt worden, das die Entscheidung am Dienstag getroffen hatte. Rummenigge ist als Vertreter der Europäischen Klub-Vereinigung ECA stimmberechtigt. DFB-Präsident Bernd Neuendorf als FIFA-Ratsmitglied ist automatisch bei jeder Sitzung des UEFA-Exekutivkomitees eingeladen, wenn auch ohne eigenes Stimmrecht. Der DFB teilte später mit, Watzke habe in einer Präsidiumssitzung sein Abstimmungsverhalten erläutert. "Das DFB-Präsidium hat dieses zur Kenntnis genommen und folgt dem Beschluss der UEFA."

UEFA-Exekutivkomitee entschied: Russische Teams sollen ohne nationale Symbole spielen

Das UEFA-Exekutivkomitee hatte am Dienstag bei seiner Sitzung in Limassol auf Zypern entschieden, dass russische Nachwuchsteams künftig wieder mitspielen, dabei aber keine Heimspiele austragen dürfen. Zudem sollen sie nicht in ihren offiziellen Trikots spielen, Hymnen und Flaggen sind ebenfalls verboten. Bestätigt wurde dagegen die Aufrechterhaltung der Suspendierung aller anderen russischen Teams, sowohl von Klub- als auch Nationalmannschaften.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC), derzeit selbst auf Öffnungskurs gegenüber Russland, hatte zuletzt nur die Wiederzulassung von russischen Einzelathleten, nicht aber von Teams empfohlen.

Flaggen von Russland und der UEFA (Archivbild von 2019)

Flaggen von Russland und der UEFA (Archivbild von 2019)

Zahlreiche Verbände kündigen Boykott von Spielen gegen Russland an

Die Nationalverbände von England, Polen, Estland, Lettland, Litauen, Schweden, Norwegen, Finnland, Rumänien, Dänemark und Irland kündigten an, bei einer entsprechenden Auslosung nicht gegen russische Mannschaften anzutreten.

"Kinder und Jugendliche sollten nicht für die Taten von Erwachsenen bestraft werden", begründete die UEFA ihr Vorgehen. Norwegens Verbandschefin Lise Klaveness sagte, dass sie dem Argument in diesem Fall nicht zustimme: "Wir sind der Meinung, dass es zu schwierig ist, den Nationalmannschaftsfußball von der Nation Russland zu trennen. Das Regime hat den Bedarf, Topfußball als Teil seiner Propaganda zu nutzen."

Lise Klaveness, Präsidentin des norwegischen Fußballverbands

Lise Klaveness, Präsidentin des norwegischen Fußballverbands

Schweden will Russland Teilnahme an U17-EM nicht gestatten

"Die Erklärung des UEFA-Exekutivkomitees hat mich überrascht", schrieb Polens Verbandspräsident Cezary Kulesza bei X und stellte klar: "Wenn russische Nationalmannschaften am Wettbewerb teilnehmen dürfen, werden unsere Nationalmannschaften nicht gegen sie spielen. Das ist die einzig richtige Entscheidung." 

Der englische Verband teilte der Nachrichtenagentur Reuters mit, dass seine Position unverändert sei: "Englands Teams spielen nicht gegen Russland." Litauens Verbandspräsident Edgaras Stankevičius teilte mit: "Sollten Auslosungen Spiele gegen Russland ergeben, werden unsere Spieler das Spielfeld nicht betreten. Unabhängig davon, welche Sanktionen dem Verband dafür drohen und unabhängig davon, wo das Spiel ausgetragen werden soll."

Lettland, Norwegen und Finnland bekräftigten ebenfalls ihre Haltung, nicht gegen russische Teams zu spielen. Norwegens Verbandspräsidentin Klaveness kritisierte darüber hinaus den Ablauf. "Uns war nicht bewusst, dass sich die UEFA diese Woche mit der Angelegenheit befassen würde, und wir müssen von der UEFA in einer so wichtigen Angelegenheit ein besseres Vorgehen erwarten können", sagte Klaveness.

2024 steht die U17-EM der Männer auf Zypern und die U17-EM der Frauen in Schweden an, im Oktober 2023 beginnt jeweils die Qualifikation. "Wir werden einer möglicherweise qualifizierten russischen Nationalmannschaft die Teilnahme an diesem Turnier nicht gestatten", teilte Schwedens Verband mit. Die U17-EM der Männer 2024 findet auf Zypern statt. Der Verband der Ukraine forderte die UEFA auf, die Entscheidung zu überdenken und kündigte einen Boykott jeglicher Spiele gegen Russland an. Das Vorgehen "toleriere Russlands aggressive Politik". Der ukrainische Verband forderte alle UEFA-Mitglieder zum Boykott von Spielen gegen Russland auf.

Zerreißprobe für den Sport

Robert Kempe, Sport inside, 01.10.2023 22:45 Uhr

Exekutivkomitee mit Gazprom-Manager aus Russland besetzt

Das UEFA-Exekutivkomitee besteht derzeit aus 17 Männern und einer Frau. Darunter sind Vertreter aus England, Polen, Schweden und der Ukraine. Mit Alexander Dyukov sitzt aber auch nach wie vor Russlands Verbandspräsident im Exekutivkomitee. Da die UEFA nur die Teams, nicht aber den Verband suspendierte, ist Russland grundsätzlich ein reguläres Mitglied der UEFA. Dyukov, Manager bei einer Gazprom-Tochtergesellschaft, sitzt mit Stimmrecht im Exekutivkomitee.

Auf Anfrage der Sportschau konkretisierte die UEFA das genaue Abstimmungsverhalten zunächst nicht. Nach Informationen der Sportschau wurden von einem Funktionär Bedenken vorgetragen. Doch eine klare Mehrheit stimmte für die Wiederzulassung der russischen Jugendteams.

Alexander Dyukov, Chef von Gazprom Neft und Mitglied der UEFA-Exekutive

Alexander Dyukov, Chef von Gazprom Neft und Mitglied der UEFA-Exekutive

UEFA-Exekutivkomitee
Person Verband
Aleksander Ceferin* UEFA
Karl-Erik Nilsson** Schweden
Zbigniew Boniek** Polen
Armand Duka** Albanien
Gabriele Gravina** Italien
Laura McAllister** Wales
David Gill** England
Servet Yardimci Türkei
Andrii Pavelko Ukraine
Jesper Möller Dänemark
Alexander Dyukov Russland
Just Spee Niederlande
Philippe Diallo Frankreich
Petr Fousek Tschechien
Levan Kobiashvili Georgien
Hans-Joachim Watzke Deutschland
Nasser Al-Khelaifi ECA
Karl-Heinz Rummenigge ECA

*Präsident
**Vizepräsident/in

Im Exekutivkomitee sind derzeit zwei Stühle leer. Spaniens Verbandspräsident Luis Rubiales trat nach seinem Übergriff gegen eine Spielerin zurück, der spanische Ligapräsident Javier Tebas räumte nach Informationen der Sportschau seinen Platz als Vertreter des europäischen Ligenverbands, für beide ist noch keine Nachfolge geregelt.

Europa-Abgeordnete: "Das Alter ist egal - die Entscheidung ist gefährlich"

Auch die Europa-Abgeordnete Viola von Cramon (Die Grünen) widerspricht der UEFA im Gespräch mit der Sportschau. "Unabhängig davon, wie alt die Spielerinnen und Spieler sind, nutzt Russland die Bühne für die eigene Propaganda", sagt von Cramon. "Das ermöglicht Russland die Nachricht: 'Wir sind nicht politisch isoliert, wir können teilnehmen.' Russland sucht nach jedem Beweis dafür, politische Legitimation zu haben. Deswegen ist die Entscheidung der UEFA gefährlich."

Für die UEFA entsteht nun eine verfahrene Situation. Setzt sie die Teilnahme russischer Teams durch und stellt sich damit auf die Seite Russlands oder handelt sie anders und damit gegen ihren eigenen Beschluss? "Fehlende klare Entscheidungen führen in solche Sackgassen", sagt von Cramon. "Es wäre an der UEFA gewesen, die Richtlinie vorzugeben. Hätte sie sich an die Spitze gestellt und gesagt, dass sie keinen Aggressorstaat in ihren Wettbewerben will, würde es nicht diese Debatte mit diesen Folgen geben."

Die Europa-Abgeordnete Viola von Cramon (Grüne)

Die Europa-Abgeordnete Viola von Cramon (Grüne)

UEFA und FIFA wollten Russland 2022 zunächst "neutral" spielen lassen

Nachdem Russland unter Mithilfe von Belarus seinen Angriffskrieg begann, verfügten die FIFA und die UEFA zunächst, dass Russland nur noch als "neutrales Team" unter dem Namen "Fußballverband aus Russland" spielen dürfe. Zu dieser Zeit standen die europäischen Playoffs zur WM 2022 der Männer in Katar an. Polens Verbandspräsident sagte damals: "Wir spielen nicht gegen Russland, egal wie das Team genannt wird." Mit Tschechien und Schweden schlossen sich weitere potenzielle Gegner Russlands dieser Haltung an. Einen Tag später suspendierten FIFA und UEFA Teams aus Russland aus allen Wettbewerben. Belarus darf seitdem nur außerhalb der eigenen Landesgrenzen und ohne Fans antreten.

Die UEFA entzog zudem Sankt Petersburg das zugeteilte Champions-League-Finale 2022 und kündigte einen Sponsoringvertrag mit Gazprom.