Fußball | Premier League Tuchel gegen Guardiola - wer stellt die Salzstreuer diesmal besser?

Stand: 22.09.2021 22:23 Uhr

Mit dem FC Chelsea und Manchester City treffen die Champions-League-Finalisten am Samstag (13:30 Uhr im Sportschau-Live-Ticker, Zusammenfassung ab 18 Uhr in der Sportschau) in der Premier League aufeinander. Es ist ein spezielles Wiedersehen der beiden Weltklasse-Trainer Thomas Tuchel und Pep Guardiola - die in großen Spielen aber immer mal wieder taktisch richtig daneben gegriffen haben.

Dass das Duell zwischen Tuchel und Guardiola eine ganz besondere Würze beinhaltet, daran ist auch eine Bar am Münchener Odeonsplatz schuld. Im "Schumann's" traf sich der damalige Bayern-Trainer mit Tuchel während dessen Sabbatjahres, das dieser zwischen seinen Engagements beim 1. FSV Mainz 05 und Borussia Dortmund 2014 begann.

Mit Salz- und Pfefferstreuern das Zentrum verdichtet

Die legendäre Geschichte, dass sich die beiden Trainer zunächst zum besseren Kennenlernen und Philosophieren über den Fußballsport trafen, hat Tuchel später einmal bestätigt. Im Verlauf des Abends spielten dann eine Menge Salz- und Pfefferstreuer eine Rolle, mit denen sich die beiden leidenschaftlichen Fußballnerds ausgetauscht haben - über den Sinn der Verdichtung des Zentrums, das Herauslocken tiefstehender Gegner durch vereinzelte absichtliche Ballverluste in ungefährlichen Zonen und gnadenloses Pressen auf den technisch schwächeren Aufbauspieler.

Der unbestätigte Teil dieser Anekdote besagt, dass es dabei so leidenschaftlich zugegangen sei, dass sich die Kellner über längere Zeit nicht mehr an den Tisch trauten. Diese Leidenschaft hätten sich die beiden bis heute auf jeden Fall erhalten. Mittlerweile ist der damals lernbegierige Aufsteiger Tuchel auf Augenhöhe mit Guardiola angekommen - spätestens seit dem Triumph des FC Chelsea gegen Peps Manchester City in der Champions League am 29. Mai dieses Jahres.

Krass vercoacht

Dieses Spiel hatte nicht nur Kai Havertz mit seinem Siegtreffer entschieden. Sondern auch Guardiola, der seine Salz- und Pfefferstreuer diesmal komplett falsch justiert hatte. Obwohl seine Mannschaft zuvor mit einem festen System die Premier League dominiert hatte, wollte er dem Endspiel ganz offenbar eine besondere persönliche Note verleihen. Und das ging krachend daneben.

City-Coach Guardiola hatte im Estadio do Dragao von Porto ohne Not seinen vorher herausragenden Abräumer Rodri auf die Bank verbannt und mit fünf offensiv ausgerichteten Mittelfeldspielern hinter der "falschen Neun" Kevin de Bruyne das blanke Chaos angerichtet. Riyad Mahrez, Ilkay Gündogan und Bernardo Silva hatten plötzlich neue Rollen, kamen damit überhaupt nicht klar und verkümmerten beinahe zur Bedeutungslosigkeit für das Spiel.

Tuchel mit der perfekten Reaktion

Eigentlich kann Tuchel diese verrückte Idee seines Gegenübers nicht vorausgeahnt haben, aber nach Bekanntwerden der Aufstellung hatte er 60 Minuten, um die richtigen Gegenmaßnahmen zu treffen. Das gelang ihm in Perfektion. Tuchel stellte konsequent die Aufbaupositionen der "Skyblues" zu, setzte im Zentrum phasenweise auf Manndeckung und ließ gegen die nur mäßig schnellen City-Verteidiger überragenden Konterfußball spielen. Guardiola habe "den schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn überschritten", bescheinigte ihm anschließend "The Sun" und nannte die Wahl seiner Startelf "eines seiner verrückten Professoren-Experimente".

Bei der Unzahl an Spielen, die Guardiola und auch Tuchel in ihren Trainerjahren schon absolviert haben, ist es vermutlich nur logisch, dass man auch mal so richtig danebengreift. Die Neigung Guardiolas, in besonderen Partien aber auch etwas ganz Besonderes bieten zu wollen, hat ihn aber in seiner Karriere ziemlich konsequent begleitet.

Guardiola: "Riesenfehler vom Trainer"

Seit er 2011 mit dem FC Barcelona zum zweiten Mal die Königsklasse gewonnen hatte, wartet Guardiola auf Triumph Nummer drei. Ein Desaster hatte Pep beispielsweise in der Saison 2013/14 angerichtet, als er im Halbfinal-Rückspiel ein 0:1 gegen Real Madrid mit einer Doppel-Sechs aus Bastian Schweisteiger und Toni Kroos wettmachen wollte. Die Königlichen überließen den Bayern daraufhin zu 70 Prozent den Ball, setzten auf Konter gegen die lahme Zentrale des FCB und gewannen 4:0. Guardiola gab danach den "Riesenfehler vom Trainer" bei der Konterabsicherung offen zu.

Es war kein Einzelfall auf dieser Ebene. Zwei Jahre später strich Guardiola völlig überraschend Thomas Müller im Halbfinal-Hinspiel bei Atlético aus der Mannschaft, weil er wieder das Zentrum kompakt halten wollte. Nach dem frühen Rückstand in der 11. Minute fehlten dann aber Müllers für den Gegner nicht planbare Aktionen, um das Bollwerk seines Kollegen Diego Simeone zu knacken - erneutes Aus im Halbfinale.

Auch bei City ziemlich glücklos

So genial er dann mit Manchester City im Ligaalltag performte, so glücklos blieb er in der Champions League. Das Schlimme dabei: Es waren immer wieder die Teams aus der eigenen Liga, die ihn im entscheidenden Moment auf dem falsch gestellten Salzstreuer erwischten. 2017/18 beförderte ihn Jürgen Klopp mit dem FC Liverpool locker aus der Königsklasse, mal wieder musste der stolze Katalane anschließend zugeben, dass "sein Plan nicht funktioniert" habe.

Gleiches passierte ihm im Jahr darauf mit einer viel zu ängstlichen Aufstellung (ohne Kevin De Bruyne und Leroy Sané) erneut im Viertelfinale, diesmal gegen Tottenham Hotspur. Und eine seiner schlimmsten Trainer-Nächte dürfte er 2019/20 wiederum in der Runde der letzten Acht erlebt haben, als er sein Starensemble urplötzlich auf Dreierkette umstellte, damit aber sogar an Olympique Lyon scheiterte.

Auch Tuchel galt als "verkopft"

Die Kritik, machmal zu "verkopft" zu sein und seine Spieler zu überfordern, kennt aber auch Tuchel. 2015 im direkten Bundesliga-Duell mit Guardiola kam er mit Dortmund mal auf die erstaunlichen Ideen, den langsamen Sokratis von der Innen- auf die Rechtsverteidiger-Position zu befördern, dafür rochierte er Lukasz Piszczek von der rechten auf die linke Seite, holte Sven Bender in die Abwehrzentrale und ließ Marco Reus auf der Bank. Irgendwas muss da mit den Salz- und Pfefferstreuern schiefgelaufen sein, jedenfalls ging das Spiel für Tuchel 0:5 verloren.

Im Pokalfinale ein Jahr später trafen die beiden Trainer erneut aufeinander, und diesmal wirkte es, als wolle Tuchel Guardiola kopieren. Während der Bayern-Coach bis zum Beginn der Verlängerung weder Spieler auswechselte noch das System änderte, hatte der BVB-Trainer in 90 Minuten gleich vier verschiedene Grundformationen angewandt. Die vollkommen wilde Wechselei ließen die Münchener an sich abprallen, sie behielten Ruhe und Konzentration und trugen am Ende dazu bei, dass Tuchel lange Zeit als chronischer Finalverlierer galt.