Gosens und Füllkrug jubeln

Nach Sieg gegen USA Nagelsmann-Debüt - deutsche Lichtblicke im grauen Hartford-Herbst

Stand: 15.10.2023 14:35 Uhr

Acht Monate vor Beginn der Heim-EM hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft das Testspiel gegen die USA überzeugend gewonnen. Bundestrainer Nagelsmann lobt nach seiner Premiere vor allem Kapitän Ilkay Gündogan - aber freie Tage fürs Team gibt es trotzdem nicht.

Von Heiko Oldörp, Hartford

Sein Outfit passte zu den äußeren Bedingungen. Im offenem Holzfällerhemd stand Julian Nagelsmann bei seiner Premiere als Bundestrainer am Samstagnachmittag (14.10.2023/Ortzeit) in Hartford an der Seitenlinie - und setzte somit ein klares Zeichen. Er wollte bei nasskaltem Herbstwetter arbeiten, anpacken, die Talfahrt der deutschen Nationalmannschaft stoppen.

Und der 36-Jährige konnte sich nach 90 Minuten nicht nur über einen überzeugenden und verdienten 3:1-Sieg gegen Gastgeber USA freuen, sondern auch über einige Lichtblicke, aus denen womöglich bei der Heim-Europameisterschaft in acht Monaten Sonnenstrahlen werden könnten. "Ich finde, dass wir insgesamt, über das ganze Spiel fußballerisch sehr, sehr gut waren", sagte Nagelsmann nach dem Erfolg vor 37.743 Fans im Rentschler Field von Hartford.

DFB-Team und Nagelsmann haben Mexiko im Blick

Allerdings folgt für die deutsche Nationalmannschaft in den USA noch ein weiterer Prüfstein. Am Dienstag geht es in Philadelphia gegen Mexiko. Die Begegnung wird in der Nacht zu Mittwoch live im Ersten übertragen (18.10.2023, ab 1.45 Uhr im Livestream).

Dass nach diesem einen Sieg sich an seiner Herangehensweise nichts ändern wird, machte Nagelsmann dann auch gleich deutlich."Einen halben Tag frei gebe ich ihnen nicht. Vielleicht mal ein Stündchen", sagte der Coach. "Wir sind jetzt auch nicht zum La-Paloma-Pfeifen da. Jetzt haben wir ein Spiel gewonnen. Und es wäre ganz gut, wenn wir auch noch das zweite gewinnen", sagte er.

Sportschau, 15.10.2023 13:54 Uhr

US-Trainer Berhalter sieht Deutschland als Titel-"Mitbewerber"

Am meisten habe ihm gegen die USA gefallen, sagte Nagelsmann, dass sein Team trotz des 0:1-Rückstandes durch ein Traumtor von Christian Pulisic in der 28. Minute ruhig geblieben sei. Kapitän Ilkay Gündogan gelang vor der Pause der Ausgleich (39. Minute), Niclas Füllkrug (58.) und Jamal Musiala (61.) belohnten mit ihren sehenswert herausgespielten Treffern ein in der zweiten Hälfte deutlich dominanter auftretendes deutsches Team.

Nach dem Wechsel sei "die Geduld besser" gewesen, sein Team "als geschlossener Block in die gegnerische Hälfte" vorgerückt, habe dort "auf die richtigen Momente" gewartet und dann daraus die Tore erzielt, lobte Nagelsmann. US-Nationaltrainer Gregg Berhalter sprach von einem "verdienten Sieg" für die DFB-Auswahl - und einer "guten Lernerfahrung für unser Team".

Vor allem die "taktische Flexibilität" der Gäste sei eine große Herausforderung gewesen, so Berhalter. Er erwarte, sagte der ehemalige Bundesliga-Profi von Energie Cottbus, dass die deutsche Mannschaft bis zur EM wachsen, sich verbessern - und somit ein "starker Mitbewerber" um den Titel sein werde.

"Überragendes Spiel" von Gündogan

Gegen Mexiko könnte es wie gegen die USA wieder auf eine überzeugende Leistung im deutschen Mittelfeld ankommen. Premier-League-Profi Pascal Groß von Brighton & Hove Albion bildete mit Gündogan ein sehr gut harmonierendes Defensiv-Duo. Deutschlands Kapitän machte nach vielen starken Vereinsauftritten endlich mal ein richtig gutes Länderspiel.

Der 32-Jährige erzielte nicht nur das 1:1 und hatte zu Beginn der zweiten Hälfte innerhalb von sieben Minuten drei gute Torchancen, sondern überzeugte mit seiner gesamten Ausstrahlung. "Ilkay hat ein überragendes Spiel gemacht auf seiner Position, hat jeden Ball gewollt. Und er hat eine unglaubliche Ruhe am Ball", meinte Nagelsmann, der seinen Spielführer sehr wohlwollend in "zwei, drei Aktionen als Verbindungsspieler bis ganz nach vorne" wahrgenommen hatte.

DFB-Kapitän Gündogan - "Haben uns endlich belohnt"

Sportschau

Pulisic stellt Verteidigung bei Gegentreffer bloß

Auch Füllkrug sammelte acht Monate vor dem EM-Eröffnungsspiel in München Pluspunkte. Nachdem er in der 22. Minute noch aus wenigen Metern an US-Torwart Matt Turner gescheitert war - "das war 'ne hundertprozentige", sagte er nach dem Spiel - vollendete der Neu-Dortmunder in der 58. Minute ein sehenswertes Zuspiel von Wirtz und Musiala abgeklärt zur 2:1-Führung. Drei Minuten später bereitete Füllkrug zudem das dritte deutsche Tor von Musiala vor.

Deutschland hätte durch den sehr agilen Leroy Sané (70.) sowie einen wuchtigen Fernschuss von Niklas Süle (85) sogar noch weitere Treffer erzielen können. In der Defensive wirkte das Nagelsmann-Team im zweiten Durchgang gefestigt. Dagegen wurde die Defensive beim 1:0 der USA von Pulisic bloßgestellt.

Der ehemalige Dortmunder lief zunächst Jonathan Tah davon und nutzte dann die Unentschlossenheit von Hummels und Antonio Rüdiger für einen sehenswerten Schuss in den Winkel.

Hummels: Atmosphäre wie bei WM 2006 kreieren

"Sein Tor war ziemlich großartig. Und ich bin froh, dass er nur einmal getroffen hat", sagte Innenverteidiger Hummels und hob hervor, dass derzeit "jeder Auftritt wichtig" für das Team sei. Vor allem, um mit Blick auf die EM eine Euphorie zu entfachen.

Hummels erinnerte an die WM 2006. Damals hatte er in München die Partien als Fan verfolgt - und die grandiose Stimmung rund um die Spiele bis heute nicht vergessen. Es sei durchaus möglich, solch eine Atmosphäre mit guten Ergebnissen und Auftritten, "wo die Fans merken, dass wir Bock haben, dass wir gerne für Deutschland auf dem Platz stehen", auch im kommenden Sommer kreieren zu können.

Nagelsmann will "gewisse Ästhetik im Spiel" haben

Hartford war möglicherweise der erste Schritt dahin. Der zweite könnte am Dienstag in Philadelphia gegen Mexiko folgen. Nagelsmann hat bereits einige Veränderungen angekündigt. So rustikal er bei der Wahl seines Outfits war, so anspruchsvoll ist er, wenn es um den Fußball der deutschen Nationalmannschaft geht.

Nur gewinnen alleine reicht ihm nicht. "Am Ende ist mir schon wichtig, dass wir auch eine gewisse Ästhetik im Spiel haben." Die letzten Länderspiele des Jahres werden am 18. November in Berlin gegen die Türkei und drei Tage später in Wien gegen Österreich ausgetragen.