Bundestrainer Julian Nagelsmann mit einem Trikot der New England Patriots
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Nationalmannschaft USA-Reise des DFB - Hoffnung auf neue Fans und neues Geld

Stand: 13.10.2023 17:08 Uhr

Der Unmut über die Reise der Nationalmannschaft in die USA ist groß. Eine schwierige Anstoßzeit und Reisestress für die Spieler werden kritisiert. Doch die Reise hat einen Grund: Der deutsche Fußball hofft auf neue Fans, denn er braucht neues Geld.

Uli Hoeneß hat sein Urteil gefällt. "Amateurhaft" nannte Bayern Münchens Ehrenpräsident die Reise der deutschen Nationalmannschaft in die USA. Die DFB-Auswahl ist seit dem 9. Oktober in den Vereinigten Staaten und wird dort bis zum 18. Oktober bleiben. Dabei wird es Spiele gegen die USA und Mexiko geben, letzteres um 2 Uhr mitteleuropäischer Zeit.

Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern

Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern

"Ein Länderspiel gegen Mexiko, und das ist ja auch nicht gerade der Renner, um zwei Uhr nachts zu machen, da sieht man, dass das amateurhaft ist", sagte Hoeneß in einem Interview mit "RTL" und "ntv". Eine Bindung zu den Fans schaffe man mit Blick auf die EM 2024 in Deutschland so nicht. "Ich will das deutsche Volk und die deutschen Zuschauer hinter mich bringen. Und dann kann ich ihnen nicht ein Länderspiel mit einem neuen Trainer nachts um 2 Uhr anbieten", sagte Hoeneß.

USA-Reise DFB
Termin Anlass
09.10.2023 Anreise
14.10.2023 (21 Uhr MESZ) USA - Deutschland
18.10.2023 (2 Uhr MESZ) Mexiko - Deutschland
18.10.2023 Abreise

Viel Kritik am Reisestress für die Spieler

Bayern Münchens Trainer Thomas Tuchel kritisierte die Strapazen für die Spieler. "Die deutschen Nationalspieler kommen am Donnerstag zurück und sitzen am Freitag im Flieger nach Mainz, sitzen am Montag im Flieger nach Istanbul, kommen am Mittwoch wieder zurück", sagte Tuchel mit Blick auf die Spiele seines Teams nach der Länderspielpause. "Das ist am Ende der Belastbarkeit."

Thomas Tuchel, Trainer vom FC Bayern München

Thomas Tuchel, Trainer vom FC Bayern München

Für die Dortmunder Spieler ist der Zeitplan noch enger. Der BVB muss schon am Freitagabend, am Tag nach der Rückkehr der Spieler, zu Hause gegen Bremen antreten. "Aus Vereinstrainersicht, da braucht man nicht rumzulügen, ist es relativ normal, dass man der Reise kritisch gegenübersteht. Das würde ich wahrscheinlich genauso sagen", räumte der neue Bundestrainer Julian Nagelsmann ein. 

Die Frage lautet also: Was soll das? Die Gründe für die Reise liegen vor allem in den Finanzen des deutschen Fußballs.

Die USA gelten als der Zukunftsmarkt des Fußballs

Spätestens seit der Vergabe der WM der Männer 2026 an die USA, Mexiko und Kanada gilt Nordamerika und dort zuvorderst die USA als der Zukunftsmarkt im Profifußball. Der europäische Profifußball erhofft sich derzeit von keiner anderen Region der Welt größere Einnahmemöglichkeiten als von den USA. Dort sitzen wohlhabende Menschen, potenzielle neue Fans, die sich für den europäischen Fußball begeistern und später Geld für TV-Abos und Trikots ausgeben oder für Werbekunden interessant werden. Deshalb äußert sich zu der Kritik nun auch derjenige, der die Reise mit eingefädelt hat: Oliver Bierhoff.

Ex-Geschäftsführer Oliver Bierhoff (Mitte) mit DFB-Sportdirektor Rudi Völler (l.) und Bundestrainer Julian Nagelsmann

Ex-Geschäftsführer Oliver Bierhoff (Mitte) mit DFB-Sportdirektor Rudi Völler (l.) und Bundestrainer Julian Nagelsmann

"Das ist ja 'Täglich grüßt das Murmeltier'. Man muss dann immer schmunzeln", sagte der ehemalige DFB-Geschäftsführer, der als Teil einer Delegation von Sportdirektoren und Managern aus der Bundesliga unter der Leitung des Akademie-Chefs Tobias Haupt mit in die USA reist. "Und ein halbes Jahr später sitzt man da und sagt, die Bundesliga liegt einfach hintendran gegenüber der Premier League oder der Liga in Spanien, weil wir keine Auslandsbesuche machen." Das Team wohnt auf dem Gelände der New England Patriots in Foxborough/Massachusetts. Der DFB hatte mit den Besitzern eine grundsätzliche Zusammenarbeit vereinbart.

Bundesliga braucht dringend Steigerung der Einnahmen im Ausland

Die Bundesliga klagt seit Jahren darüber, dass sie in der Auslandsvermarktung zu wenig Geld einnimmt. Zuletzt waren es rund 170 Millionen Euro pro Saison für die DFL - deutlich weniger im Vergleich zur Konkurrenz aus England und Spanien. "Wenn wir nachhaltig und in einem nennenswerten Umfang unsere Auslandserlöse erhöhen wollen, dann kommen wir nicht darum herum, Präsenz zu zeigen", sagte DFL-Aufsichtsrat Hans-Joachim Watzke 2022 im "Kicker". Zuletzt sagte er im Deutschlandfunk: "Irgendwann müssen wir uns auch ein bisschen zeigen."

Hans-Joachim Watzke, DFL-Aufsichtsratschef und DFB-Vizepräsident

Hans-Joachim Watzke, DFL-Aufsichtsratschef und DFB-Vizepräsident

Für Borussia Dortmund kamen schon im Sommer einige Flugmeilen Richtung Westen zusammen, als der Klub mehrere Testspiele in den USA absolvierte, darunter jeweils eines gegen Manchester United und den FC Chelsea.

Deutsche Klubs zaghaft, andere Topligen mit klarem Kurs auf die USA

Doch die meisten anderen Klubs der Bundesliga wählten im Sommer Deutschland oder Österreich als Reiseziel. Die Premier League war dagegen zu einem großen Teil auf US-Tour. Sechs Klubs spielten einen offiziellen Wettbewerb namens "Premier League Summer Series" aus, auch weitere Klubs waren in den USA unterwegs.

Auch anderswo in Europa sind die USA das große Ziel für die Vermarktung geworden. Mit Juventus Turin, FC Barcelona, AC Mailand und Real Madrid veranstalten vier Spitzenklubs aus Spanien und Italien die "Soccer Champions Tour" mit acht Spielen in Kalifornien, Texas, Nevada und Florida. Spaniens La Liga reiste mit Atletico Madrid, FC Sevilla, Betis Sevilla und Real Sociedad für eine "La Liga Summer Tour" in die USA und Mexiko. Besonders AC Mailand hat die USA als Ziel für sich entdeckt und ist dort zu einer beliebten Sportmarke geworden. Auch die UEFA und die FIFA vermarkten ihre Wettbewerbe mit Nachdruck in den USA.

Fans von Manchester United im Allegiant Stadium in Las Vegas, USA

Fans von Manchester United im Allegiant Stadium in Las Vegas, USA

Manche gehen bei der Vermarktung weit, vielen Fans zu weit. AC Mailand kokettierte schon, genau wie die UEFA oder die spanische Liga, mit Pflichtspielen in den USA. Auch in Frankreich ist das Thema. "Wir werden sehr eng mit unserem zukünftigen Übertragungspartner zusammenarbeiten, um wichtige Spiele in die USA zu bringen", sagte Ben Morel, Geschäftsführer der Vermarktungssparte der französischen Ligue 1. Organisierte Fanszenen der Klubs protestieren gegen solche Maßnahmen.

Neue Einnahmen für den deutschen Fußball erhofft

Der DFB veröffentlichte auf seiner Internetpräsenz eine lange Erklärung zur Reise im Frage-Antwort-Format. Die Frage nach dem "Warum" beantwortete DFB-Sportdirektor Rudi Völler. "Für eine größere Wahrnehmung und Präsenz des deutschen Fußballs, der Bundesliga und ihrer Vereine ist es wichtig, dass sich die besten Spieler Deutschlands auch international zeigen", wird Völler zitiert. Wahrnehmung und Präsenz auch für die Klubs, gemeint sind damit aber eigentlich: neue Einnahmen.