DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Geschäftsführer Andreas Rettig (vorne).
analyse

Überraschende Personalie beim DFB Neuendorf und Rettig - es riecht nach einem Deal

Stand: 18.09.2023 18:25 Uhr

Bernd Neuendorf hat seinen Kandidaten Andreas Rettig gegen die Widerstände des Großkapitals im deutschen Fußball durchgebracht. Das riecht nach einem Deal, aufgrund seiner bisherigen Bilanz hatte der Präsident des DFB aber kaum eine andere Wahl.

"Wir wünschen ein glückliches Händchen bei den zukünftigen Entscheidungen", wurde Andreas Rettig in dem Glückwunschschreiben zitiert, das der FC Viktoria Köln am 11. März 2022 veröffentlichte. Rettig war damals noch Geschäftsführer der Viktoria, seine Gratulation galt Bernd Neuendorf, der an jenem 11. März zum Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gewählt worden war.

Neuendorf war zuvor Präsident des Fußballverbandes Mittelrhein, zu dem auch die Viktoria gehört. Zudem wohnt Rettig seit einigen Jahren wieder in Köln, der 1. FC war einer seiner Vereine als Arbeitgeber, genau wie Bayer Leverkusen. 

Alte Bekannte

Insofern, dafür gibt es auch etliche Foto- und Textbelege, sind Neuendorf und Rettig sich schon zwangsläufig häufiger über den Weg gelaufen. Rettig war, dafür gibt es sogar einen Videobeweis, auch Wahlkämpfer für Neuendorf. Er wurde mal zur Frühschoppenzeit in den "Doppelpass" von "Sport 1" geschaltet und stellte Peter Peters bloß, der von den Profis aufgestellte Gegenkandidat Neuendorfs.

Rettig will auf den FC Bayern zugehen

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"Mich würde schon mal interessieren, was dich, Peter, für das Amt des Präsidenten qualifiziert. Die Tätigkeit bei Schalke 04 kann es ja nicht gewesen sein." Das saß. Der ohnehin blasse Peters war jahrzehntelang für die Finanzen der Gelsenkirchener verantwortlich und damit zumindest mitverantwortlich dafür, dass es immer mal wieder sehr knapp in der Kasse wurde.

Ist es also auch ein bisschen Dankbarkeit, die dazu führte, dass eine der "zukünftigen Entscheidungen" Neuendorfs ist, Rettig als Geschäftsführer Sport der DFB GmbH & Co. KG auszusuchen, verantwortlich für die Bereiche Nationalmannschaften und Akademie.

Rummenigge und Mintzlaff verlassen Task Force

Die Meldung über die Personalwahl und die Absegnung durch die zuständigen Gremien kam am Freitag (15.09.2023) sehr überraschend, und sie schlug erwartet hohe Wellen. Oliver Mintzlaff von RB Leipzig nannte die Berufung Rettigs in einer gemeinsamen Erklärung mit Karl-Heinz Rummenigge vom FC Bayern zwar nicht explizit als Grund dafür, dass er sofort aus einer Task Force des DFB zurücktrete. Aber in der Stellungnahme des Münchner Aufsichtsrates wurde das tiefe Misstrauen deutlich: "Zudem wurde die Task Force in wichtige Beschlüsse des DFB nicht eingebunden, teilweise nicht einmal informiert. So haben wir von der Installation Andreas Rettigs als Geschäftsführer Sport des DFB, eine durchaus sensible Personalie und diskussionswürdige Entscheidung, durch die Medien erfahren. Auf dieser Basis ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich."

Die "sensible Personalie und diskussionswürdige Entscheidung" Rettig tummelt sich seit Jahrzehnten im Profifußball und baute dort ein hervorragendes Netzwerk auf, aber er gilt doch als Vertreter des Kleinkapitals.

Als Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL) lehnte er nach eigener Aussage zweimal die Unterschrift ab, mit der RB Leipzig eine Lizenz für den Bereich der DFL erteilt werden sollte. Der Lizenzierungsausschuss des Dachverbandes habe dann aber anders entschieden. Mit dem FC Bayern trug Rettig immer wieder mal Kämpfe aus, er wollte den Münchnern häufiger ans Geld, um es gerechter zu verteilen, insofern sind die beleidigten Reaktionen von Mintzlaff und Rummenigge keine Überraschung.

Vertreter der "Kleinen"

Wie setzte Bernd Neuendorf seinen Kandidaten gegen das Großkapital durch, das im deutschen Fußball auch von Hans-Joachim Watzke vertreten wird, dem Boss von Borussia Dortmund, Aufsichtsratschef der DFL und damit "Vize" von Neuendorf?

Antworten auch auf diese Frage versprach eine Pressekonferenz des DFB am Montag (18.09.2023) in der Verbandszentrale in Frankfurt am Main. "Ich habe zu Kenntnis genommen, dass ich nicht unbedingt der Wunschkandidat des FC Bayern war", sagte Rettig. Ein Versuch am Freitag, Kontakt zu Rummenigge und dem weiterhin sehr mächtigen Uli Hoeneß aufzunehmen, sei gescheitert. Bis Montag habe es "keine Resonanz" vom FC Bayern gegeben, "den wir künftig brauchen werden", wie Rettig betonte. "Wir sind in der Krise. Es geht darum, dass wir uns alle unterhaken. Persönliche Animositäten dürfen nicht dazu führen, dass wir uns verlieren", so Rettig, dessen Vertrag bis 31. Dezember 2026 gültig ist.

Andreas Rettig, 60 Jahre alt, ist ein Strippenzieher, wird aber nur selten als solcher bezeichnet, weil der Begriff negativ besetzt ist. Rettig orchestriert im Hintergrund, seine Meinung ist bei vielen Funktionären gefragt. Er ist eloquent und kommunikativ, hat ein großes Netzwerk im Fußball und in den Medien. All das dürfte vor allem Neuendorf helfen, dessen nun 18 Monate lange Amtszeit geprägt ist von einem in jeglicher Hinsicht misslungenen Auftritt bei der WM in Katar, einem Schlingerkurs bei der Bewertung von FIFA-Präsident Gianni Infantino und der ersten Freistellung eines Bundestrainers in der Geschichte des DFB. Die Zusammensetzung der nun ausgedienten Task Force, die nach dem Aus des mächtigen Direktors Oliver Bierhoff im Dezember einberufen worden war, wurde ebenfalls kritisch betrachtet.

Nicht die erste Wahl

Rettig, das gab Neuendorf zu, sei nicht die erste Wahl für den Posten des Geschäftsführers gewesen. Er habe auch gedacht, dass dessen Lebensplanung anders ausgesehen habe als einen Job anzutreten, in dem er sich notgedrungen mit Mintzlaff, den Bayern und Watzke arrangieren muss.

Der Boss des BVB hatte sicher auch einen anderen Wunschkandidaten. Gerade Rettigs Strippenzieherei bei der Ablehnung des Investorendeals, für den die DFL jetzt einen neuen Anlauf in abgespeckter Version nimmt, nahm Watzke übel. Dennoch segnete er die Personalie ab. In einer angemessen unterkühlten Stellungnahme, vom DFB am Montag verbreitet, schob er die alleinige Verantwortung für die Personalwahl dem Präsidenten zu: "Ohne Inhalte unseres Gesprächs (mit Rettig, d. Red.) preiszugeben, habe ich Bernd Neuendorf anschließend signalisiert, dass ich seinem Vorschlag zustimme."    

Es klingt nach einem Deal, bei dem Watzke schon bezahlt hat, die Gegenleistung aber noch erbracht werden muss. Dass Rettig nun in hoher Funktion beim DFB zu Diplomatie gezwungen ist, dürfte nur eine kleine Anzahlung sein.