Die französische Fußball-Nationalspielerin Kadidiatou Diani

Spiel gegen die Niederlande Frankreich will Viertelfinal-Bann brechen

Stand: 22.07.2022 14:37 Uhr

Frankreichs Fußballerinnen sind seit ihrem vierten Platz bei Olympia 2012 in London bei allen großen Turnieren bereits im Viertelfinale ausgeschieden. Hält der Fluch auch am Sonnabend (23.07.22) in Rotherham an, wenn "Les Bleues" gegen Titelverteidiger Niederlande um den EM-Halbfinaleinzug kämpfen?

Corinne Diacre hat bereits vor Beginn der kontinentalen Titelkämpfe in England hoch gepokert, indem sie in Amandine Henry und Eugénie Le Sommer von Champions-League-Sieger Olympique Lyon zwei langjährige Leistungsträgerinnen nicht in den EM-Kader berief. Mit dem routinierten Duo soll die als sehr streng geltende 47-Jährige persönlich nicht gut ausgekommen sein, berichteten Medien übereinstimmend. Auch Kheira Hamraoui von Paris Saint-Germain, die im vergangenen November Opfer einer brutalen Eisenstangen-Attacke wurde, fand keine Berücksichtigung in Diacres Aufgebot. Sie sei nicht fit, erklärte die Übungsleiterin.

Der Verzicht auf die drei erfahrenen Spielerinnen war fraglos risikobehaftet, hatte bis dato aber keine negativen Auswirkungen. "Les Bleues" zog als Gruppenerster in die Runde der letzten Acht ein. Und weil das Weiterkommen bereits vor der abschließenden Partie gegen Island perfekt war, pokerte Diacre erneut. Gleich auf sechs Positionen veränderte sie ihre Anfangsformation gegen die Nordeuropäerinnen im Vergleich zum vorigen Spiel gegen Belgien. Das Resultat dieser massiven personellen Umstellungen waren ein holpriger Auftritt und ein enttäuschendes 1:1-Remis.

Doch damit konnte die Trainerin gut leben. Denn ihr Kalkül war aufgegangen. "Ihr habt nur gesehen, was ich euch auch zeigen wollte", sagte Diacre nach der Partie Medienberichten zufolgen zu den niederländischen Scouts, die sich die Begegnung auf der Tribüne angeschaut hatten.

Diacre macht Geheimnis um Aufstellung

Die frühere Trainerin des französischen Männer-Zweitligisten Clermont Foot hatte bereits in den vergangenen Wochen stets ein großes Geheimnis daraus gemacht, wie ihre Startformation aussehen würde. Selbst die Spielerinnen erfuhren stets erst kurz vor der Partie davon, ob sie nun auflaufen oder zunächst auf der Bank sitzen würden. Und diese Geheimniskrämerei setzt sich auch nun vor dem Duell mit dem "Oranje"-Team fort. Das Training findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, Fragen zu einzelnen Positionen beantwortete Diacre bis dato nicht.

Es ist natürlich davon auszugehen, dass die 47-Jährige auf das Gerüst vertraut, das in den ersten beiden EM-Partien gegen Italien (5:1) und Belgien (2:1) dominant auftrat. Doch wer gegen die Elftal beispielsweise die verletzte Starstürmerin Marie-Antoinette Katoto ersetzen wird, ist ebenso offen wie die Besetzung des linken Flügels. Hier streiten Sakina Karchaoui und Selma Bacha um den Platz in der Startformation. Und ob Sandie Toletti oder Clara Mateo im Mittelfeld beginnen wird, weiß auch nur Diacre.

Trainerin und "Les Bleues" unter Druck

Das Personalpuzzle richtig zusammenzusetzen, um endlich den Viertelfinal-Fluch zu brechen, ist ihre große Aufgabe. Denn bei einem abermaligen Scheitern in der Runde der letzten Acht könnten DiacresTage als Nationaltrainerin gezählt sein. Von ihr und der fußballerisch vielleicht talentiertesten Mannschaft der EM wird in der Heimat erwartet, mindestens die Vorschlussrunde zu erreichen.

Elftal wieder mit Miedema

Vor fünf Jahren in den Niederlanden scheiterten "Les Bleues" im Viertelfinale mit 0:1 an England, während die Gastgeberinnen vor heimischer Kulisse mit überragendem Offensivfußball den Titel holten. Nun will die Elftal diesen Coup auf der Insel wiederholen. Doch die bisherigen Auftritte der "Oranje"-Auswahl sprechen nicht unbedingt dafür. Fußballerisch blieb das Team von Coach Mark Parsons in seinen ersten drei Partien einiges schuldig. Hinzu kommen Verletzungssorgen. Für Stammkeeperin Sari van Veenendaal und Angreiferin Lieke Martens ist die EM bereits beendet.

In Jackie Groenen und Aniek Nouwen fielen zudem zwischenzeitlich zwei Stammspielerinnen angeschlagen aus, die nun aber wieder einsatzbereit sind. Selbiges trifft auf Vivianne Miedema zu. Die Starstürmerin steht nach ihrer Corona-Zwangspause wieder zur Verfügung. Ob die Kraft der früheren Bundesliga-Angreiferin für 90 Minuten reicht, ist allerdings fraglich.

"Oranje"-Joker spielen sich im Vordergrund

Möglicherweise wird die Ex-Münchnerin vorerst auf der Bank sitzen. Denn beim 4:1-Erfolg im letzten Gruppenspiel gegen die Schweiz spielten sich Victoria Pelova, Esmee Brugts und insbesondere die zweifache Torschützin Romée Leuchter nach ihren Einwechslungen in den Vordergrund. "Stolz" war Coach Parsons nach der Partie auf seine drei Youngsters. Ob er sie nun von Beginn an bringen wird, ließ der Engländer offen. Geheimniskrämerei scheint also keine rein französische Spezialität zu sein...

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 22.07.2022 | 20:15 Uhr