Antonio Rüdiger im Trikot der deutschen Nationalmannschaft

Kritik von Spielergewerkschaft Spieler fast ohne Pause in die WM - und wieder raus

Stand: 16.11.2022 12:31 Uhr

Die internationale Spielergewerkschaft FIFPRO übt Kritik am Spielplan. Durch die WM zum ungewohnten Termin sei die Belastung der Spieler deutlich größer und erhöhe das Verletzungsrisiko. Deutschland liegt bei der Belastung weit vorne - vor allem Antonio Rüdiger.

Nur sieben Tage liegen zwischen der letzten Bundesliga-Partie des Jahres 2022 und dem Start der WM. Am Sonntag, den 13. November, verabschiedete sich die Bundesliga mit der Partie zwischen dem SC Freiburg und dem 1. FC Union Berlin in eine längere Unterbrechung für die WM und die Winterpause. Die WM startet mit dem Eröffnungsspiel zwischen Katar und Ecuador am Sonntag, den 20. November 2022.

Beim üblichen WM-Termin im Juni und Juli seien es durchschnittlich 31 Tage ohne Pflichtspiel gewesen, teilt die internationale Spielergewerkschaft mit. "Dies erhöht das Risiko von Muskelverletzungen und psychischem Stress", so FIFPRO. Auch nach dem Turnier blieben einigen Spielern nur acht Tage, bevor es mit ihren Klubs weitergeht - 37 Tage seien es durchschnittlich beim üblichen Sommertermin der WM gewesen.

Deutschland eine der am meisten belasteten Mannschaften

Die Premier League wird nur rund eine Woche nach dem WM-Finale am zweiten Weihnachtsfeiertag mit allen Spitzenteams wieder spielen. In Spanien geht es Silvester weiter, in Italien am 4. Januar 2023. Die Bundesliga ist eine Ausnahme und nimmt den Betrieb erst rund fünf Wochen nach dem Turnier wieder auf. Trotzdem bleibt die deutsche Mannschaft eine der am meisten belasteten des Turniers.

FIFPRO ließ in einer Studie die gespielten Minuten der einzelnen Spieler jedes Kaders zählen. Ergebnis: Nach Brasilien und Portugal hat der deutsche Kader die dritthöchste Belastung unter den 32 Teams. Fast 30.000 Minuten waren die deutschen Spieler seit Saisonbeginn bis Ende Oktober aktiv, einige Minuten aus dem November fehlen in dieser Rechnung also sogar noch.

Aus den Top 15 der FIFA-Weltrangliste haben Spanien, Uruguay und Dänemark die geringste Belastung. Vergleicht man alle Teams, waren die Spieler aus Katars Kader am wenigsten auf dem Platz: 2.150 Minuten. Es zeigen sich klare Unterschiede in den Kontinenten: Spieler in europäischen Klubs haben vor Südamerika die meisten Spielminuten zu absolvieren, Asien hinter Afrika die wenigsten.

Vier Spieler ganz vorne: van Dijk, Cancelo, Mané und Rüdiger

Der Niederländer Virgil van Dijk hat von Juli 2021 bis Oktober 2022 der Studie zufolge die meisten Minuten gespielt: 7.597. Portugals Joao Cancelo (Manchester City) mit 7.347 Minuten und Senegals Sadio Mané (FC Liverpool/Bayern München) mit 7.266 Minuten folgen auf den weiteren Plätzen. Mané wird die ersten WM-Spiele Senegals verletzt verpassen.

Bayern-Star Sadio Mané verletzt am Boden

Bayern-Star Sadio Mané verletzt am Boden

Antonio Rüdiger ist auf Platz vier der erste deutsche Spieler in dieser Liste. Für das DFB-Team sowie für Chelsea und Real Madrid absolvierte er 7.211 Minuten, was etwa 80 Spielen über 90 Minuten entspricht.

Hinzu kommen für Spieler unterschiedliche Belastungen durch Reisen. Bei Länderspielen haben Spieler aus europäischen Ligen, die aber aus nicht-europäischen Ländern stammen, weite Strecken zurückzulegen. Südkoreas Heung-Min Son von Tottenham Hotspur reiste demnach zwischen Juli 2021 bis Oktober 2022 fast 150.000 Kilometer. Für Brasiliens Vinicius Junior, der für Real Madrid spielt, rechnet die Studie sogar mit mehr als 200.000 Kilometern.

Termin im Winter wurde Interessenvertretern finanziell versüßt

Die Spieler profitieren von der WM. Ihr Marktwert kann durch eine Teilnahme steigen, zudem gibt es Prämien zu verdienen. Allerdings liegt der Termin für sie und alle anderen Beteiligten ungünstig. Die nationalen Ligen und die Klubs müssen ihre Saison ungewohnt unterbrechen. Die WM, die die FIFA für den Sommer 2022 ausgeschrieben hatte, war aus klimatischen Bedingungen im Sommer 2022 nicht durchführbar.

Dass dem ungewohnten Termin im November und Dezember zugestimmt wurde, lag auch am Geld. Im März 2015 beschloss die FIFA, die Abstellungsgebühren an die Klubs für die WM 2018 und die WM 2022 im Vergleich zur WM 2014 zu verdreifachen. Dieses Geld fließt für Spieler, die zur WM fahren. Kurz zuvor war die Verlegung des Turniers bekannt gegeben worden. Georg Pangl, früher Chef der österreichischen Bundesliga und bis Ende 2019 Generalsekretär des europäischen Ligenverbands sieht darin einen klaren Zusammenhang. "Termin gegen Kohle. Für die großen Vereine wieder mal ein schlaues Geschäft", sagte er der Sportschau.

Abstellungsgebühren der FIFA an die Klubs (in US-Dollar)
Turnier Betrag
WM 2010 40 Mio.
WM 2014 70 Mio.
WM 2018 209 Mio.
WM 2022 209 Mio.

FIFPRO: "Alle sollten ihre Prioritäten neu ausrichten"

Kaum ein Mitspracherecht hatten Spieler und ihre Vertreter. Sie sollen nun aber funktionieren. FIFPRO-Berater Darren Burgess spricht in der Mitteilung der Gewerkschaft von einem "wirklich hohen Verletzungsrisiko". Das gilt vor allem für die Spitzenspieler, die die Endphase des Turniers erreichen werden.

Simon Colosimo, stellvertretender Generalsekretär der FIFPRO, schränkte allerdings trotz der Belastungen ein: "Ich habe keinen Zweifel, dass jedes Team trotz der herausfordernden Umstände eine großartige Show bei der WM abliefern wird." Künftig sollten jedoch alle Interessengruppen des Profifußballs ihre Prioritäten neu ausrichten, um sicherzustellen, "dass die Spieler in Schlüsselmomenten ihrer Karriere Höchstleistungen erbringen können".