Die "One Love"-Kapitänsbinde am Arm von Joshua Kimmich

Nach Verbot für Dänemarks Slogan FIFA lässt Umgang mit "One Love"-Binde bei der WM 2022 offen

Stand: 12.11.2022 12:28 Uhr

Die FIFA hat Dänemark bei der WM 2022 in Katar den Slogan "Menschenrechte für alle" als politische Botschaft verboten. Was mit der Kapitänsbinde des deutschen Teams passiert, lässt sie offen.

Dänemark wollte bei der WM 2022 in Katar den Slogan "Menschenrechte für alle" auf seinen Trainingsshirts tragen - der Weltverband FIFA verbot das, nach dänischen Angaben mit Verweis auf das Verbot von politischen Botschaften. Nach Informationen der Sportschau haben mehrere Nationalverbände bei der FIFA ähnliche Anfragen wie Dänemark gestellt. Der Weltverband lehnte sie allesamt ab und verwies auf eine Gleichbehandlung.

Offen ließ die FIFA bislang, wie sie mit der "One Love"-Kapitänsbinde umgehen wird, die Deutschlands Kapitän Manuel Neuer und die Spielführer von sieben weiteren Teams in Katar tragen wollen. Der DFB hatte sich mit den Verbänden von England, der Niederlande, Belgien, Schweiz, Wales, Frankreich und Dänemark auf die Kapitänsbinde als gemeinsames Zeichen geeinigt. Der Weltverband kündigt nun eine Entscheidung an.

FIFA will dem DFB "zu gegebener Zeit" antworten

"Die FIFA bestätigt, dass sie Anfragen von Mitgliedsverbänden in Bezug auf die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft Katar 2022 erhalten hat und zu gegebener Zeit darauf antworten wird", sagte ein Sprecher der FIFA auf eine Anfrage der Sportschau zu den Kapitänsbinden. Das Turnier beginnt am Sonntag (20.11.2022).

Es steht die Frage im Raum, ob die FIFA die Kapitänsbinde wie die geplante dänische Trainingskleidung als politisches Zeichen erachtet.

Politische Botschaften sind auch auf der Unterwäsche verboten

Die FIFA berief sich in ihrer Entscheidung zur dänischen Trainingskleidung auf ihr eigenes Reglement, das jegliche "politische Botschaften" auf Teamkleidung verbietet. Auch die allgemeinen Spielregeln des Fußballs verbieten das - sogar auf der Unterwäsche. Die Definition von "politisch" bleibt damit der Streitpunkt.

"Wir sind der Meinung, dass die Botschaft 'Menschenrechte für alle' universell und kein politischer Aufruf ist", sagte Jakob Jensen, Geschäftsführer des dänischen Verbands, im Sender Dänischer Rundfunk zu dem Verbot der dänischen Trainingskleidung.

DFB: "Fester Wille, die Binde zu tragen"

Der DFB bestätigte, dass die FIFA die Anfrage der europäischen Verbände zu den "One Love"-Kapitänsbinden noch nicht beantwortet habe. "Alle beteiligten europäischen Verbände haben den festen Willen, die Binde zu tragen", teilte der DFB auf Anfrage der Sportschau mit. Mehrere andere der beteiligten Verbände äußerten sich ähnlich.

Dänemarks Geschäftsführer Jensen sagte im Dänischen Rundfunk, dass sein Verband "nach wie vor zu der Binde steht". Der Verband aus Wales teilte dem Portal The Athletic mit: "Wir unterstützen die One Love-Kampagne voll und ganz und werden die Armbinde tragen, obwohl wir diesbezüglich keine Antwort von der FIFA erhalten haben." Ein Sprecher des niederländischen Verbands KNVB sagte dem Sender ESPN: "Wir haben uns entschieden, die Binde zu tragen. Sollte es zu einer Geldstrafe kommen, dann bezahlen wir sie."

Am 21. November sind England, Wales und die Niederlande im Einsatz. Die Niederlande spielt in einer Gruppe mit Gastgeber Katar, für Deutschland beginnt die WM am 23. November mit dem Spiel gegen Japan.

Mögliche Konsequenzen bleiben ungewiss

Welche Konsequenzen möglich sind, bleibt zunächst ungewiss. Es obliegt im Ernstfall den Rechtsorganen der FIFA, politische Botschaften als solche zu definieren und zu sanktionieren.

Die Kapitänsbinde könnte andererseits als schlichter Verstoß gegen einen anderen Artikel der WM-Regeln erachtet werden, nach dem die Kapitänsbinden aller Teams grundsätzlich von der FIFA gestellt werden. In den Ausrüstungsregularien heißt es: "Bei FIFA-Endrunden müssen die Kapitäne jedes Teams die Kapitänsbinden tragen, die von der FIFA bereitgestellt werden." Bei der WM 2018 in Russland trug Manuel Neuer die FIFA-Binde mit der Aufschrift "Living Football".

"Living Football" - Manuel Neuers Kapitänsbinde bei der WM 2018

"Living Football" - Manuel Neuers Kapitänsbinde bei der WM 2018

"One Love" - eine Aktion aus den Niederlanden

Die Kampagne "One Love" geht auf den niederländischen Verband zurück. Sie wurde 2020 ins Leben gerufen, nachdem der Spieler Ahmad Mendes Moreira während eines Spiels seines Klubs Excelsior Rotterdam beim FC Den Bosch im November 2019 rassistisch beleidigt worden war.

Der DFB wurde mehrfach kritisiert, nicht die Regenbogenbinde zur Unterstützung von Homosexuellen zu tragen. Die Aktion richtet sich nicht speziell gegen die Diskriminierung von Menschen aus der LGBTQIA+-Community, sondern gegen Diskriminierung im Allgemeinen.

In den Niederlanden wurde in der Ehrendivision Ende Oktober ein Aktionsspieltag mit der Binde abgesagt, weil die Kapitäne von Feyenoord Rotterdam und von Excelsior Rotterdam das Motiv ablehnten. "Ich bin mir der Wichtigkeit dieser Aktion vollkommen bewusst, aber wegen meines Glaubens sehe ich mich nicht als die richtige Person, um diese zu unterstützen", teilte Feyenoords Orkun Kökcü mit.

DFB: Weitere Aktionen in Katar derzeit nicht geplant

Über die Kapitänsbinde hinaus sind in Katar zunächst keine weiteren Aktionen von deutscher Seite geplant.

"Die beteiligten Verbände haben entschieden, ihre Kraft zu bündeln und ein gemeinsames starkes Zeichen aus Europa zu setzen. Das ist mit der One-Love-Binde geschehen", teilte der DFB mit: "Für die deutsche Nationalmannschaft steht vor Ort natürlich der Sport im Mittelpunkt. Der DFB und die Mannschaft haben sich bereits sehr deutlich zur Einhaltung der Menschenrechte bekannt und werden dies auch weiterhin tun."

Katar seit der Vergabe 2010 in der Kritik

Katar steht seit der Vergabe des Turniers durch das FIFA-Exekutivkomitee 2010 in mehrfacher Hinsicht in der Kritik. Dabei geht es um die Ausbeutung von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern, die Kriminalisierung von Homosexualität, fehlende Frauenrechte und um die von der US-Justiz festgestellte Korruption bei der Vergabe des Turniers 2010.