Japans Nationalspielerinnen haben sich in einem Kreis aufgestellt.

Gegen Spanien um den Gruppensieg Japans "Nadeshiko" ist plötzlich ein WM-Titelkandidat

Stand: 31.07.2023 07:54 Uhr

Spanien und Japan dominieren bei der Frauen-WM 2023 die Vorrundengruppe C. Im direkten Duell heute (31.07.2023, 9 Uhr MESZ, im Live-Ticker auf sportschau.de) geht's um Platz eins im Tableau - und um eine Botschaft an die Konkurrenz.

Die Bilanzen sprechen für sich: Spanien und Japan dominieren ihre Vorrundengruppe C bei der WM der Frauen bisher derart eindeutig, dass es beinahe schon langweilig ist. Beide Teams schlugen das enttäuschende Sambia jeweils mit 5:0, gegen Costa Rica gelang "La Roja" beim 3:0 ein Tor mehr als der "Nadeshiko" beim 2:0. Heißt: Im Duell um den Gruppensieg reicht Spanien aufgrund des besseren Torverhältnisses gegenüber Japan nun ein Remis, um auf Platz eins ins WM-Achtelfinale einzuziehen.

"Nachlässig geworden"

"Nach dem 2:0 sind wir nachlässig geworden und haben viel zu sehr das Tempo gedrosselt", mäkelte Spaniens Trainer Jorge Vilda zuletzt über die "nur" fünf Treffer seines Teams gegen Sambia. Es sei erheblich mehr drin gewesen, befand Vilda. Sein Team wird seit Wochen als einer der Kandidaten gehandelt, die das WM-Turnier durchaus gewinnen könnten. Spielerisch macht den Spanierinnen kaum ein Konkurrent etwas vor - an der Konsequenz und Wehrhaftigkeit gegen starke Konkurrenten mangelt es bisweilen.

Etwas anders sieht die Sache bei Japan aus. Das Team, das durchaus "runderneuert" in Down Under auftauchte, ist so etwas wie das "Trojanische Pferd" im WM-Teilnehmerfeld. Kaum jemand weiß so wirklich, was drinsteckt.

Saki Kumagai ist Kapitänin und Anführerin

Natürlich: Man kennt Spielerinnen wie Saki Kumagai, die 32-jährige Kapitänin der Auswahl. Die Mittelfeldspielerin hat viel Erfahrung, wechselte jüngst nach zwei Jahren beim FC Bayern München zu AS Rom.

Sie führt das Team an und hat ihren zumeist jungen Kolleginnen nach einer deftigen 0:4-Testspielpleite gegen England im vergangenen November die Leviten gelesen. "Es reicht nicht, wenn ihr zufrieden damit seid, es in die Nationalmannschaft geschafft zu haben", sprach sie in einer teaminternen Krisensitzung. Sie forderte von ihren jungen Kolleginnen im Hinblick auf das WM-Jahr: "Holt das Beste aus euch heraus, damit wir gewinnen können!"

Bei der WM 2015 belegte die "Nadeshiko" 2015 den zweiten Platz. 2019 schaffte sie es dann nicht, in die Runde der letzten Acht vorzudringen. Bei den Olympischen Spielen 2012 musste sich der Weltmeister von 2011 mit Silber begnügen, für die Spiele 2016 misslang die Qualifikation. Die Enttäuschung setzte sich fort: Bei den Olympischen Spielen im heimischen Tokio 2021 schaffte man es nicht unter die letzten Vier.

Diesmal scheint viel mehr möglich. Das japanische Team glänzt mit einer ebenso klar erkennbaren wie ertragreichen Taktik: Die "Nadeshiko" steht extrem stabil in der Abwehr und hebelt die Gegner mit überfallartigen Konterangriffen bisher sehenswert aus den Angeln. Grundlage dieses Spiels ist die überragende Technik jeder Einzelnen.

Japan benötigte bislang nie irgendwelche ziellosen Befreiungsschläge, um sich aus brenzligen Situationen zu lösen. Es wurde alles spielerisch elegant mit flachen, scharfen Pässen gemanagt - die Gegnerinnen wurden regelrecht filetiert.

Aoba Fujino ist nicht zu halten

Es sind einige erfahrene Stürmerinnen im Team, dazu kommt die erst 19-jährige Aoba Fujino, die bislang überhaupt nicht zu halten war. Sie traf schon selbst, glänzt vor allem aber als Vorbereiterin über die beiden Außenseiten. Sie erweist sich als schnell, technisch stark und beidfüßig ausgebildet. Sowohl über rechts wie über links: Ihre Flankenläufe sind ein echter Faktor.

Japans Spielerinnen bejubeln einen Treffer.

Bisher hat Japan bei der WM viel Grund zum jubeln.

Japan mit großem Selbstbewusstsein

Der bisherige Auftritt hat die traditionell so bescheiden daherkommenden japanischen Akteurinnen durchaus selbstbewusst gemacht. "Unsere Vorbereitung hat sich auf dem Feld gezeigt. Wir haben eine gute Verteidigung, wir haben den anderen Mannschaften bisher gar keine Entfaltungsmöglichkeuten gegeben", analysierte Mittelfeldspielerin Hikaru Naomoto gegenüber der japanischen Tageszeitung "Asahi Shimbun" sehr richtig. Sie findet: "Weil wir eine gute Verteidigung haben, können wir offensiv mehr spielen."

Offensive glänzt mit Torgefahr

Japan erzielte bei der WM 2019 in Frankreich nur drei Tore in vier Spielen und schied im Achtelfinale gegen die Niederlande aus. In Neuseeland ist das bisher ganz anders: Sieben Treffer in zwei Partien sprechen eine deutliche Sprache.

Dabei ist das Team so jung wie nie zuvor bei einem großen Turnier. "Es gibt einige Spieler, die zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft dabei sind. Aber sie sind so energiegeladen und frisch - das macht mich so glücklich", sagt Japans Trainer Futoshi Ikeda. Er frohlockt: "Das Team arbeitet als eine Einheit zusammen. Diese Einigkeit ist eine Stärke Japans."

U20-Auswahl lieferte den gesuchten Nachwuchs

Fast ein Dutzend der Spielerinnen stammt aus dem U20-Kader Japans, mit dem Trainer Ikeda in der Vergangenheit große Erfolge feierte. 2018 wurde Japan unter dem jetzigen A-Coach U20-Weltmeister, vier Jahre später unterlag das Nachwuchsteam erst im Finale Spanien. Über die Hälfte des WM-Kaders spielt noch in der japanischen "WE-League", die in den vergangenen Jahren einen gewaltigen Leistungssprung gemacht hat.

Einziges "Problem" der japanischen Auswahl: Sie hat körperliche Defizite gegenüber der Top-Konkurrenz, denn die Spielerinnen sind nicht die Größten. Das ist natürlich auch dem Coach bewusst: "Natürlich ist es wichtig, sportliche Spieler zu entwickeln, die schnell und groß sind“, räumt Ikeda ein. 

"Eigene Stärken nutzen"

Er findet aber: "Es geht nicht nur darum, schnell und groß zu sein, sondern es geht auch um Beweglichkeit, die meiner Meinung nach eine der Stärken japanischer Spieler ist. Deshalb möchte ich die Stärke, die wir haben, nutzen."

Bisher gelingt das ganz famos. Umso spannender wird es zu beobachten sein, wie sich Japans Newcomerinnen gegen ein arriviertes und spielerisch ebenso starkes Spanien verkaufen können. Sie könnten mit einem weiteren Erfolg ein ernsthaftes Zeichen auch an die restliche Konkurrenz senden.

Fakten zum Spiel

- Spiele gegeneinander: 2 (2 Siege Spanien)

- FIFA-Ranking: Japan Platz 11 / Spanien Platz 6

- Beste WM-Platzierung: Japan - Weltmeister 2011 / Spanien - Achtelfinale 2019

- Fun Fact: Langeweile in der neuseeländischen Provinz: Spaniens Team hat seine Teambasis Palmerton North (100.000 Einwohner) frühzeitig verlassen und ist in die Hauptstadt Wellington übergesiedelt. "Der Mangel an Aktivitäten in der Gegend" habe seinen Tribut gefordert, verlautete es diplomatisch aus spanischen Teamkreisen.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau FIFA Frauen WM | 02.08.2023 | 08:35 Uhr