Fußball | DFB DFB hält Beschluss der Ethikkommission zu Koch zurück

Stand: 10.12.2021 18:25 Uhr

Der Deutsche Fußball-Bund ist um eine Affäre reicher. Mitglieder der Ethikkammer werfen dem Verband vor, wichtige Teile eines Beschlusses der Ethikkommission verheimlicht zu haben. Dadurch gerät Interimspräsident Rainer Koch wieder unter Druck.

Die Mitteilung bestand aus nur einem, wenn auch langen Satz. Sie wurde früh am Donnerstag (09.12.2021) auf der Homepage des DFB veröffentlicht und hat zum Kern: Ein Verfahren der Ethikkommission gegen Rainer Koch ist eingestellt worden.

Dies, so die Mitteilung, sei schon am 23. November geschehen. Das wirft die Frage auf, warum es erst mit gut zwei Wochen Verspätung kommuniziert wurde.

"Unethisches Verhalten"

Am Freitagmittag (10.12.2021) ergab sich jedoch eine viel wichtigere Frage, die den krisenerprobten DFB um eine Affäre reicher macht und besonders Koch unter Druck setzt.

Die Mitglieder, die an der Entscheidung der Ethikkammer des DFB-Sportgerichts beteiligt waren, verschickten eine mit ihren Namen unterzeichnete Mitteilung an die Sportschau und wenige andere Medien, die Zündstoff enthält. Demnach verheimlichte der DFB in seiner Veröffentlichung einen der Kammer wichtigen Zusatz des Beschlusses. Sie hatte in dem Verfahren ein "unethisches Verhalten" Kochs festgestellt, das im Wiederholungsfall zu einer Anklage durch die Ethikkommission bei der Ethikkammer des DFB führen könnte.

"Die oben genannten Mitglieder der Ethikkammer des DFB-Sportgerichts haben als zuständige Ethikkammer der Einstellung des Verfahrens gegen den 1. Vizepräsidenten des DFB, Dr. Rainer Koch, durch die Ethikkommission zugestimmt, allerdings mit der Maßgabe, dass Dr. Rainer Koch ein Hinweis erteilt wird, dass das festgestellte Verhalten unethisch gewesen ist und im Wiederholungsfall eine Anklageerhebung erfolgen kann. Diese Zustimmung erfolgte mit ausführlicher Begründung am 01.11.2021", heißt es wörtlich in der Erklärung von Dr. Holger Schindler als Vorsitzendem der für das Verfahren zuständigen Ethikkammer und den Beisitzern Dr. Wolfgang Otten und Michael Emde.

Zustimmung nur unter Maßgabe eines zusätzlichen Hinweises

Die Kommission ist vergleichbar mit einer Staatsanwaltschaft, die Kammer ähnelt einem Gericht. Die Statuten sehen vor, dass die Kammer einem Einstellungsbeschluss der Kommission zustimmen muss. Dies tat sie in dem vorliegenden Fall, weil sich Koch nichts strafrechtlich Relevantes habe zuschulden kommen lassen, allerdings unter der Maßgabe, dass die Öffentlichkeit von dem festgestellten "unethischen Verhalten" und dem "Mangel an Respekt" Kochs erfährt.

Nach Informationen der Sportschau bat die Kammer, in der sich einige Mitglieder für befangen gehalten hatten, schon Anfang November den DFB, den Beschluss auch so zu kommunizieren. Das passierte aber erst am 9. Dezember, und nach Angaben der drei Mitglieder auch nicht in der von ihnen geforderten Form.

Der DFB teilte auf Anfrage der Sportschau im Namen der Ethik-Kommission mit: "Die Meldung der Ethik-Kommission, die für das Verfahren zuständig war, wurde von der Ethik-Kommission zur Veröffentlichung an die DFB-Kommunikation gegeben und im Namen der Ethik-Kommission vollständig und unverändert auf der DFB-Webseite veröffentlich." Ferner heißt es: "Es sei darauf hingewiesen, dass die Ethik-Kommission den Hinweis auf ein unethisches Verhalten in einem Anschreiben an Herrn Dr. Koch erteilt hat. Unzutreffend ist allerdings die Darstellung der Ethikkammer, dass die Öffentlichkeit davon zu informieren gewesen wäre. Die Ethikkammer hat dies in ihrer Entscheidung nicht vorgegeben."

Anzeige der Fraueninitiative "Fußball kann mehr"

So sauber, wie der Verband es in seinem dürren Statement auf seiner Webseite beschrieben hatte, ist Koch jedenfalls nicht aus dem Verfahren gekommen, das auf eine Anzeige von acht Vertreterinnen der Initiative "Fußball kann mehr" zurückgeht.

Eine der Frauen aus der Initiative, die Reformen beim DFB anmahnt, ist Bibiana Steinhaus-Webb. Die frühere Schiedsrichterin war im Frühjahr zu einem von Koch mit einem Journalisten der "Sport-Bild"  geführten Telefonat geschaltet worden. Koch, das gab er in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zu, habe Steinhaus-Webb während des Telefonats aufgefordert, eine Erklärung abzugeben, dass er sie nicht dazu gedrängt habe, die Fraueninitiave zu verlassen.

Steinhaus-Webb, die nach ihrer Zeit als Schiedsrichterin noch als Videoassistentin eingesetzt wurde, inzwischen aber den DFB verließ, äußerte sich bislang nie explizit zu der Angelegenheit. In der Erklärung der Kammermitglieder heißt es: "Wegen der von Herrn Dr. Koch mit Schreiben vom 20.06.2021 gegenüber Frau Steinhaus-Webb erklärten Entschuldigung sowie der Tatsache, dass auch Frau Steinhaus-Webb die Angelegenheit als erledigt betrachte, könne einer Verfahrenseinstellung zugestimmt werden; die Art und Weise der Gesprächseinbindung von Frau Steinhaus-Webb stelle allerdings unethisches Verhalten dar. Das habe im Tenor der Einstellungsentscheidung seinen Ausdruck zu finden."

Strippenzieher mal wieder in Bedrängnis

Dass die Mitglieder der Ethikkammer mit dem heftigen Vorwurf der Vertuschung an die Öffentlichkeit gehen, ist ein bemerkenswerter Vorgang. Er rückt wieder mal Rainer Koch in den Blickpunkt, der als Strippenzieher gilt und sich vor allem auf den Rückhalt der Amateure stützen kann.

Zwar kündigte der 62 Jahre alte Jurist an, am 11. März 2022 nicht mehr als 1. Vizepräsident Amateure beim Bundestag des DFB zu kandidieren, aber Teil des Verbandspräsidiums wird er schon allein bleiben, weil er Präsident des Süddeutschen Fußball-Verbandes (SFV) ist. Koch gehört dem Präsidium des DFB seit 2007 an, seit 2020 sitzt er im Exekutivkomitee des europäischen Verbandes UEFA.

Neubesetzung der Ethikkommission

Ihm wird seit Jahren vorgeworfen, hinter den Kulissen für Strukturen und Personal zu sorgen, das in seinem Sinn entscheidet. Auch bei der Neubesetzung der Ethikkommission, die im Sommer 2021 erfolgte, soll er maßgeblich beteiligt gewesen sein.

In den vergangenen Monaten nach dem Rücktritt von DFB-Präsident Fritz Keller gab es Anzeichen dafür, dass Koch aus einigen der 21 Landesverbänden Gegenwind erhält. Dokumentiert ist sogar eine Abstimmung, bei der ihm nur das Vertrauen ausgesprochen wurde, weil er die Stimmen der von ihm geführten Verbände (Bayerischer Fußball-Verband und SFV als einer von fünf Regionalverbänden) erhielt.

Am Donnerstag gab der DFB auch bekannt, dass sämtliche Landespräsidenten sich bei einer Enthaltung für eine Kandidatur Bernd Neuendorfs zum DFB-Präsidenten ausgesprochen hätte. Der Präsident des Fußballverbandes Mittelrhein und ehemalige Politiker der SPD gilt als Kochs Mann.

Nachdem zuvor von der Einstellung des Verfahrens berichtet worden war, schien es ein guter Tag für Rainer Koch zu sein. Bei den Mitgliedern der Ethikkammer schlummerte allerdings schon eine Mail.