Fußball | Bundesliga Gladbachs Torhüter Yann Sommer - klein hält gut

Stand: 04.05.2022 10:26 Uhr

Yann Sommer ist der kleinste Stammtorhüter in der Bundesliga - und einer der besten. Vom Missverständnis, dass gute Keeper groß sein müssen.

"Ich bin ja nicht klein", sagt Yann Sommer. Er misst 1,83 Meter. "Aber unter den Torhütern in der Liga bin ich der kleinste." Im Schnitt messen die Stammkeeper in der Bundesliga 1,91 Meter. Aber müssten Torhüter nicht alle groß sein, um den Ball mit dem letzten bisschen Fingerspitze noch um den Pfosten drehen zu können? Sommer ist der Gegenbeweis.

"Wir reden hier von einem sehr guten Gesamtpaket", sagt Uwe Kamps. Der Torwart-Trainer ist eine Institution in Gladbach. Als Torhüter absolvierte er zwischen 1983 und 2004 518 Spiele für den Klub. Mit 1,80 Metern war Kamps selbst ein kleiner Keeper. Er kennt die Diskussion um die Körpergröße.

Einer der Weltbesten im Abkippen

Die Zentimeter seien aber nicht entscheidend. Spielaufbau, Torverteidigung, Eins-Gegen-eins-Situationen und Raumverteidigung, zählt Kamps auf, wer das beherrsche, liefere einfach ein sehr gutes Gesamtpaket.

Zu Yann Sommer fällt ihm eine ganze Batterie an Stärken ein: "Offensives Positionsspiel, Raumverteidigung, Reaktionsschnelligkeit, Beweglichkeit, Power, Sprungkraft, und er kann mit dem Ball am Fuß umgehen. Da hat ja kein Gegner Bock anzulaufen." Und im Abkippen, wenn man das Bein schnell wegzieht und abtaucht, sei Sommer einer der Weltbesten.

Statistik spricht für Sommer

Dass die Größe nicht entscheidend ist, zeigt ein Blick auf die Statistik. Sommer hat in dieser Saison zwölf Glanzparaden gezeigt, nur der Bochumer Manuel Riemann hat eine mehr auf dem Konto. Von 52 Großchancen hat Sommer starke 15 vereitelt, mit einer Quote von 29 Prozent liegt er über dem Ligaschnitt von 22 Prozent.

Trotzdem setzen die Klubs überwiegend auf große Keeper. Manuel Neuer (Bayern München/1,93 Meter), Mark Flekken (SC Freiburg/1,95 Meter), Gregor Kobel (Borussia Dortmund/1,95 Meter) sind als einige Beispiele zu nennen.

Historie: Nicht immer große Torhüter in der Bundesliga

Das war nicht immer so: Uwe Kamps erinnert sich an die 70er und 80er, als er angefangen hat, Fußball zu spielen. "Ich habe extra nochmal nachgeguckt, da waren mehrere eher kleinere Torhüter dabei." Zum Beispiel Gerhard Heinze. Von den 60ern bis 80ern stand er beim VfB Stuttgart und dem MSV Duisburg im Tor. Körpergröße: 1,76 Meter. Oder Gerry Ehrmann (1. FC Kaiserlautern/1,84 Meter), Dieter Burdenski (SV Werder Bremen/1,81 Meter) oder Ulrich Stein (Hamburger SV/1,86 Meter).

Die Liste von Keepern unter 1,90 Meter lässt sich fortführen. Dass sich der Fokus auf die Körpergröße veränderte, bemerkte Kamps in den 90ern. In dem Jahrzehnt, in dem der 1988 geborene Sommer anfing, Fußball zu spielen.

Knackpunkt Körpergröße in der Jugend

Der erste Knackpunkt in Sachen Körpergröße kommt in der Jugend. "Wenn in der Jugend von kleinen auf große Tore gewechselt wird, dann bekommen große Torhüter oft den Vorzug", sagt Kamps. In der Jugend ist die Spielzeit oft entscheidend, um sich für die nächste Altersklasse in einem Nachwuchsleistungszentrum zu empfehlen. Wer nicht spielt, hat schlechtere Chancen.

Sommer ist durch kein Raster gefallen. "Als junger Torwart habe ich oft gehört, dass die Körpergröße für mich ein Problem sein könnte", sagt er. Aber seine Trainer hätten mehr Wert auf Leistung, Entwicklung und andere Stärken gelegt.

Bald wieder mehr kleine Torhüter in der Bundesliga?

Neben Yann Sommer fallen in der Fußball-Bundesliga auch Manuel Riemann (VfL Bochum/1,85 Meter) und Stefan Ortega (Arminia Bielefeld/1,85 Meter) auf. Alle drei halten überdurchschnittlich viele Schüsse auf ihr Tor, sind im Ranking in dieser Spielzeit in den Top fünf.

Geht die Tür also wieder für kleinere Keeper auf? "Aus der Erfahrung heraus weiß ich, dass Cheftrainer dazu neigen, eher größere Torhüter zu nehmen. Das ist ein Grundmodell, das in den Köpfen drin ist", sagt Kamps.

Borussia Mönchengladbach spielte dieses Grundmodell 2014 in die Karten. Der Verein bekam den Zuschlag für Sommer. "Ich glaube, das war ein erheblicher Grund, dass wir ihn damals bekommen konnten", sagt Kamps.

Der Vertrag von Sommer läuft im nächsten Jahr aus. Längst ist er auch für andere Vereine interessant. Die Befürchtung potenzieller neuerer Arbeitgeber, er sei zu klein, hat Sommer in den vergangenen Jahren eindrucksvoll widerlegt.