Julian Brandt von Borussia Dortmund dribbelt gegen Anton Stach von der TSG Hoffenheim.

Borussia Dortmund vor Topspiel Julian Brandt - Unterschiedsspieler mit Risikofaktor

Stand: 03.11.2023 08:28 Uhr

Julian Brandt ist bei Borussia Dortmund immer noch oft als "Bruder Leichtfuß" unterwegs. Trotzdem braucht es so einen im Topspiel gegen Bayern München.

Erst kürzlich hat es sich wieder so angehört, als rede Edin Terzic über einen seiner jungen Spieler. Dabei war im schwarz getünchten Presseraum der Frankfurter Arena am vergangenen Sonntag (29.20.2023) doch Julian Brandt gemeint, der dem Talente-Status eigentlich entwachsen sein müsste.

"So haben wir in der Vergangenheit häufiger Bälle verloren. Das ist etwas, was wir abstellen wollen, was wir lange abgestellt haben, und was wir auch wieder abstellen werden", betonte der Trainer von Borussia Dortmund im strengen Tonfall. Gemeint war ein 27-Jahre alter Nationalspieler, der im Topspiel gegen den FC Bayern München (Samstag 18.30 Uhr im Audio-Livestream) wohl seine 302. Bundesligapartie bestreitet.

BVB gegen Bayern - immer wieder ein Spektakel

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In Frankfurt gab es einen Anpfiff von Mats Hummels

Dortmunds Edeltechniker stand exemplarisch am letzten Oktober-Sonntag für das Wechselbad der Gefühle im Frankfurt Stadtwald, wo sich die Westfalen einen Schlagabtausch mit offenem Visier lieferten. Mittendrin in den finalen Pointen bei den Hessen eben Brandt: Zunächst leitete eine sehr lässige Hackenablage - direkt in die Füße des Gegners - den Gegentreffer zum 2:3 durch Farès Chaïbi ein, dann aber sprintete er voll durch, um nach Solo von Karim Adeyemi den Ball mit der Fußspitze clever zum 3:3 über die Linie zu drücken.

Nach Schlusspfiff wirkte Brandt nicht wirklich zufrieden, hatte er doch allzu leichtfertig die Balance verloren. Der Ärger in den eigenen Reihen war gewaltig: Mats Hummels schimpfte wie ein Rohrspatz und drückte seinen Ärger über den Mitspieler auch dadurch aus, dass der Abwehrchef Brandts Absatzkick imitierte. Genie und Wahnsinn sollen eigentlich nicht mehr in loser Folge wechseln, wenn die Schwarz-Gelben endlich Titel gewinnen wollen.

Mehr Seriosität steht auf seiner Agenda

Mehr Seriosität hatte sich Brandt selbst auf die Agenda geschrieben, als er seinen Vertrag beim BVB im Frühjahr dieses Jahres verlängerte. Sein offizielles Statement zum Bekenntnis, bis 2026 in Dortmund zu unterschreiben, lautete: "Ich habe auch nach vier Jahren noch an jedem einzelnen Tag großen Spaß daran, Teil genau dieser Mannschaft zu sein, für diesen hochemotionalen Klub mit seinen außergewöhnlichen Fans Fußball zu spielen."

Er gehört eigentlich auch zu der Kategorie Kicker, für die Leute ins Stadion kommen. Im Januar und Februar war er schon "Spieler des Monats" bei der DFL; immer wieder erstaunen seine Ballfertigkeit und sein Spielverständnis. Und: Brandt war zuletzt in acht Bundesliga-Spielen in Serie an einem Treffer beteiligt. Das hatte zuletzt nur Erling Haaland geschafft.

Die Nummer 19 ist kraft seiner fußballerischen Begabung jemand, der eigentlich immer den Unterschied ausmachen kann. Auch jetzt beim Duell gegen den Rekordmeister. Ohne Überraschungsmomente wird auf dem Niveau wenig gehen.

Denn wie sagt Sportdirektor Sebastian Kehl: "Sein Gespür für gefährliche Situationen auf dem Rasen, gepaart mit seinen technischen Fähigkeiten und seiner Kreativität, machen ihn zu einem wertvollen Teil unseres Kaders." Von den Anlagen schwärmten sie schon früher beim VfL Wolfsburg, die den gebürtigen Bremer mit 15 Jahren in die Autostadt holten, weil dem SV Werder dieser begabte Blondschopf, der bis dahin nur bei den Stadtteilvereinen SC Borgfeld und FC Oberneuland kickte, irgendwie durchgerutscht war.

Bayer Leverkusen grätschte damals dem VfL Wolfsburg dazwischen

Die Ursachen sind nie ganz geklärt worden, zumal Vater Jürgen Brandt, ein glühender Verehrer der Grün-Weißen, früher sogar bis nach Lissabon fuhr, um 1992 als Fan das Europapokalendspiel von Werder Bremen gegen AS Monaco zu erleben. Fakt ist, dass Brandts Abstecher über die Autostadt der Entwicklung nicht abträglich war, doch ein anderer Werksklub schlug zu, um diesen Spieler in der Bundesliga rauszubringen.

Bayer Leverkusen grätschte nämlich dazwischen. Die Rheinländer legten offenbar nicht nur einen ausgeklügelten Karriereplan vor und vergleichsweise läppische 500.000 Euro Ablöse auf den Tisch, sondern zahlten offenbar auch satte sechssstellige Provisionen an den als Berater fungierenden Vater, wie später Dokumente der Enthüllungsplattform Football Leaks besagen sollten.

So mancher Trainer ist verzweifelt - auch Joachim Löw

Für Leverkusen lohnten sich die Investitionen in die Familie Brandt. Der Zauberfuß bildete mit seinem Kumpel Kai Havertz ein fulminantes Gespann, das an guten Tagen für beste Unterhaltung sorgte. Dass sie auch immer mal wieder abtauchten, nahm ihnen anfangs niemand krumm. 2019 zog Brandt zu Borussia Dortmund weiter. Damals war bei ihm ein Rekordmarktwert von 50 Millionen Euro taxiert, denn bei der WM 2018 hatte er für die in der Vorrunde gestrauchelte DFB-Auswahl immerhin drei Kurzeinsätze absolviert und als einer der wenigen Nationalspieler nicht enttäuscht.

Joachim Löw gab ihm zeitweise die Nummer 10, wollte ihn eigentlich zum Hoffnungsträger aufbauen, doch auf allerhöchster Ebene startete Brandt nicht durch. "Ich hatte viele Trainer, die ich maximal gebrochen habe", sagte er einmal. Der Ex-Bundestrainer Joachim Löw könnte gemeint sein, der den unsicheren Kantonisten nicht mit zur EM 2021 nahm. Und wer sich die Doku "All or nothing" nach der WM 2022 angesehen hat, bemerkte: Nicht pünktlich zur Besprechung erschien eben Julian Brandt, über den sich also auch der Ex-Bundestrainer Hansi Flick fürchterlich ärgerte. Nun ist Julian Nagelsmann am Ruder.

Spannend, ob ihn Julian Nagelsmann nominiert

Ein junger Fußballlehrer, der viel vom Offensivfußball hält, aber für die EM 2024 vor allem Nationalspieler braucht, die das Gleichgewicht halten. Er hat Brandt immerhin bei der USA-Reise mitgenommen - und im ersten Spiel gegen die US-Boys (3:1) für Leroy Sané eingewechselt. Danach gegen Mexiko (2:2) spielte der 45-fache Nationalspieler nicht.

Das nächste Aufgebot der Nationalelf für die Länderspiele gegen die Türkei und in Österreich wird am Freitag in einer Woche (10.11.2023) verkündet. Nagelsmann wird genau hinschauen, was im Spitzenspiel BVB gegen Bayern passiert. Und was Julian Brandt macht. Wieder Bruder Leichtfuß zu spielen, könnte nicht nur Edin Terzic erzürnen.