
Kölner Haie nach elf Jahren wieder im DEL-Finale Der "hailige" Mo und seine Leute
Nach elf langen Jahren des Wartens und Aushaltens stehen die Kölner Haie wieder in einer Finalserie um die deutsche Meisterschaft. Dem überraschenden Erfolg gegen Bremerhaven folgte ein unerwarteter Sieg über Ingolstadt. Die Haie gewannen jeweils im sechsten Spiel und werden von einem Kapitän angeführt, dem körperlicher Schmerz weniger ausmacht als der seelische: Moritz Müller.
Wüsste er von diesen Zeilen, die jetzt folgen, er würde augenblicklich ihre Löschung verlangen. Moritz Müller mag es nicht, aus einer Eishockey-Mannschaft herausgestellt zu werden, schon gar nicht mitten in den Playoffs. Doch der "ewige Mo", der seit bald 20 Jahren im Trikot der Kölner Haie einer Meisterschaft hinterherrennt, ist in diesen Aprilwochen zu einem leibhaftigen Synonym herangewachsen: für Widerstandskraft und Unerschütterlichkeit.
Leistungsträger mit 38 Jahren
Als Müller im letzten regulären Abschnitt der sechsten Halbfinal-Begegnung gegen Ingolstadt nach einem unglücklichen und nicht geahndeten Foul von Wojciech Stachowiak mit der ohnehin lädierten Schulter in die Bande gerutscht war, danach kaum mehr auf die Beine kam und sich anschließend minutenlang vor Schmerzen auf der Bank krümmte, da wurde es den Fans in der vollgestopften Halle bang ums Herz. Ohne den Kapitän, der sich mit seinen 38 Jahren in einer verblüffenden Verfassung befindet, würde es gegen diese rasante Truppe aus Ingolstadt vielleicht ein Ding der Unmöglichkeit werden, den Sieg davonzutragen.

Doch Moritz Müller, den alle Welt nur "Mo" nennen darf, kam ja zurück. Womöglich hatte ihn das Adrenalin zurück aufs Eis getrieben. Er hatte ja schon den wichtigen Anschlusstreffer zum 1:2 gemacht, war auch beim Ausgleich durch McLeod zumindest peripher beteiligt und wollte, nein musste, nun als Kapitän in diesem wogenden Playoff-Halbfinale an Deck bleiben.
Nach dem Spiel war Moritz Müller bemerkenswert ruhig. Er wusste ja, was die professionellen Frager von ihm wissen wollen würden. Sie würden sich nach seinem Drei-Punkte-Spiel erkundigen, nach seiner verletzten Schulter und einem Abend, den es in seiner brodelnden Bedingungslosigkeit in dieser Halle vielleicht noch nie gegeben hatte.
Also antwortete Mo Müller, den seine Fans längst in den Rang eines Eishockey-Heiligen erhoben haben, im Playoff-Stakkato: "Besonderer Abend…Großer Erfolg…Jetzt nicht aufhören…Froh, dass ich der Mannschaft helfen konnte…und nein: Keine Sorgen wegen der Schulter." Dass Müller dabei auf die Zähne biss, um seinen Schmerz zu verbergen, sei hier nur am Rande erwähnt. Denn Schmerzen oder Verletzungen gibt es während der Playoffs nur im Geheimen.
Vom Reporter zum Geschäftsführer
Ein paar Schritte weiter stand Philipp Walter, der Geschäftsführer der Haie, in dessen Ägide der KEC mit gezieltem, individualisiertem Marketing einen Zuschauerrekord nach dem anderen aufgestellt hat. Walter hat vor mehr als 20 Jahren die bislang letzte Meisterschaft der Kölner noch als Reporter am Mikrofon gefeiert. Er war dann viele Jahre Pressesprecher, wechselte in die Medien-Abteilung des SC Freiburg und kam schließlich als Geschäftsführer zurück an den Rhein.

"Wir können den Leuten endlich etwas zurückgeben", sagte Walter. "Die Fans haben so viel Zeit, Liebe, Geld, Leidenschaft und Nerven investiert. Rückschläge ausgehalten. Und jetzt können wir endlich was zurückgeben." Walters Erleichterung war förmlich in jedes Wort gestanzt. Damit ist die sportliche Misere des Vereins übrigens auch ziemlich gut zusammengefasst. Der Verein, den der ehemalige Bundes- und Haie-Trainer Hans Zach mal als "den FC Bayern des Eishockeys" beschrieben hat, musste eine sportliche Durststrecke von fast biblischem Ausmaß ertragen, um nun ein fast vergessenes Glücksgefühl zuzulassen.
Gegen Berlin wieder Außenseiter
Und nun also die Finalserie gegen die schier übermächtigen Berliner. Die Kölner sind wieder Außenseiter. Aber, wer sich gegen den Hauptrundenersten Ingolstadt und den Dritten aus Bremerhaven durchgesetzt hat, wird weiter voller Zutrauen auf die eigene Meisterschaft hoffen. Zumal mit Justin Schütz nun auch der Angreifer getroffen hat, dessen natürliche Unbekümmertheit in den vergangenen Wochen von tiefen Sorgenfalten aus dem Gesicht geschoben wurde.
Doch nun hat Justin Schütz, der im Sommer nach Mannheim wechseln wird, endlich sein erstes Playoff-Tor erzielt. Es war der Siegtreffer in der Verlängerung. Ein Konter. Schütz oder Torhüter Heljanko. Schütz traf durch die Beine des Schlussmannes, und danach musste die große Halle im Kölner Stadtteil Deutz ihre statische Wehrhaftigkeit beweisen.

Haie "ein unangenehmer Gegner"
Nun wird natürlich angeregt diskutiert. Über Chancen und Gefahren gegen diese unheimlichen Berliner. "Wir sind jetzt wieder Außenseiter", erklärt Justin Schütz. "Aber wir wissen, dass wir ein unangenehmer Gegner sind. Wir sind eine sehr strukturierte Mannschaft, haben immer einen super Matchplan und sind durch Coach Kari Jalonen super auf jeden Gegner eingestellt."
Vielleicht hat das lange Warten auf den neunten Meistertitel in Köln nun schon bald ein Ende. Vor 23 Jahren holte der KEC zuletzt diesen Pokal, der ein bisschen an den Henkelpott in der Champions League erinnert. Damals übrigens auch nach einem sechsten Platz in der Hauptrunde. All diese Gedanken und Erinnerungen haben jedenfalls jetzt ihren Platz in dieser erlebnishungrigen Eishockey-Stadt. Es ließe sich abschließend noch ein Wortspiel von zweifelhafter Güte, aber ziemlicher Genauigkeit anführen: Ganz Köln ist im Moment echt "hai".