Spritze vor dem Schriftzug Doping

Uni Saarland als Vorreiter Künstliche Intelligenz und der Anti-Doping-Kampf der Zukunft

Stand: 05.03.2024 10:00 Uhr

Oft weiß die Sportwelt durch komplexe Nachweisverfahren erst Monate oder Jahre später, ob Top-Leistungen auch wirklich ihren Ruhm verdient haben - oder ob Doping im Spiel war. Das könnte sich dank Künstlicher Intelligenz bald ändern, glauben Wissenschaftler aus dem Saarland.

Olympische Sommerspiele 2028 in Los Angeles, das Finale des 100-Meter-Laufes. Die schnellsten Männer der Welt treten gegeneinander an. Ein Showdown, ein Spektakel für das Publikum. Und wenn die Sprinter im Ziel sind, warten dort schon Kontrolleure mit Schnelltestgeräten auf sie und bitten zur sofortigen Dopingprobe. Schon bei der Medaillenvergabe ist dann so gut wie sicher, ob auf die Sportler nun ein rauschender Empfang in der Heimat wartet - oder eine Dopingsperre.

Das ist die Vision von Wolfgang Maaß, Professor an der Universität des Saarlandes. "Aktuell müssen Blut- und Urinproben erst von der Sportstätte zum Doping-Kontrolllabor geschickt werden. Erst dort können sie analysiert werden, und erst dann herrscht Klarheit darüber, wer wirklich die Medaillen gewonnen hat. Mit Doping-Schnelltests könnten wir den sauberen Sportlern schneller Gerechtigkeit zukommen lassen", sagt Maaß im Gespräch mit der ARD-Dopingredaktion.  

KI soll Tempo und Effizienz bringen

Maaß ist weder Sportwissenschaftler noch Biochemiker. Und eigentlich hat er von den Vorgängen im Körper beim Doping auch gar keine Ahnung, wie er selbst sagt. Maaß ist Wirtschaftsinformatiker und Leiter der Forschungsgruppe Smart Service Engineering am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz DFKI. Seine Kompetenz liegt in der Optimierung von Prozessen in Industrieunternehmen und im Gesundheitswesen - mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz.  

Vor einigen Jahren kam ihm die Idee, dass die Methoden, mit denen er für die Industrie arbeitet, auch im Sport anwendbar sein müssten - vor allem im Kampf gegen Doping, wenn unzählige Daten erhoben werden. So soll die Jagd auf Betrüger schneller und effizienter werden. "Das wird nicht anders gehen als mit Künstlicher Intelligenz", sagt Maaß. 

"Nur Zahlen, mehr nicht"

Mit einem kleinen Stab an Wissenschaftlichen Mitarbeitern füttert er KI-Modelle mit Werten aus positiven und negativen Dopingproben. Die anonymisierten Daten stammen aus klinischen Studien der Universität Kopenhagen und vom Kölner Institut für Biochemie. 

"Wir bekommen nur Zahlen, mehr nicht", erklärt Maaß. Dennoch, so ganz ohne Grundkenntnisse in Biochemie geht es dann doch nicht. Die Informatiker nutzen die Werte bestimmter Biomarker, also veränderlicher Kennwerte in Blut oder Urin, die routinemäßig bei jeder Probe erfasst werden. Die KI-Modelle vergleichen diese Werte, durchleuchten alle möglichen Verknüpfungen, suchen Zusammenhänge und schließlich kleinste Abweichungen, die auf Doping hindeuten. Mit Hilfe maschineller Lernmethoden - Deep Learning - bringen die Forscher den Systemen bei, Muster zu erstellen und somit Doping immer treffsicherer zu erkennen.

Am Ende steht nicht etwa eine positive oder negative Dopingprobe, sondern ein Befund, wie sicher ein Dopingvergehen stattfand. So würde zum Beispiel die KI viel schneller und mit hoher Treffsicherheit feststellen, wenn wie einst bei Olympia 2014 in Sotschi Urinproben manipuliert worden sind.

Thevis: KI hat "großes Potenzial"

Voraussetzung für ein solches Szenario: Vergleichsdaten in ausreichender Menge. Und in der Praxis müsste für jeden Athleten, der offiziell getestet wird, ein digitaler Athletenpass angelegt werden, in dem die Werte sämtlicher Tests erfasst werden, ähnlich dem bereits existierenden biologischen Athletenpass.

Mario Thevis, der Chef des Kölner Doping-Kontrolllabors, sieht Künstliche Intelligenz als sinnvolle Ergänzung im Anti-Doping-Kampf: "Das Durchforsten der unglaublichen Datenmengen, die wir hier produzieren, ist sehr aufwändig, sehr kompliziert und möglicherweise auch nicht so detailliert, wie es durch Computer-Algorithmen der Fall sein könnte. Und hier sehen wir ein sehr großes Potenzial der Künstlichen Intelligenz."

Neuer EPO-Nachweis in Sicht?

Besonders hilfreich findet Thevis ein KI-Modell der Saarbrücker Forscher, das die Einnahme von künstlichem EPO erkennen kann, einem Hormon, das im Ausdauersport häufig von Dopern eingesetzt wird und das der Körper auch selbst produziert. Thevis: "Das künstlich hergestellte Hormon von der körpereigenen Produktion zu unterscheiden, ist analytisch schwierig und herausfordernd. Wenn wir hier weitere Ansatzpunkte hätten, die durch die KI herausgefiltert werden, dann hätten wir einen großen Schritt nach vorne getan."

Auch mit der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA steht Wolfgang Maaß im Austausch. Doch bei der WADA steht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Kampf gegen Doping offenbar noch nicht ganz oben auf der Prioritätenliste. "Wir haben mit der WADA noch keine größeren Programme entwickeln können", sagt Maaß: "In anderen Bereichen, in denen ich arbeite, zum Beispiel im Gesundheitswesen, sind wir mit deutlich höherem Tempo unterwegs."

WADA noch zurückhaltend

Dass Künstliche Intelligenz den Wettlauf zwischen Betrügern und Ermittlern im Anti-Doping-Kampf auf lange Sicht zugunsten des sauberen Sports entscheiden könnte, glaubt Maaß indes nicht. Denn auch die Gegenseite, so sagt er, schläft nicht. "Natürlich werden sich die Experten auf der anderen Seite anschauen, wie sensitiv unsere Methoden sind, um dann selbst entsprechende Methoden zu entwickeln, um diese Sensitivität zu unterlaufen", meint Maaß.

Eigentlich hatte der Wissenschaftler gehofft, dass die KI-Modelle seines Teams bei den Olympischen Spielen in diesem Sommer in Paris Premiere feiern. Doch noch tun sich die Sportverbände schwer. Finanzielle Unterstützung aus dem Sport erhalten die Saarbrücker Forscher nicht.

"Ich hoffe, dass die WADA und das IOC in naher Zukunft erkennen, dass KI ein wichtiges Werkzeug für den Anti-Doping-Kampf der Zukunft ist", sagt Maaß. Er setzt auf die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles als Start in ein neues Zeitalter im Anti-Doping-Kampf. Und dann gleich mit einem Schnelltestgerät im Zielbereich.