Basketball | NBA Franz Wagner in der NBA: Besser als Nowitzki

Stand: 11.01.2022 08:43 Uhr

Der deutsche Rookie Franz Wagner hat in seinen ersten NBA-Monaten sämtliche Erwartungen übertroffen. In Orlando ist der 20-Jährige absoluter Leistungsträger – auch dank der Corona-Pandemie.

2. November 2021, die Orlando Magic spielen gegen Minnesota: Franz Wagner zieht an einem Gegenspieler vorbei zum Korb, steigt kraftvoll hoch – und stopft den Ball über zwei Verteidiger hinweg in den Korb. An der Seitenlinie dreht sich ein Ersatzspieler wie wild im Kreis, schwenkt sein Handtuch und feiert den spektakulären Dunk: Bruder Moritz.

Kein Deutscher ist besser in die NBA gestartet

Es ist eine Szene mit Symbolcharakter: Moritz Wagner, der Bankdrücker, seit drei Jahren in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA, und Franz Wagner, der Hoffnungsträger, seit nun drei Monaten. Schon jetzt ist der deutsche Youngster seinem Bruder entwachsen – und nicht nur ihm: Kein Deutscher ist je besser in die NBA gestartet als Wagner. Ja, auch nicht Dirk Nowitzki.

Der 2,08 Meter große Forward hatte denselben Weg in die NBA genommen wie sein Bruder, über Alba Berlin und das College-Programm in Michigan. Als im Sommer des vergangenen Jahres dann der jährliche Draft anstand, wurde er an Position acht von den Magic gezogen. Gemeinsam mit Detlef Schrempf (1985) ist er damit der höchste deutsche Draft-Pick der Geschichte.

Während diese Nachricht in Basketball-Deutschland für Hype sorgte, gehörten die Schlagzeilen in den USA anderen – selbst in Orlando. An Position fünf hatten die Magic ebenfalls ziehen dürfen. Jalen Suggs, ein Point Guard, soll das neue Gesicht der Franchise werden.

Eckpfeiler statt Rollenspieler

Wagner hatte derweil das Profil eines brauchbaren Rollenspielers, der seinem Team vor allem defensiv weiterhilft. Er galt als "NBA ready", also als vergleichsweise weit entwickeltes Talent, das kaum Anlaufschwierigkeiten haben würde. Dieser Eindruck stellte sich schnell als falsch heraus – im positiven Sinne: Wagner wurde unterschätzt.

Während Suggs zunächst große Schwierigkeiten hatte und nun verletzt ausfällt, liefert Franz Wagner zur Hälfte seiner ersten Saison starke 15,7 Punkte, 4,7 Rebounds und 2,6 Assists im pro Spiel – Tendenz steigend. Trotz dieser teils herausragenden Leistungen hat sein Team schon jetzt kaum noch realistische Playoff-Chancen: Orlando hat gerade einmal sieben Saisonspiele gewonnen. Wagner gilt trotzdem als legitimer Kandidat für den Titel des besten Newcomers (Rookie of the Year).

Basketball-IQ als Schlüssel zum Erfolg

Seine größte Stärke ist der Kopf: Wagner hat einen hohen Basketball-IQ, er kann das Spiel an beiden Enden sehr gut lesen und trifft viele gute Entscheidungen. Außerdem fällt sein Dreier besser als erwartet – und seine Verteidigung ist schon jetzt auf hohem NBA-Level. Kein Nowitzki, kein Dennis Schröder, kein Detlef Schrempf war zu Karrierebeginn annähernd so weit wie Wagner.

Jamal Mosley, Trainer der Orlando Magic, hob zuletzt noch eine weitere Qualität seines Schützlings hervor: Ehrgeiz. "Er will immer alles richtig machen", so Mosley: "Er ist dabei sehr hart zu sich selbst, weil er sehr hohe Ansprüche hat."

Diese Einstellung dürfte der Hauptgrund für Wagners rasante Entwicklung sein: Im Oktober hatte sein Punkteschnitt noch bei 13,9 gelegen. Im Dezember steigerte er diesen auf 19,5 – inklusive Auszeichnung zum Rookie des Monats. Ein beachtlicher Sprung, selbst im ersten Jahr, wenngleich dieser auch mit seiner veränderten Rolle zu tun hat.

Durch Corona zum Leader

Zu Beginn war Wagner vor allem abseits des Balles unterwegs und erzielte seine Punkte nach Zuspielen per Dreier oder nach einfachen Drives zum Korb. Nun, da mehrere Leistungsträger der Magic durch Covid-Infektionen oder Verletzungen außer Gefecht gesetzt sind, trägt Wagner größere Verantwortung und soll sich seinen Wurf immer öfter selbst kreieren. Hierbei zeigt der Forward gute Ansätze, doch zugleich kommen nun auch seine Schwächen stärker zur Geltung.

Wagner ist kein sonderlich guter Dribbler, als Ballführer fehlen ihm dadurch Optionen im Eins gegen Eins. Auch sein Wurf aus dem Dribbling fällt noch zu inkonstant. Sein wohl größtes Defizit ist die Athletik, die für NBA-Verhältnisse nie überdurchschnittlich sein wird, doch mit ausreichend Zeit im Kraftraum sollten auch hier noch große Sprünge möglich sein.

Wozu Wagner als Leader des Angriffs trotzdem schon fähig ist, zeigte er kurz vor dem Jahreswechsel gegen Milwaukee: Dreier aus dem Dribbling, schwierige Korbleger, smarte Assists, Wagner zeigte das ganze Repertoire. Am Ende hatte er 38 Punkte auf dem Konto, Saisonbestwert unter allen Rookies – gegen den amtierenden Champion wohlgemerkt, der viele starke Verteidiger in den Reihen hat.

Lob vom Superstar

"Er ist wirklich gut. Er involviert seine Teamkollegen und nimmt sich seine Abschlüsse", lobte Giannis Antetokounmpo, zweifacher MVP und amtierender Finals MVP, Wagner im Anschluss: "Ich glaube, es gibt kein Limit für ihn." Ob er damit recht hat?

Wagners reife Spielanlage, die schon am College erkennbar gewesen war, verleitete viele Scouts zu der Annahme, dass sein Potential früh ausgeschöpft sein könnte. Auch jetzt noch sollte man realistischerweise damit rechnen, dass mit der Zeit einige Rohdiamanten aus seinem Jahrgang an Wagner vorbeiziehen werden. Klar ist jedoch: Das deutsche Toptalent hat die Erwartungen an seine eigene Karriere deutlich nach oben geschraubt.

Und die beste Rookie-Saison eines Deutschen ist ihm schon jetzt kaum noch zu nehmen.