Das deutsche Team bespricht sich

Favoriten-Aus bei der Basketball-EM Schröder, Wagner und Co.: Kollektiv schlägt die Stars

Stand: 15.09.2022 16:51 Uhr

Giannis Antetokounmpo? Luka Doncic? Nikola Jokic? Alle raus. Die Superstars spielen bei der Basketball-EM keine Rolle mehr – im Rampenlicht stehen nun andere.

Die sechs besten Scorer des Turniers sind bei der Basketball-EM allesamt bereits ausgeschieden. Darunter sind eben auch die drei NBA-Superstars Antetokounmpo aus Griechenland, Doncic aus Slowenien und Jokic aus Serbien, die diverse All-Star-Nominierungen, MVP-Titel und auch eine NBA-Meisterschaft unter sich aufteilen. Das Nonplusultra der besten Basketball-Liga der Welt also.

Nur drei Spieler aus der Top 20 sind noch im Turnier

Auch der Finne Lauri Markkanen, der die zweitmeisten Punkte pro Spiel im Turnier auflegte und in der NBA für die Utah Jazz spielt, ist raus. Der Siebtplatzierte der Scorer-Liste steht noch im Turnier - und das ist Deutschlands Kapitän Dennis Schröder.

Geht man in der Liste weiter nach unten, stellt man fest: Sogar unter den 20 besten Punktesammlern im Turnier sind nur noch drei, die auch tatsächlich noch im Wettbewerb sind. Schröder, Spaniens Willy Hernangomez (New Orleans Pelicans) und auf Rang 14 Deutschlands Supertalent Franz Wagner (Orlando Magic).

Etwas dahinter folgen dann die beiden NBA-Franzosen Evan Fournier (New York Knicks) und Rudy Gobert (Minnesota Timberwolves). Gobert, dreifach zum besten Defensivspieler der NBA ausgezeichnet, dürfte wohl der "größte" verbliebene Star im Turnier sein, rangiert aber noch eine ganze Kategorie unter Antetokounmpo, Doncic und Jokic.

Teamplayer Dennis Schröder

Was in einem Teamsport wie Basketball natürlich auf den ersten Blick keine große Erkenntnis ist, aber eben zumindest in der medialen Betrachtung doch oftmals ein wenig unterschlagen wird: Es ist das Kollektiv, das in diesem Turnier bisher dominiert hat.

Und das, obwohl die drei Superstars natürlich individuell die besten Akteure dieser EM waren und womöglich sogar zu den besten fünf europäischen Basketballspielern aller Zeiten gehören.

Dennis Schröder und Franz Wagner sind die beiden großen Gesichter des deutschen Teams. Der in den vergangenen Jahren so oft wegen seines sehr extrovertierten Auftretens, seiner manchmal ein bisschen egoistischen und dann auch fehlerbehafteten Spielweise und seiner sehr selbstbewussten Äußerungen kritisierte Schröder wirkt gereift.

In nahezu jedem Interview betont der seit heute (15.09.2022) 29-Jährige den Charakter des Teams, lobt das Team und seine Mitspieler. Er ruft sie auf dem Feld bei nahezu jeder Gelegenheit zusammen, spricht viel, gibt Anweisungen, lässt die Kollegen von seiner jahrelangen Erfahrung in der NBA profitieren.

Und er setzt seine individuellen sportlichen Fähigkeiten trotzdem ein, wenn es mal hakt: seinen schnellen Zug zum Korb, seine nahezu penetrante Defensivarbeit ganz eng am Gegenspieler und seine blitzschnellen Pässe unter den Korb oder raus zu den Dreierschützen.

Dass er selbst das ein oder andere Mal dann doch einen Distanzwurf zu viel nimmt – und verfehlt – und sich doch auch ab und zu in kleine Scharmützel mit Gegenspielern verstrickt, gehört zu seiner Spielweise eben dazu und wird von seinen Mitspielern gern hingenommen, wenn er sich sonst so sehr in den Dienst des Teams stellt wie bisher. Auch bei den Assists pro Spiel liegt Schröder in der Top Ten – und das alles, obwohl er beim deutlichen Sieg des DBB über Ungarn komplett geschont wurde.

Deutsche Basketballer spielen um EM-Medaille

Morgenmagazin, 16.09.2022 05:30 Uhr

Der "komplette" Franz Wagner

Franz Wagner ist erst 21 Jahre alt und hat dem DBB-Team schon jetzt seinen Stempel aufgedrückt. Wagner, der ja auch gerade erst sein erstes Jahr in der NBA hinter sich hat, steht auf Rang 14 der Scorerliste und trifft bisher 51,5 Prozent seiner Dreipunkte-Würfe.

Auf eine solche Quote bringt es unter den 30 besten Scorern sonst niemand. Auch defensiv sorgt der flexible Flügelspieler immer wieder für wichtige Ballgewinne: Bei den Blocks und Steals ist er bester Deutscher.

Beim DBB ruht die Last auf vielen Schultern

Trotzdem: Die Liste der Deutschen, die bisher in diesem Turnier gelobt werden müssen, ist länger. Sie umfasst eigentlich das gesamte Team.

Ohne einen Andreas Obst, der im ersten Turnierspiel nur sechs Minuten spielte, im Viertelfinale gegen Griechenland aber mit 19 Punkten ein entscheidender Faktor war, ohne einen Daniel Theis, der gegen die Griechen 16 Rebounds sammelte oder ohne einen Maodo Lo, der im extrem engen Spiel gegen Litauen Verantwortung übernahm und auf 21 Punkte kam, sowie die vielen anderen Akteure im Kader, wäre das Turnier bisher nicht so erfolgreich verlaufen.

Eine letzte Statistik, die untermauert, wie gut die Last im deutschen Team verteilt und wie wichtig das für den Erfolg bisher war: Keine andere Nation bringt es auf mehr Spieler unter den 100 besten Werfern des Turniers. Schröder, Wagner, Lo, Obst, Theis und Johannes Thiemann sind dort vertreten. Bei den Griechen sind es beispielsweise nur drei.

Es ist ein Turnier des Kollektivs – das zeigt die Besetzung der Halbfinale mit Deutschland, Spanien, Polen und Frankreich ganz eindeutig. Und am Ende sind es dann vielleicht ja doch gerade deshalb die Individualisten, die entscheiden. Da braucht sich der DBB jedenfalls (auch) nicht zu verstecken.