Eine Sportwetten-Annahme in Glendale, Arizona

Super Bowl in Las Vegas NFL und Sportwetten - eine riskante Umarmung

Stand: 05.02.2024 09:40 Uhr

Super Bowl im Zocker-Paradies: Dass die NFL ihr Saisonhighlight in Las Vegas austrägt, steht symbolisch für die neue Nähe der NFL zum Sportwettenmarkt - Probleme inklusive.

Jahrzehntelang hatte die National Football League (NFL) Glücksspiel ausdrücklich gemieden. "Sie hatte keine offiziellen Partnerschaften mit Glücksspielunternehmen, verhinderte ein NFL-Team in Las Vegas und hätte dort auch nie den Super Bowl abgehalten", sagte N. Jeremi Duru, Sportrechts-Professor an der American University Washington, der Sportschau. "Doch das hat sich alles geändert."

Am kommenden Sonntag (11.02.2024) ist die Glücksspiel-Metropole Las Vegas erstmals Ausrichtungsort für den Super Bowl zwischen den Kansas City Chiefs und den San Francisco 49ers. Während der TV-Übertragung werden Werbespots für Sportwetten laufen, die NFL hat drei offizielle Sportwetten-Partner und bei den Washington Commanders gibt es mittlerweile sogar eine Wettannahme im Stadion.

Bundesstaaten können seit 2018 selbst entscheiden

Aus der kritischen Distanz zum Glücksspiel ist eine enge Umarmung geworden - und das hängt mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 zusammen. Damals entschied der US-Supreme-Court, dass Sportwetten nicht mehr bundesweit verboten sein sollen, sondern dass die Bundesstaaten künftig selbst entscheiden können, ob sie Sportwetten legalisieren.

Gedrängt darauf hatte vor allem New Jersey in der Hoffnung, die lokale Wirtschaft anzukurbeln. Es dauerte dann nach dem Urteil auch nur wenige Wochen, bis der Ostküsten-Bundesstaat das Sportwettenverbot aufhob.

Spielsucht auch für Jugendliche eine Gefahr

Die Folgen lassen sich an Zahlen des Council für zwanghaftes Spielen in New Jersey ablesen. Allein in den drei Jahren nach 2018 sei die Summe der Wetteinsätze in New Jersey um 166 Prozent gestiegen. Gleichzeitig habe sich die Zahl der Anrufe beim Hilfstelefon für Spielsüchtige innerhalb von fünf Jahren verdoppelt. "Es gibt eine Menge Jugendliche, die spielen", sagte Felicia Grondin, die Geschäftsführerin des Councils, dem "Guardian". 

Zwar beträgt das Mindestalter für Sportwetten 21 Jahre, aber diese Schranke ist offenbar leicht zu umgehen. Immer mehr Einrichtungen schlagen Alarm, dass zunehmend auch junge Menschen betroffen seien. "Die USA steuern auf einen Sumpf der Spielsucht zu, wenn nicht gar auf eine Krise", sagte Rick Brenson, Gründer der Algamus-Behandlungseinrichtung für Spielsüchtige in Goodyear, Arizona.

Einige Staaten, darunter Texas und Kalifornien, sind bis heute beim Verbot geblieben, aber mehr als 30 der 50 Bundesstaaten haben Sportwetten mittlerweile legalisiert. Ein paar Klicks auf dem Smartphone, schon ist die Wette auf das nächste NFL-Spiel platziert.

Der US-Profisport ist nun ein wichtiger Teil der Glücksspiel-Industrie mit all ihren Risiken. "Die NFL und ihre Sportwettenpartner weisen auf die Suchtgefahr hin, aber viele Beobachter sind besorgt, dass die NFL und andere Ligen in dieser Hinsicht nicht genug tun", sagt der Sportrechtler Duru.

Glücksspiel: Gefahr und Geldquelle

Im Fokus steht aus Sicht des Sports ein anderer Aspekt: die Gefahr der Spielmanipulation. Wegen der Risiken für die eigene Glaubwürdigkeit waren die NFL und andere Ligen lange gegen eine Liberalisierung von Sportwetten. Derzeit macht ein Zitat von NFL-Commissioner Roger Goodell aus dem Jahr 2012 die Runde. "Wenn Glücksspiele bei Sportereignissen erlaubt sind, werden normale Vorkommnisse wie Fehlwürfe, Fehlpässe, Ballverluste, Strafen und Schiedsrichterentscheidungen unweigerlich zu Spekulationen, Misstrauen und Anschuldigen wegen Spielmanipulation führen."

Roger Goodell beim Spiel der Eagels gegen die 49ers

Roger Goodell

Vor dem Saisonstart 2023 sagte Goodell dann aber in einem "NBC"-Interview auch, die NFL habe, nachdem der oberste Gerichtshof den Weg freigemacht hatte, "diesen neuen Raum besetzen" müssen.

Verbot auf Auswärtsreisen

Die Beziehung bleibt ambivalent. Einerseits profitieren Liga und Teams von sprudelnden Werbeeinnahmen. Während der Corona-Pandemie mit ihren wirtschaftlichen Konsequenzen hätten Sportwetten den Sport sogar "kurzfristig gerettet", sagte Ted Leonis, Besitzer der Washington Wizards und Capitals.

Gleichzeitig bemüht sich die Liga, die Gefahr von Spielmanipulationen einzudämmen. So müssen Spieler vertraglich zusichern, dass sie und ihre Familienangehörigen nie auf NFL-Spiele wetten. Die Teammitglieder haben zusätzlich ein generelles Glücksspielverbot bei Auswärtsreisen - Flüge und Busfahrten inklusive.

Vermehrt Strafen wegen Glücksspiels

Dieses komplexe Regelwerk trug nach Meinung von Duru dazu bei, dass in der NFL im Vergleich zu anderen Ligen zuletzt vermehrt Spieler und Trainer wegen Glücksspiels gesperrt worden sind. Die Zahl sei seit der Legalisierung vor sechs Jahren gestiegen, sagt Duru.

Allein zwischen 2021 und 2023 hat die NFL zehn Spieler wegen Glückspiels suspendiert, sieben davon hatten auf NFL-Spiele gewettet. Zuletzt sorgte Jungprofi Kayshon Boutte (21) von den New England Patriots für Schlagzeilen. Er wurde im Januar 2024 festgenommen, weil er in seiner College-Zeit unter einem Pseudonym mehr als 8.900 illegale Wetten platziert haben soll, auch auf das eigene Team.

Misstrauen scheint zu wachsen

Der Fall zeigt, wie eng die Themen Jugendschutz, Spielsucht und mögliche Spielmanipulation zusammenhängen. "Wenn die NFL-Fans zu dem Schluss kommen, dass der Ausgang von NFL-Spielen vorherbestimmt ist, wird dies das Geschäft zerstören", sagt Duru. "Die Gefahr ist also real."

Sportkommentator Mike Floro konstatierte im "NBC"-Pro-Football-Talk, das Misstrauen unter den Fans habe deutlich zugenommen. "Das legalisierte Glücksspiel gibt den Menschen eine weitere Ebene zu glauben, dass jemand Dinge manipuliert."

Regel-Erleichterung in Las Vegas

Das Ringen mit dem einst verteufelten Glücksspiel - beim Super Bowl wird es nun besonders deutlich. Eigentlich ist es allen Team-Mitarbeitern untersagt, auf Auswärtsreisen in Casinos zu gehen. Im Glückspiel-Epizentrum Las Vegas macht die NFL nun laut AP eine Ausnahme: Das Verbot gilt nur für die Spieler, nicht aber für die anderen Mitarbeiter in deren Freizeit. Der Schlingerkurs geht weiter.

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