Skispringerin Katharina Althaus zeigt ihr Medaillenset aus Planica, bestehend aus drei Goldmedaillen und einer Bronzemedaille.

Nordische Ski-WM DSV-Team feiert Rekord - der Gastgeber sich am Ende selbst

Stand: 05.03.2023 14:53 Uhr

Die Nordische Ski-WM in Planica ist nach knapp zwei Wochen mit spannenden Wettkämpfen und zahlreichen Rekorden zu Ende gegangen. Doch es gab nicht nur Sonnenschein.

Die Staffeln im Langlauf, die erst 17-Jährige Nathalie Armbruster in der Kombination oder natürlich die goldene Katharina Althaus. Aus deutscher Sicht war die Nordische Ski-WM in Planica in ein Erfolg. Noch nie haben die Kombinierer, Skispringer und Langläufer des Deutschen Skiverbandes (DSV) so viele WM-Medaillen gesammelt, wie bei dieser Auflage.

Nimmt man die schwarz-rot-goldene Brille ab, fallen vor allem die Leistungen der Norweger ins Auge. Abseits der sportlichen Leistungen muss man den Organisatoren allerdings ein "Ausreichend" ins Zeugnis schreiben. Denn das groß angekündigte Fest ist nicht eingetreten.

"Coole Kulisse" sorgt für Höchstleistungen

Knapp zwei Wochen lang war Planica - das Tal der Schanzen in den Julischen Alpen - der Nabel des Nordischen Skisports. Der 2.274 Meter hohe Visoka Ponca auf der einen und der nicht weniger imposante Ciprnik auf der anderen Seite umschließen die Wettkampfstätten mit den sieben Sprung- und der weltberühmten Flugschanze sowie dem Langlaufstadion in einem malerischen Szenario. Ob bei Tag oder in den späten Abendstunden, Planica ist eine "coole Kulisse" für diese Bewerbe, wie nicht nur Langläuferin Katharina Hennig festhielt. Es gab kaum einen Athleten, der nicht angetan war von dem kleinen Fleckchen im Dreiländereck Slowenien - Italien - Österreich.

Angetrieben von dieser Umgebung steigerten sich die Athleten pünktlich zum Saisonhöhepunkt zu Höchstleistungen. Alte Rekorde wurden gebrochen und neue, wie Bestweiten auf den Schanzen oder für die WM-Historie, wurden aufgestellt. Andere, mit denen im Vorfeld kaum jemand gerechnet hatte, stießen in die Weltspitze vor.

Deutsche Langläufer in den Staffeln vorne dabei

So zum Beispiel im deutschen Langlaufteam. Bundestrainer Peter Schlickenrieder wurde im Vorfeld der WM nicht müde, den Entwicklungsprozess des deutschen Langlaufs zu betonen. Bei der WM auf das Podest zu kommen, sei schwer, aber keinesfalls unmöglich: "Gemeinsam werden wir alles versuchen."

In den letzten WM-Tagen sah man ihn dann dauergrinsend an den Strecken und Wettkampfstätten. Denn: gemeinsam wurde es geschafft. Die deutsche Frauenstaffel bestätigte ihr Ergebnis von den Olympischen Winterspielen 2022 und holte wieder Silber. "Es einmal zu schaffen, ist die eine Sache, es zu wiederholen, eine völlig andere", sagte Katharina Hennig nach dem Teamerfolg am vergangenen Donnerstag. Erstmals seit 2009 durften die Frauen wieder zu einer WM-Siegerehrung.

Langlauf-Sportdirektor spricht von "grandioser WM"

Nur einen Tag später rannte das Herren-Quartett plötzlich auf den Bronzerang - zur Überraschung vieler Experten und Fans. Völlig perplex wussten die Überraschungsdritten nicht einmal, wie sie feiern sollten. "Wir haben ja keine Erfahrungen mit Medaillen, von daher weiß ich es nicht", erklärte Jonas Dobler anschließend, der die erste Medaille für die DSV-Männerstaffel seit 2011 als "kleines Langlaufwunder" bezeichnete. Schlickenrieder sprach in seinem Fazit von einem "Traum, der in Erfüllung geht". Vor allem die Kampfleistung der Männer habe ihn überrascht.

Für den Langlauf-Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes, Andreas Schlütter waren die Titelkämpfe in Planica eine "grandiose WM". Es sei gelungen, die positiven Ergebnisse aus Peking zu bestätigen. In allen Bereichen habe es Fortschritte gegeben, nun gehe es darum diesem Aufwind an der Nachwuchs weiterzugeben, damit der Entwicklungsprozess weitergehen kann.

Die Langlauf-Sensation der deutschen Männer-Staffel

Reiko Pinkert, Sportschau, 03.03.2023 19:30 Uhr

Armbruster und Schmid überzeugen in der Kombination

Ebenfalls noch in der sportlichen Entwicklungsphase ist Nathalie Armbruster, hat sich mit ihren erst 17 Jahren aber schon in die Weltspitze vorgekämpft. Vor einem Jahr startete sie erstmals im Weltcup und tauchte dann im Sommer-Grand-Prix ganz vorne in den Ergebnislisten auf. Nun ist sie in ihrer ersten Saison gleich zu zwei WM-Silbermedaillen gesprungen und gelaufen - im Einzel und im Mixed-Team. "Es ist einfach überwältigend. Ich freue mich so. Es ist einfach nur fantastisch, besser konnte es nicht laufen", war Armbruster nach ihren Erfolgen völlig baff.

Bei den Männern stach Julian Schmid heraus. Für ihn war es ebenfalls die Premieren-WM und er sicherte sich dreimal Silber. "Vom Julian bin ich begeistert", gab es Lob von Bundestrainer Hermann Weinbuch: "Bei der ersten WM in jedem Wettkampf so abliefern: Hut ab!" Das DSV-Team könne froh sein, so jemanden für die Zukunft zu haben.

Und diese wird ohne Weinbuch stattfinden, für den es die letzte WM war. Nach dieser Saison will der 62-Jährige "ins zweite Glied rücken" und räumt nach 27 Jahren den Posten als Bundestrainer. Seit 1996 formte er Olympiasieger und Weltmeister en masse. Zu 57 Olympia- und WM-Medaillen hat er seine Schützlinge geführt. Nun wird damit Schluss sein. Einer seiner besten Athleten ist Eric Frenzel, der mit seiner 18. Medaille nun zum erfolgreichsten männlichen Teilnehmer bei Nordischen Ski-Weltmeisterschaften aufstieg.

Althaus: von Rekord zu Rekord

Und natürlich darf in der deutschen Bilanz Katharina Althaus nicht fehlen. Mit drei goldenen und einer bronzenen Medaille ist sie nicht nur die erfolgreichste Skispringerin dieser Titelkämpfe, sondern nun auch in der Geschichte der WM. "Das ist total unglaublich. Ich hätte vor der WM nie gedacht, dass ich so abschneide und mit vier Medaillen nach Hause fahre", freute sich Althaus über das Erreichte.

Nur der Österreicher Thomas Morgenstern hat mit seinen acht Titel noch einen mehr als Oberstdorferin. Und mit ihren 26 Jahren hat sie ja noch zahlreiche Möglichkeiten sich auch diesen Rekord zu schnappen. Als in Planica die ersten Medaillen vergeben wurden, war sie direkt zur Stelle und schnappte sich auf der Normalschanze Gold. Generell wurde die Srednja Skakalnica zur Lieblingsschanze des deutschen Teams. Acht der zehn Podestplätze in den Sprung- und Kombinationsbewerben wurden dort erzielt.

"Positives Fazit" trotz Schwächen auf der Großschanze

Auf der Großschanze lief es für das deutsche Skisprung-Team dann aber nicht mehr ganz so rund. Abgesehen von Althaus, die beim Überraschungssieg der Kanadierin Alexandria Loutitt, Bronze gewann, gab es keine weitere Teilnahme an einer Siegerehrung. Markus Eisenbichler wurde im Einzel Fünfter, im Teamwettbewerb verzockte sich Bundestrainer Stefan Horngacher in der zweiten Gruppe, somit blieb das deutsche Männer-Team erstmals seit 2017 bei einem Großevent ohne eine Medaille. "Alles in allem können wir uns aber positiv von Planica verabschieden", erklärte Horngacher.

Auch Horst Hüttel, der Sportdirektor für die Disziplinen Skisprung und Nordische Kombination im DSV, zog trotz des Nachholbedarfes auf der Großschanze ein "sehr, sehr positives" Fazit: "Wir haben im Skispringen und der Nordischen Kombination so viele Medaillen gewonnen wie nie zuvor." Die WM habe "viele tolle Momente" generiert, mit "vielen tollen Athleten". Hüttel sprach von einer "eine der besten Weltmeisterschaften", die er erlebt habe, seit er 2007 beim DSV Verantwortung übernommen hat.

Norwegen dominiert die WM in Planica

Abseits der deutschen Erfolge stach natürlich einmal mehr Norwegen heraus, das den Medaillenspiegel souverän für sich entschieden. In der Hälfte der 24 Entscheidungen kamen die Sieger und Siegerinnen aus Norwegen. Langläufer Johannes Hösflot Kläbo räumte mal wieder drei WM-Titel ab - wie schon 2019 in Seefeld und 2021 in Oberstdorf. Dem Kombinierer Jarl Magnus Riiber gelang sogar die perfekte WM.

In vier Rennen ging er an den Start, vier Mal stand er schließlich ganz oben auf dem Podest. Dabei hatte Riiber im Vorfeld der Titelkämpfe noch im Weltcup geschwächelt, musste sich eine Pause nehmen und bereitete sich in seiner Heimat auf die WM vor - mit herausragendem Erfolg. Auf der Großschanze flog er der Konkurrenz davon, sprang mit 147 Metern so weit wie niemand zuvor auf der 2012 wiederaufgebauten Schanze.

Bei den Spezialspringern konnten die skisprungbegeisterten Slowenen dort in der zweiten Woche auch endlich einen Weltmeister im eigenen Land bejubeln. Timi Zajc und das Männer-Team konnten in den letzten beiden Wettbewerben Gold holen und brachten so die Zuschauerränge spät noch zum Beben.

Mit den slowenischen Erfolgen kommt die Stimmung

So kam doch noch WM-Stimmung auf. Denn in der ersten Woche waren die Wettkämpfe nur spärlich besucht, die Veranstalter waren von ihren eigenen Zielen weit entfernt. "Es ist Tatsache, dass weniger Fans da sind, als wir wollten", erklärte der Präsident des slowenischen Skiverbandes Enzo Smrekar. Dabei machten sie das Problem aber vor allem an den fehlenden Gästen "aus dem deutschsprachigen Raum - Deutsche, aber auch Österreicher" sowie Skandinavien fest.

Einheimische Fans waren jedoch auch wenige zu sehen, die hohen Preise für ein Tagesticket in Zeiten der Inflation und mangelnde Erfolgsaussichten im Langlauf und der Kombination haben viele Slowenen von einem Besuch in Planica abgehalten. "Ich akzeptiere die Meinung von Leuten, die entschieden haben, dass es zu teuer ist", resümierte Smrekar zur WM-Halbzeit. Hüttel fand, die Veranstalter haben sich "mit den hohen Preisen keinen Gefallen getan."

Zuschauer beim Skispringen in Planica

Zuschauer beim Skispringen während der Nordischen Ski-WM in Planica: in der 2. Woche war das Skisprungstadion voll.

Schwierige Bedingungen für die Fans

Als dann doch mal die erhofften Mengen an Zuschauern in Planica waren, wurde zudem ein weiteres Problem bei der Organisation sichtbar. Die Abreise nach den Skisprung-Bewerben war pures Chaos. Der Großteil der Fans den Weg lief bei der Rückreise zu Fuß das Tal hinab, um zu ihren Autos oder den Bussen zu kommen.

Eine nicht unerhebliche Menge an Fans hatte in ihrem Ticket jedoch auch eine Fahrt mit dem Shuttle-Bus direkt von den Wettkampfstätten. Dort standen nun hunderte Personen, gemischt mit Teambetreuern, Medienschaffenden und Helfer, die teils unterschiedliche Fahrzeuge benutzen mussten, aber nicht wussten, in welches sie einsteigen sollten. Da vorne nichts vorwärtsging, staute sich dahinter alles auf und sorgte für Frust bei den Wartenden.

Kombination muss Rückschlag hinnehmen

Ebenfalls ungenügend war die Vorbereitung der Schanze vor dem Mixed-Team-Wettkampf. Nach vielen Sonnenstunden zu WM-Beginn kam mit dem ersten Wochenende Schneefall. Als am Sonntagmorgen schließlich die ersten Aktiven über die Schanze gingen, war der Aufsprunghang nur unzureichend präpariert, es kam zu Stürzen und schließlich zum Abbruch des Wettkampfes, der knapp zwei Stunden später nach einer erneuten Präparierung neu gestartet wurde. Organisationskomitee und Weltverband FIS zeigten im Nachgang gegenseitig mit dem Finger aufeinander, wer denn nun Schuld an dieser Situation gewesen sei.

"Die Hausaufgaben sind nicht gemacht worden. Es war sehr gefährlich und grob fahrlässig, so etwas darf bei einer WM nicht passieren", erklärte Bundestrainer Weinbuch, der die Situation als erneute "Katastrophe" für die nordische Kombination bezeichnete. Auch das anschließende Rennen ohne wirkliche Zweikämpfe auf der Strecke war keine Werbung für die Kombination in ihrem Kampf um den Erhalt als olympische Sportart.

Nächste WM in Norwegen

Und wie geht es weiter? Das nächste nordische Großereignis sind die Weltmeisterschaften in zwei Jahren in Trondheim. In Norwegen glaubt der Weltverband, zumindest die Zuschauerthematik im Griff zu haben. Dafür wolle man mehr Einheimische begeistern. "Die Zuschauerbasis soll aus dem Inland kommen", so FIS-Generalsekretär Michel Vion. In Norwegen sollte das angesichts der Erfolge in allen nordischen Sportarten kein Problem sein.

Das deutsche Team will dann natürlich an die Bilanz von Planica anknüpfen. "Wir nehmen viel Energie aus dieser WM", so Horst Hüttel. Nun müsse man weiter systemisch arbeiten, um auch in Zukunft solche Erfolge erreichen zu können. Dafür müsse man den Nachwuchs frühzeitig an den Weltcup heranführen. "Ich hoffe, dass unsere Entwicklung so weitergeht und junge Athleten wie Philipp Raimund, Nathalie Armbruster oder Selina Freitag ihren Weg fortsetzen." Außerdem hofft er auf, dass das "ein oder andere neue Gesicht" dabei ist und um die Medaillen kämpfen kann.