Wintersport | Welt-Skiverband FIS "Große Irritationen" - Skisport-Nationalverbände kritisieren FIS-Spitze

Stand: 14.04.2022 19:39 Uhr

Im Konflikt um die Vermarktung und den Weltcup-Kalender kritisieren die Skiverbände aus Deutschland und Österreich die FIS. Der internationale Skisport erlebt eine Zerreißprobe.

"Wir betrachten die derzeitige Entwicklung beim Weltverband definitiv mit Sorge", sagte Stefan Schwarzbach, Vorstandsmitglied im Deutschen Skiverband DSV, am Donnerstag (14.04.2022) auf Sportschau-Nachfrage. Es ist das erste Mal, dass sich der DSV im schon länger schwelenden Konflikt um Weltcup-Vermarktungsrechte äußert.

Auch der FIS-Entwurf des Weltcup-Kalenders 2022/23, der der Sportschau vorliegt, sorgt innerhalb des DSV für Unmut. Denn er führt zwei Reisen nach Nordamerika auf, aber keine Kandahar-Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen mehr. "Die Kandahar ist ein Klassiker. Und man sollte nicht einfach einen Klassiker streichen", sagte der DSV-Sportdirektor Wolfgang Maier der Sport-Nachrichtenagentur SID: "Es gab Widerstand von verschiedenen Nationen. Deswegen muss der Kalender noch einmal überarbeitet werden."

Ungewissheit mit Blick auf den Weltcup-Winter

Ob die FIS ihre Garmisch-Entscheidung überdenkt, dürfte spätestens nach der nächsten Council-Sitzung Anfang Mai klar sein. Dann wird der Rat wohl auch erneut über das Streitthema Zentralvermarktung sprechen. Die FIS-Spitze hatte beim jüngsten Council-Treffen am 8. April versucht, sich Zustimmung für die kurzfristige Einführung der Zentralvermarktung zu holen. Doch offenbar zogen einige Nationalverbände nicht mit, die Diskussionen waren nach Sportschau-Informationen intensiv.

Der Weltverband sieht sich nach einer Statuten-Änderung im Oktober offenbar schon jetzt als Inhaber aller Weltcup-Rechte. Dem stehen jedoch laufende Verträge im Weg, vor allem zwischen den Nationalverbänden als bisherige Rechteinhaber, Vermarktungsagenturen und TV-Sendern. Was passiert mit diesen Verträgen? Wer darf noch übertragen oder werben? Solche Fragen sind aktuell ungeklärt.

Abstimmung mit FIS "leider relativ schwierig"

"Die Tatsache, dass wir Mitte April noch immer keine verlässliche Kalenderplanung in den jeweiligen Disziplinen haben, sorgt nicht nur bei allen nationalen Skiverbänden, sondern auch bei den Organisationskomitees und vor allem auch bei den Medienpartnern und Sponsoren für ein erhebliches Maß an Unsicherheit", sagt Schwarzbach: "Dazu kommen strukturelle Überlegungen und Weichenstellungen, die aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar oder zumindest diskussionswürdig sind. Aber die Abstimmung und Kommunikation mit den Verantwortlichen der FIS gestaltet sich leider relativ schwierig."

Noch deutlicher wird Christian Scherer, Generalsekretär des Österreichischen Skiverbands (ÖSV). "Wenn wir auf einmal keine Rechte mehr haben sollen und auf Goodwill der FIS angewiesen sind, werden wir das nicht akzeptieren", zitiert ihn die "Kleine Zeitung". In der "Tiroler Tageszeitung" sagte Scherer zudem: "Die letzten Aktionen und die Herangehensweise haben große Irritation hervorgerufen. Die nationalen Verbände waren zu wenig in den Prozess eingebunden, deshalb hat sich Widerstand gegen die Pläne formiert."

Präsident Johan Eliasch zerschlägt Porzellan

Dass eine zentrale Vermarktung unter dem Dach der FIS sinnvoll sein kann, sagen fast alle Beteiligten. Doch mit seinem offensichtlichen Alleingang zerschlägt der seit Juni 2021 amtierende FIS-Präsident Johan Eliasch viel Porzellan. "Es muss Gespräche geben, es müssen Verträge respektiert werden", sagte Scherer: "Wir können das System nur gemeinsam optimieren." Eliasch ist schwedisch-britischer Milliardär und Inhaber des Skiherstellers Head. Als FIS-Präsident verspricht er vor allem Wachstum und Expansion, die Zentralvermarktung sei dafür ein wichtiger Schritt.

Wie konfrontativ er dabei vorgeht, wird in einem Schreiben an die Council-Mitglieder deutlich, das der Sportschau vorliegt. Darin schreibt die FIS abfällig von "sogenannten Partnern", die den Status Quo aus "monopolistischen und monetären" Anreizen bewahren wollten. Man wolle aber nicht "die Taschen von Drittagenturen füllen, die völlig eigennützige Motive hätten."

Stefan Krauß von Infront "sehr erstaunt" über den Ton

Angesprochen fühlen darf sich vor allem das Schweizer Unternehmen Infront, das einen großen Teil der Weltcups vermarktet, unter anderem auch an ARD und ZDF. Als "langjähriger Partner der FIS und der nationalen Skiverbände" sei man sehr erstaunt über den Ton, sagt Stefan Krauß, Vizepräsident Wintersport bei Infront.

Der ehemalige deutsche Skirennfahrer hatte schon im März dem WDR-Hintergrundmagazin Sport inside erzählt, dass es "trotz intensiver Bemühungen" vonseiten Infronts bisher zu keinem persönlichen Kontakt mit Eliasch gekommen sei: "Darüber hinaus besteht offensichtlich, so wurde es an mich herangetragen, die Anweisung von Herrn Eliasch an sein leitendes Personal, nicht mit uns zu sprechen. Insofern kommt auch keine sinnvolle Diskussion zustande."

Infront widerspricht FIS in Sachen FISMAG

Ein weiteres Konfliktfeld ist die FIS Marketing AG (FISMAG), eine gemeinschaftliche Sponsoringagentur von Infront, der FIS und der Firma Tridem Sports. Die FIS behauptet in ihrem Schreiben an die Council-Mitglieder: "Wir haben alle Vereinbarungen gegenüber der FISMAG gekündigt." Dem widerspricht Infront-Vize Krauß: "Wir sind sehr verwundert über diese Aussage und vertreten eine gänzlich andere Auffassung."

Der Streit der beiden Parteien ist auch deshalb heikel, weil Infront die Vermarktungsrechte an den nordischen und alpinen FIS-Weltmeisterschaften 2023 und 2025 erworben hat. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit scheint unter Eliasch kaum noch möglich.

Kommt es zur Spaltung?

So rumort es an vielen Stellen der Ski-Welt. Die FIS wollte sich einmal mehr auf Sportschau-Nachfrage nicht äußern. Eliasch hatte zuvor bereits mit seiner Rolle als Head-Inhaber und mit Greenwashing-Plänen für Irritationen gesorgt. Behält der Weltverband unter ihm seinen Konfrontationskurs bei, werden in der Vermarktungsfrage am Ende wohl Gerichte entscheiden müssen.

Doch selbst wenn die FIS Recht zugesprochen bekäme: Wie würden sich die großen Nationen dann verhalten? Kommt es gar zu einer Spaltung, bei der große Skinationen aus Europa eine eigene Rennserie jenseits der FIS gründen? Aktuell erscheint angesichts der vielen ungelösten Konflikte selbst solch ein Szenario möglich zu sein.