Sverre und Marte Olsbu Röiseland

Biathlon Die besondere Röiseland-Konstellation 

Stand: 05.03.2023 00:00 Uhr

Sie ist eine der besten Biathletinnen der Welt und startet für Norwegen. Er trainiert die deutschen Frauen. Marte Olsbu Röiseland ist nach langer Leidenszeit zurück in der Weltspitze und das auch durch die Unterstützung ihres Mannes Sverre - obwohl der für die Konkurrenz arbeitet.

Von Uri Zahavi

Das Ehepaar Röiseland lebt in einer beruflich durchaus interessanten Konstellation. Sverre Röiseland ist seit Sommer vergangenen Jahres Disziplin-Trainer der deutschen Biathletinnen. Oder wie seine Frau Marte es ausdrückt: "Klar ist es irgendwie komisch." Sie schmunzelt. "Er trainiert schließlich meine größten Konkurrentinnen. Aber er bedeutet mir alles. Er hat mich immer unterstützt. Und ich liebe es, mich mit den deutschen Frauen zu messen."

In Nove Mesto zurück zur Weltklasse

"Marte Olsbu Röiseland" dröhnt es an diesem Freitag nach dem Sprint aus den Lautsprechern in der Biathlon-Arena von Nove Mesto. Das Spektakel wiederholt sich nach der Verfolgung am Samstag. 383 Tage musste Marte Olsbu Röiseland auf diese Momente warten.

Wie es sich gehört, klatscht die 32-Jährige glücklich lächelnd mit der Zweit- und Drittplatzierten ab, erklimmt entschiedenen Schrittes das Podest und bekommt die goldene Medaille um den Hals gehängt. Nach einem kleinen Freudensprung reckt die Norwegerin die Arme in die Höhe und winkt den 13.000 begeisterten Zuschauern zu. 

Sie war in jüngster Vergangenheit die dominante Biathletin, wurde dreizehn Mal Weltmeisterin und dreimal Olympiasiegerin. Für Marte gab es lange nur ganz oben. "Ich wollte das unbedingt wieder erleben", berichtet sie nach dem jetzigen Triumph. "Das sind die Momente, für die wir so hart arbeiten. Ich genieße das gerade unheimlich.

Nach Corona und Gürtelrose: Röiseland verpasst Saisonstart

Als sich der Trubel nach der Verfolgung von Nove Mesto ein wenig legt und Olsbu Röiseland im Zielbereich kurz innehält, kommt der wohl wichtigste Gratulant auf sie zu. Ihr Mann Sverre Röiseland, der während des Rennens noch die Konkurrenz aus dem deutschen Nationalteam betreut hatte, nimmt sie fest in den Arm.

Der Stolz und die Freude über den Erfolg seiner Gattin ist ihm in diesen Sekunden deutlich anzusehen. "Nach diesem schweren Jahr ist es wahnsinnig wichtig für sie zu sehen, dass sie es schaffen kann, wieder ganz oben zu stehen", erklärt Sverre nach der Verfolgung. 

Motivationsmittel: Den eigenen Mann sportlich zu ärgern

Der Vorlauf für die aktuelle Saison lief für Marte Olsbu Röiseland alles andere als glatt. Im März 2022, nach den mit drei Goldmedaillen herausragenden Olympischen Spielen in Peking, erkrankte Röiseland an Corona. In der Folge kämpfte sie mit Nachwirkungen, die ihr körperlich immer wieder zusetzten.

Nachdem sie wieder ins Training einstieg, folgte der nächste Rückschlag: Die ehrgeizige Frau aus Arendal wurde im September, also der heißen Phase der Saison-Vorbereitung, von einer Gürtelrose außer Gefecht gesetzt. Statt an den norwegischen Meisterschaften teilzunehmen, musste sie von der Couch aus zuschauen. "Ich bin gelangweilt und enttäuscht, weil ich mich ausruhen muss, anstatt zu trainieren", sagt sie damals in einem TV-Interview.

Marte Olsbu Röiseland formulierte daraufhin ein klares Ziel: Sie wollte zu den Weltmeisterschaften in Oberhof topfit sein - und dieser Herausforderung stellte sie sich auch aufgrund ihrer besonderen Ehe-Konstellation.

"Dass diese Veranstaltung in Deutschland stattfindet und Sverre die deutschen Frauen trainiert, motiviert mich, weiterzumachen", erklärte Marte im Oktober 2022. Ihrem Mann dazu sportlich eins auszuwischen, oder wie Marta es formulierte, ihm in Oberhof "die Party zu verderben" - das war ein kleiner Bonus. 

Olsbu Röiseland lässt die ersten Saison-Weltcups aus

Dass diese ganze Situation natürlich ein Spaß unter Liebenden und Freunden im Biathlon-Zirkus war, beweist der Umstand, dass sich Marte nach reiflicher Überlegung den deutschen Biathletinnen anschloss und damit quasi unter ihrem Mann in Ruhpolding trainierte. Bei den DSV-Athletinnen war sie herzlich willkommen. Die laufstarke Athletin in der Trainingsgruppe zu haben, sahen auch die Deutschen als Vorteil.

Den Saisonstart ließ sie aus, erst im Januar stieg sie auf der Pokljuka wieder in die Wettkämpfe ein und bewies mit einer Top-Ten-Platzierung sofort: Der Plan, bei der WM wieder anzugreifen, könnte aufgehen. In Oberhof wurde aus dem Konjunktiv dann Gewissheit.

Gold jeweils mit der Single-Mixed und Mixed-Staffel und dazu Bronze in der Verfolgung - die harte Schufterei für das Comeback hatte sich ausgezahlt. "Nach Oberhof war Marte sehr glücklich mit der Bronzemedaille im Einzelrennen", berichtet Sverre Röiseland. "Aber sie hatte eben sofort dieses starke Gefühl: ’Ich will gewinnen!’." 

Sverre unterstützt auch am Streckenrand

Das ist ihr nach langer Durststrecke nun also in Nove Mesto endlich wieder gelungen: 383 Tage nach ihrem letzten Einzel-Erfolg bei den Olympischen Spielen in Peking. Ausdruck der Wichtigkeit dieser Siege ist der wohl berührendste Momente der vergangenen Tage. Der spielt sich in der Endphase des Sprint-Rennens von Tschechien ab: Marte läuft nach zwei fehlerfreien Schießen in Führung liegend auf der letzten Runde Richtung Ziel.

Am finalen Anstieg steht ihr Mann Sverre am Streckenrand und peitscht sie mit Anfeuerungsrufen nach vorne. "Ich war so überrascht. Ich glaube, das war das erste Mal in diesem Jahr, dass er mich richtig angefeuert hat", berichtet Marte. "Bei der WM war Sverre noch sehr zurückhaltend, so dass ich teilweise gar nicht mitbekommen hatte, dass er da ist. Aber jetzt hier in Nove Mesto war das schon richtig verrückt."

Die Röiselands sind ein Ehepaar, das sich auf und neben der Strecke unterstützt. "Ich mache natürlich erstmal meinen Job für das deutsche Team und feuere unsere Athletinnen an", stellt Sverre klar. "Aber wenn meine Frau kommt und sie gerade nicht direkt mit einer Deutschen konkurriert, dann unterstütze ich sie natürlich auch." Marte Olsbu Röiseland ist zurück auf dem Biathlon-Thron und es wirkt extrem unwahrscheinlich, dass sie auf den nächsten Sieg in einem Einzel-Rennen wieder 383 Tage wird warten müssen.