Jubel der deutschen Mannschaft nach dem Sieg in der Single-Mixed-Staffel in Antholz

Weltcup in Antholz Biathlon - Wie der Fluch der Mixed-Staffeln besiegt wurde

Stand: 21.01.2024 08:39 Uhr

Vanessa Voigt und Justus Strelow gewinnen zum ersten Mal überhaupt eine Single-Mixed-Staffel für Deutschland. Von Schnellschützen, WM-Kandidaten und einem neun Jahre alten Fluch.

Sie konnte nicht loslaufen, denn die Arme des Ordners hielten Vanessa Voigt fest, als sich das schwarz-rot-goldene Phantom der Ziellinie näherte. Justus Strelow hatte von den Fans eine Deutschland-Fahne gegriffen, jubelte der Tribüne zu, während sich der Stoff durch eine Windböe über sein Gesicht legte.

"Einfach mal mit der Fahne ins Ziel laufen - Wahnsinn, dass passiert nicht so oft. Ich glaube, ich muss mir das später nochmal im Fernsehen anschauen, um es zu realisieren", sagte ein glücklicher Justus Strelow, nachdem ihm Vanessa Voigt im Ziel doch noch um den Hals gefallen war. Für beide Biathleten war es der erste Weltcup-Sieg, zur perfekten Zeit, kurz vor der WM - in der Single-Mixed-Staffel auf dem obersten Treppchen.

"Das ist unbegreiflich. Keine Ahnung, wie das passieren konnt"

Auch Vanessa Voigt konnte gar nicht mehr aufhören zu strahlen: "Es ist unbegreiflich. Keine Ahnung, wie das passiert ist, aber wir haben echt gezeigt, dass dieser Fluch auf diesen Mixed-Staffeln doch jetzt endlich besiegt ist." Denn dieser vermeintliche Fluch liegt schon länger auf der deutschen Mannschaft, noch nie zuvor konnte ein deutsches Duo diesen Wettbewerb im Weltcup gewinnen, der seit knapp neun Jahren zum Rennkalender gehört.

Es war ein emotionaler Tag, der seine Krönung bei der Siegerehrung fand, als der Stadionsprecher immer wieder "Team" in die Arena rief und von der Tribüne ein lautstarkes "Deutschland" zurückdonnerte, übergehend in "Ein Tag, so wunderschön wie heute", was kein Ende mehr nehmen wollte.

Unter Tränen zum Siegerfoto für die Galerie

Alle waren sie gekommen, die Trainer und Betreuer, die Wachser und Teamkollegen der beiden Premieren-Sieger. Viele hatten glänzende Augen bei der Medaillenübergabe, die Erleichterung hatte sich spürbar über das Antholzer Stadion gelegt. Vor allem einer kämpfte mit den Tränen, Kevin Voigt, der Zwillingsbruder von Vanessa: "Das ist super emotional, so einen Tag erlebst du nicht oft."

Kevin Voigt reist als Fotograf mit dem Biathlon-Tross von Weltcup zu Weltcup. Normalerweise steht er immer hinter der Kamera, doch nach der Siegerehrung grinsten er und seine Zwillingsschwester Arm in Arm in die Linse. "Selber ein Foto zu haben, ist natürlich das schönste Andenken. Ein fertiges Bild, mit meiner Schwester zusammen, an einem solchen Tag, das kann werde ich mir einrahmen", sagte ein stolzer Kevin Voigt.

Über Nacht zum Wettkampf aus dem Lehrbuch

Es war ein Wettkampf fast wie aus dem Lehrbuch. Für 40 Schuss brauchte lediglich Justus Strelow einen einzigen Nachlader. Der 27-Jährige konnte sich auf der Schlussrunde feiern lassen. Doch um diesen Triumph genauer zu verstehen, muss man einen Tag zurückblicken: Im Einzel der Frauen verpasste Vanessa Voigt trotz fehlerfreiem Schießen das Podest als Vierte und haderte mit ihrer zu langen Schießzeit.

"Wenn ich es mir aussuchen darf, würde ich gern mal die Single-Mixed-Staffel laufen. Ich weiß, dass ich im Training sehr sicher und schnell schießen kann. Für mich wäre so ein Wettkampf mit Hektik mal wichtig, bei dem ich das beweisen kann", erklärte sie im Zielraum. Freitagabend gab es das Gespräch mit Sportdirektor Felix Bitterling, der sie mental noch einmal stärkte: "Ich habe ihr nochmal gesagt, wie viel Potenzial sie hat. Außerdem wollten wir mal testen, was vielleicht bei der WM geht und Vanessa wollte diese Herausforderung annehmen."

"Wir wollen diesen Fluch endlich ablegen und auch in den Mixed-Staffeln zeigen, was wir eigentlich draufhaben", beschrieb es auch Bitterling am Tag zuvor. Denn das deutsche Team glänzte in dieser Saison, stand in Einzelrennen schon 13 Mal auf dem Podest.

Strelow war für die Staffel gesetzt und die Trainer schenkten Vanessa Voigt das Vertrauen. Morgens beim Anschießen erklärte Frauen-Bundestrainer Kristian Mehringer noch gegenüber der Sportschau: "Passt auf, wir haben mit Vanessa Voigt besprochen, dass sie schnell schießen kann, und das wird sie heute auch machen."

"Da war ich einfach nur im Flow"

Gesagt, getan: Die 26-Jährige überzeugte in der Staffel, wirkte souverän und selbstsicher. Die langsamen Schießzeiten vom Tag zuvor verbesserte sie am Samstag im Schnitt um zehn Sekunden. "Ich habe mich bewusst drauf eingestellt, dass ich zügig Schießen muss. Das ging schon beim Anschießen gut und im Wettkampf dann tadellos", sagte sie überglücklich nach dem Wettkampf.

Mister "Schnellschütze" Justus Strelow, der mit knapp 19 Sekunden noch die Topstars Emilien Jacquelin und Vetle Sjaastad Christiansen beim Stehendschießen düpierte, stand mit stolzer Brust vor dem Mikrofon: "Da war ich im Flow. Ich habe drei Schritte Luft gelassen, damit ich mit genug Sauerstoff in der Lunge zu dem Schießen komme und wusste, dass ich dann meinen Rhythmus durchziehen muss. Ich bin echt happy."

Eine Bewerbung für die WM

Es war ein Fingerzeig, eine Bewerbung für die Single-Mixed-Staffel bei den Weltmeisterschaften Anfang Februar in Nove Mesto. "Na ich hoffe doch", sagte Vanessa Voigt mit breitem Grinsen und Justus Strelow ergänzte: "Ich denke, wir haben uns jetzt gut dafür beworben und ich würde mich natürlich freuen, wenn ich da die Chance bekomme."

Das wird dann ein ganz neuer Tanz, denn bei der WM werden alle Mannschaften in Topbesetzung starten, also auch die Bös, Öbergs oder Vitozzis dieser Biathlon-Welt. Einige waren in Antholz am Samstag in der normalen Mixed-Staffel unterwegs gewesen. Es wird sich zeigen, ob sich das deutsche Fabel-Duo von Antholz oder eine ganz andere Kombination dann wieder durchsetzen kann.

"Wir haben ordentlich Selbstvertrauen im Tank"

Was auf jeden Fall von diesem Weltcup-Wochenende bleibt: der vermeintliche Fluch ist endlich gebrochen und Sportdirektor Felix Bitterling blickte zufrieden auf die bevorstehenden WM-Aufgaben: "Wir haben ein gutes Selbstvertrauen im Tank, das ist keine Frage. Die Single-Mixed ist wirklich nicht unsere Parade-Disziplin, aber dieser Sieg ist erstmal ein echtes Statement."