Tatjana Maria (l) und ihr Ehemann und Coach Charles Edouard Maria schauen für ein Foto nach dem Training in die Kamera

Interview vor dem Wimbledon-Halbfinale Ehemann von Tatjana Maria: "Wollte gar nicht ihr Coach sein"

Stand: 07.07.2022 07:40 Uhr

Charles-Edouard Maria ist als Ehemann und Trainer die wichtigste Person hinter dem Erfolg von Tatjana Maria. Vor dem Wimbledon-Halbfinale (Heute im Live-Ticker ab 14.30 Uhr bei sportschau.de ab) sprach der Franzose mit der Sportschau über den Erfolg, die Familiengeschichte und die Chancen gegen Ons Jabeur.

Sportschau: Charles Maria, ihre Spielerin und Ehefrau hat in Wimbledon das Halbfinale erreicht. Haben sie die Bedeutung dieses Erfolgs schon realisiert?

Charles Maria: Es war ein absolut tolles Gefühl nach dem Match, aber danach blieb alles normal. Sie ging ihr normales Programm durch, ihre Routinen wie immer. Sie beendete das Match, ist einen Moment für sich geblieben, kümmerte sich um die Interviews, absolvierte beim Physiotherapeuten eine Massage, und dann sind wir die Mädchen holen gegangen und zurück ins Hotel. Da haben wir mit ihnen gespielt und zusammen Abend gegessen.

Es endete als normaler Tag. Für die Kinder bleibt Tatjana die Mutter, egal, ob sie verliert oder gewinnt, aber natürlich ist vor allem Charlotte sehr glücklich, dass Tatjana gewonnen hat. Sie möchte immer wieder hier in die Betreuung zurück und morgens trainieren.

Wie haben die Kinder denn nach dem Sieg reagiert?

Charlotte war natürlich sehr stolz. Normalerweise ist sie mit uns dabei auf den Plätzen. Aber hier der Betreuungsplatz in Wimbledon ist sehr besonders, sie will den gesamten Tag dort bleiben mit den anderen Kindern. Sie haben da spezielle Shows, sie tanzen, sie singen, sie haben eine nette Lounge, in der sie sich aufhalten können. Dort verfolgen die Kinder auch die Matches ihrer Mutter im TV. Ich habe gehört, dass sie das Match ganz aufgeregt verfolgt hat und quer durch den Raum gesprungen ist - einfach schön.

Charles Maria: "Sie kann mich nicht mehr überraschen"

Tatjana Maria hat hier in fast jedem Match Rückstände aufgeholt, im Achtelfinale Matchbälle abgewehrt und ist gestern erneut einem Satzrückstand hinterhergelaufen. Gab es einen Moment, an dem sie gedacht haben: "Ok, Viertelfinale in Wimbledon ist ein tolles Resultat, heute war es das?"

Ja, das war in der Tat schwer gestern, aber Tatjana ist immer in der Lage zurückzukommen und kämpft vom ersten bis zum letzten Punkt. Sie kann man nicht mehr überraschen. Sie kann überragend spielen und ist gleichzeitig eine so nette Persönlichkeit, die das Spiel und ihre Gegnerinnen respektiert.

Maria schlägt Niemeier und steht im Wimbledon-Halbfinale

Ralf Scholt, Tagesschau, 05.07.2022 21:41 Uhr

Charles Maria: "Schatz, lass einen Kaffee trinken"

Sie sagt, sie vertraue ihnen als Trainer blind. Sie haben so viel zusammen durchgemacht, zwei Comebacks nach Schwangerschaften, die Rückhandtechnik umgestellt. Kracht es da nicht auch manchmal?

Nein, und das ist auch nicht schwierig. Sobald ich sehe, dass sie in einem Training etwas müde wirkt oder sich aufregt, nehme ich sofort den Druck raus und sage: 'Ok, Schatz, lass einen Kaffee trinken. Lass uns eine Pause machen.' Ich vermeide einen Konflikt immer, der bringt in unserer Konstellation gar nichts. Wir streiten nie auf dem Court, und das wird auch nie passieren, vorher gibt es eher ein Kaffeedate (lacht).

Wie haben sie sich kennengelernt, und wie hat sich das entwickelt mit der Coach-Freund-Konstellation?

Ich habe sie zuerst privat kennengelernt und ich wollte gar nicht ihr Trainer sein (lacht). Wir haben bereits zusammengelebt, aber ich habe sie nicht trainiert - das war auch nett (schmunzelt). Aber nach dem wir uns drei, vier Monate gedatet haben, hat sie mich gefragt: 'Bitte, komm und trainiere mich. Wir brauchen niemanden Externen.‘ Sie hatte ihre Erfahrungen gemacht und wollte es mit mir probieren und es funktioniert bis heute.

Charles Maria: "Wollten immer mehrere Kinder haben"

Wie hat der Ehemann und Vater reagiert, als sie vor zwei Jahren ihr zweites Kind erwartet haben, und wie hat der Trainer reagiert?

Zu dem Zeitpunkt war sie sportlich nicht mit ihrer Rückhand zufrieden, also habe ich als Coach gesagt: 'Wenn du möchtest, können wir deine Technik auf die einhändige Rückhand umstellen.‘  Das haben wir während der Schwangerschaft umgesetzt. Nach der Geburt habe ich als Vater gesagt: 'Wenn du wieder spielen willst, spielen wir. Wenn du dich damit nicht wohlfühlst, bleiben wir zu Hause mit den Kindern und genießen das. Wir wollten sowieso immer schon mehrere Kinder haben und wir haben uns da nie unter Druck gesetzt.

Im Halbfinale wartet die momentan wohl stärkste Rasenspielerin der Welt, Ons Jabeur, als Gegnerin. Wie schätzen Sie die Chancen ein?

Auf dem Tennisplatz hat man immer eine Chance. Tatjana glaubt immer an den Sieg, und sie wird alles geben und dann schauen wir mal, aber losgelöst von dem Ergebnis: Tatjana ist wirklich glücklich, gegen Ons zu spielen. Sie besucht uns ab und an in den USA in Palm Beach und fliegt extra für ein paar Tage ein. Dann haben wir Barbecue und genießen die Zeit und trainieren. Sie ist eine gute Freundin und ist immer so nett zu unseren Kindern. Die Mädchen lieben sie und sie spielt auch manchmal Tennis mit Charlotte. Ich hoffe natürlich, dass Tatjana sich trotzdem durchsetzen kann.

Das Gespräch führte Jannik Schneider