Tennis | Australian Open Djokovics Ausnahmegenehmigung: Die nächste Kontroverse

Stand: 04.01.2022 15:19 Uhr

Novak Djokovic darf dank einer medizinischen Ausnahmeregelung ungeimpft bei den Australian Open antreten. Die Entscheidung sorgt für Aufsehen. Dabei ist der Weltranglisten-Erste kein Einzelfall.

Von Jannik Schneider

Es war das Thema vor dem ersten Jahreshöhepunkt der neuen Tennis-Saison: Darf Novak Djokovic bei seinem favorisierten Grand-Slam-Turnier in Melbourne (neun Turniersiege) teilnehmen? Seit Monaten war von offizieller Seite bekannt, dass Spielerinnen und Spieler 2022 in "Down Under" lediglich doppelt geimpft aufschlagen werden dürfen. Djokovic hatte seinen Impfstatus öffentlich mit Verweis auf Privatsphäre und freie Meinungsäußerung stets offengelassen. So entbrannte in den vergangenen Wochen und Tagen eine immer größere Diskussion über Richtlinien zu möglichen Ausnahmeregelungen.

Am späten Dienstagvormittag (04.01.2022) gab die Nummer eins der Weltrangliste und 20-malige Grand-Slam-Sieger via Instagram selbst und zuerst bekannt, dass er eine Ausnahmegenehmigung erhalten habe und sich auf dem Weg nach Australien befinde. Das kam nicht mehr komplett überraschend, hatte der Serbe die vergangenen Tage bereits im spanischen Marbella auf ähnlichem Untergrund wie in Melbourne und mit den offiziellen Bällen des Ausrüsters der Australian Open trainiert. Der Aufschrei nach einer Sonderbehandlung, nicht nur in der Tenniswelt, ist trotzdem groß.

Tennis Australia spricht von "rigorosen Prüfprozess"

Die Offiziellen des wichtigsten Sportereignisses Australiens waren rasch um Deutungshoheit bemüht. Der Verband Tennis Australia schrieb in einer Pressemitteilung eine Stunde nach Djokovics Post, dass Djokovics Anfrage für eine medizinische Ausnahmeregelung nach einem "rigorosen Prüfprozess" zweier unabhängiger Gruppen medizinischer Experten genehmigt worden sei. Der 34-jährige Superstar ist aber nicht der einzige Spieler in Melbourne, der ungeimpft spielen wird. Und auch bei der Unabhängigkeit bleibt Raum für Interpretation.

Bereits vor wenigen Tagen hatten australische Medien den Turnierdirektor der Australian Open, Craig Tiley, zitiert mit den Worten, es seien bereits "eine handvoll" ungeimpfte Spielerinnen und Spieler in Australien mit einer genehmigten Ausnahmeregelung. Diese sei für Spieler strikter als für andere Gäste.

Mediziner prüfen Anträge "blind"

Demnach prüfen gleich zwei Expertengruppen alle Anträge auf medizinische Ausnahmeregelungen "und sie gehen das blind an – die Mediziner wissen also nicht, wer der Antragssteller" sei, so Tiley. Die Begründung für eine Genehmigung bleibe unter Verschluss und nur zwischen dem Antragssteller und dem Expertenrat. Tennis Australia versuchte in der Pressemitteilung vom Dienstag transparent den medizinischen Prozess aufzulisten. Fragezeichen bleiben.

Die Regierung schreibt in einem eigenen Statement, dass der erste Antrag für eine Ausnahmeregelung direkt an Tennis Australia gestellt werden musste. Der Verband habe eine Gruppe aus Experten eingesetzt, demnach hatte der Verband zumindest indirekt Einfluss auf die Auswahl der Mediziner. Erst nach der Bestätigung kommt eine zweite Gruppe Mediziner ins Spiel, die ausschließlich von der Regierung eingesetzt wurde.

Wie genau war Djokovics Antrag?

Zum anderen bleiben bei Djokovic Unklarheiten. Unterschiedliche serbische Medienberichte schwankten mal in die eine, dann in die andere Richtung. Nach Sportschau-Informationen soll ein erster Versuch Djokovics den Medizinern zunächst nicht vollständig genug gewesen sein.

Die "Australian Technical Advisory Group of Immunisation" (ATAGI), die die zweite unabhängige Gruppe stellt, veröffentlichte am 26. November ein Update mit den Kriterien für medizinische Ausnahmeregelungen. Temporäre Genehmigungen würden demnach nur an Menschen erteilt, die schwer krank seien. Aufgelistet sind dort unter anderem kardiologische Probleme, schwere Impffolgen oder schwerwiegende Operationen in der nahen Vergangenheit. Außerdem gebe es die Möglichkeit für eine Genehmigung, wenn eine Covid-Infektion nach dem 1. August 2021 stattgefunden habe.

Der Amerikaner Tennys Sandgren, der 2018 im Viertelfinale der Australian Open stand, zog seine Teilnahme ungeimpft in Melbourne zurück. Er bestätigte einem amerikanischen Reporter, dass er sich nicht um eine Ausnahmegenehmigung bemüht habe, weil keiner der Gründe auf ihn zutreffe.

Dem indischen Jugendspieler Aman Dahiya wurde nach Informationen von "Indian Tennis Daily" eine Ausnahmegenehmigung für das Juniorenevent in Melbourne verweigert. Seine Begründung für den Antrag: Er habe als unter 18-Jähriger in Indien noch keine Impfmöglichkeiten erhalten. Zudem gibt es Sportler aus osteuropäischen Staaten, deren Impfungen nicht anerkannt wurden und sie deshalb nicht in Australien starten.

Wie reagieren die Fans?

Fest steht: Nicht nur Djokovic hat eine medizinische Ausnahmegenehmigung erhalten – sondern mindestens fünf andere Akteure. Alle mussten nachweisen, dass sie in oben genannter Form schwer krank sind. Gleichzeitig wollen und können diese Athleten Spitzensport ausüben. Oder sie wurden in den vergangenen sechs Monaten positiv getestet. Von Djokovic ist bekannt, dass er sich im Frühjahr 2020 erstmalig mit dem Virus infiziert hatte.

Djokovic hat in Australien eine große Fanbasis. Bei drastisch steigenden Infektionszahlen in Victoria (mehr als 14.000 Fälle am Dienstag) und einer Impfquote von circa 90 Prozent nach einem der weltweit härtesten Lockdowns sind viele Beobachter auf die Reaktionen der Fans vor Ort für den Seriensieger gespannt.