Rafael Nadal (r.) kämpft mit den Tränen nach dem letzten Spiel Roger Federers (l.)

Letztes Match beim Laver Cup Federers Karriereende - wenn selbst Rivalen weinen

Stand: 24.09.2022 11:52 Uhr

Beim Karriereende von Roger Federer am Rande des Laver Cups fließen nicht nur beim Schweizer bittersüße Tränen. Auch sein größter Rivale Rafael Nadal zeigt überraschend große Emotionen.

Rund 25 Minuten war die emotionale Achterbahnfahrt seit dem Ende des letzten Matches von Roger Federer bereits in voller Fahrt. Der Schweizer tigerte nach Mitternacht über den Centre Court, umarmte und herzte seine Teamkollegen um Andy Murray, Novak Djokovic und Rafael Nadal, so oft er sie eben zu fassen bekam.

Dabei flossen immer wieder bittersüße Tränen. Vor allem Nadal und Federer schluchzten unisono, zuerst bei der Teamverabschiedung inmitten des Centre Courts. Nach dem ohnehin schon emotionsgeladenen Abschiedsinterview mit Federer auf dem Platz überkam es die beiden Superstars während der Liveperformance der britischen Sängerin Ellie Goulding nochmal so richtig.

Inmitten dieses Trubels und just in jenem Moment, als die rund 20.000 Zuschauer in der ausverkauften Arena in London dachten, es ginge nicht mehr emotionaler, fingen die Leinwände in der Halle erst Federers Frau Mirka ein, dann die vier Kinder des Paares und abschließend Federers Eltern. Alle bekamen ihren eigenen Moment mit ihrem Mann, Vater oder eben Sohn inmitten des Scheinwerferlichts. Besonders empathisch: Federer, völlig aufgelöst in Tränen, machte seinen Kindern kommunikativ deutlich, dass es ausschließlich Freudentränen seien. Immer wieder rief er dem Quartett zu: "Mir geht es gut, alles ist gut." Letztlich ließen aber alle in der Familie Federer ihren Emotionen freien Lauf.

Roger Federer (l.) und Rafael Nadal (r.) klatschen sich ab

Roger Federer (l.) und Rafael Nadal (r.) klatschen sich ab

Zuletzt keine Trainingsfortschritte mehr

Federer hat, wie vor etwas mehr als einer Woche angekündigt, seine Karriere als Tennisprofi am Freitagabend beim Laver Cup in London beendet. Der 41-Jährige tat das in einem Doppel an der Seite von Nadal. Das hatte er sich zum Abschluss seiner Weltkarriere gewünscht. Für ein Einzel beim von Federer und seiner Agentur 2017 selbst gegründeten und jährlich stattfindenden Showevent zwischen einer Weltauswahl und Team Europa hatte es wegen anhaltender Kniebeschwerden nicht mehr gereicht. Nach zwei größeren Operationen seien im Sommer keine zufriedenstellenden Fortschritte mehr erfolgt im Training, bestätigte Federers langjähriger Trainer Severin Lüthi gegenüber der Sportschau vor Federers letztem Match überhaupt. Einen weiteren Eingriff hatte Federer kategorisch ausgeschlossen.

Severin Lüthi: "Wir mussten zu oft Pausen machen"

Sportschau, 23.09.2022 20:29 Uhr

Somit bleibt das respektable Erreichen des Viertelfinales in Wimbledon 2021 mit fast 40 Jahren und die Niederlage gegen Hubert Hurkacz Federers letztes offizielles Spiel. Schon davor hatte der Schweizer lange pausieren müssen. Auch am Freitag verlor Federer an der Seite Nadals gegen die Partycrasher Frances Tiafoe und Jack Sock. Die Amerikaner hatten Nadal und Federer in einem Matchtiebreak nach Abwehr eines Matchballs mit 4:6, 7:6 (2) und 11:9 besiegt.

Federer mit Ironie zum Abschluss

Läuferisch und sprinttechnisch waren die Limits am Freitag klar erkennbar. Am Netz präsentierte er sich mit alter Klasse und verwandelte kurz nach Beginn des Matches einen Vorhandvolley reflexartig in seinen ersten Winner. Mit fortlaufender Dauer verbesserten sich ebenfalls die Grundschläge. Das spielerische Highlight war ein verwandelter Halbflugvolley zum 7:7 im Matchtiebreak. Was darüber hinaus auffiel: Federer genoss sein letztes Match, witzelte in den Spielpausen mit den Teamkollegen und zeigte eine gesunde Portion Selbstironie. Als in seinem ersten Aufschlagspiel eine Art Kunstschuss verbotenerweise durch ein winziges Loch an der Netzkante durchschlupfte, sagte er beim Seitenwechsel. "Aber meine Augen sind noch gut. Ich habe gesehen, dass er durchgegangen ist." Nach dem vergebenen Matchball witzelte er über seine Sprintversuche: "War das schon die Zeitlupe?"

Tennis-Ass Roger Federer winkt den Fans nach seinem letzten Match emotional zu

Tennis-Ass Roger Federer winkt den Fans nach seinem letzten Match emotional zu

Das Ergebnis und der sportliche Stellenwert waren schon Sekunden nach dem Matchball zweitrangig. "Es war ein wundervoller Tag. Ich habe den Jungs gesagt, dass ich glücklich bin – nicht traurig", sagte Federer noch auf dem Platz. Später um 2 Uhr nachts tief in den Katakomben der Arena äußerte sich der Schweizer noch bei einer Pressekonferenz. "An was ich mich in ein paar Jahren erinnern werde, sind die Leute, die heute um mich herum waren und die emotionalen Gesichter – Rafa ist einer davon", sagte er mit einem Lächeln und entschuldigte sich beim verlegen dreinschauenden Nadal. Der Spanier hatte bereits zu Beginn der Presserunde erklärt: "Wenn Roger jetzt die Tour verlässt, dann verschwindet auch ein wichtiger Teil meines Lebens." Am Ende umarmten sich die einstigen Rivalen nochmal.

Trainer Lüthi: "Ich hoffe, er kann es genießen"

Sportschau, 23.09.2022 20:35 Uhr

Langzeitcoach Severin Lüthi war am Freitag ebenfalls ganz nah dran an Federer. Im Gespräch mit der Sportschau kurz vor dem letzten Match in Federers Laufbahn arbeitete er zwei Dinge heraus. "Es ist vor allem, dass er einfach ein guter Mensch ist", sagte Lüthi. Er habe es tagtäglich erlebt, wie er am Boden bleibe, wie er Respekt habe. "Da muss man seinen Eltern ein großes Kompliment machen. Er interessiert sich auch immer für das Gegenüber, stellt immer Fragen, weil es für ihn auch sehr spannend ist. Das zeigt, was er für ein guter Mensch ist. Von daher ist es schwierig, Probleme mit ihm als Mensch zu bekommen, weil er alle respektiert."

Federers geheimes Image als harter Arbeiter?

Trotz der emotionalen Lage des Rücktritts denke er zuerst an andere und sein Team. "Ich war beim Davis Cup in Ecuador am Tag nach der Bekanntgabe und er hat, glaube ich, gleich zweimal angerufen und gefragt, ob alles gut bei mir ist. Normalerweise müsste man denken, dass er am Boden zerstört und traurig ist. Klar wird er sicher auch wehmütig sein, aber es ist typisch für ihn, dass er seinen Coach anruft und fragt, wie es ihm geht."

Federer-Trainer Lüthi: "Bei ihm sieht alles einfach aus"

Sportschau, 23.09.2022 20:25 Uhr

Die andere, etwas weniger bekannte Seite von Federer sei die des harten Arbeiters gewesen. "Talent alleine reicht nie im Leben. Ich habe 15 Jahre Trainingsaufbau mit ihm hinter mir", sagte Lüthi. Das seien teilweise fünf Stunden Training am Stück und Einheiten bei 40 Grad im Schatten in Dubai gewesen. "Und er hat nie früher aufgehört." Zumindest die harten Einheiten kann er sich ab sofort sparen - und sich um seine Emotionen kümmern.