Schwimmbecken in einem Alten Thermalsolebad in Bad Soden

Sanierungsstau Forderung nach dem Bad der Zukunft

Stand: 26.06.2023 14:41 Uhr

Die Bäderallianz Deutschland, ein Zusammenschluss großer Interessenvertretungen deutscher Bäder, fordert ein Ende des Sanierungsstaus. Und ein Umdenken, wie Bäder künftig betrieben werden sollen: Das alles werde mehr als die bisher veranschlagten 4,5 Milliarden Euro kosten. 

Zwei Jahren Analyse mit zahlreichen Workshops folgte nun das Ergebnis: Die Bäderallianz Deutschland präsentierte am Montag in Berlin ihr Positionspapier "Die Zukunft der deutschen Bäder". Darin weist der Zusammenschluss aller wesentlichen Interessenvertretungen deutscher Bäder, mehr als ein Dutzend teilweise sehr mitgliederstarke Vereine und Verbände, darauf hin, dass der zuletzt 2016 in einer Studie der Universität Wuppertal erhobene Sanierungsstau von 4,5 Milliarden Euro mittlerweile eher höher ausfallen dürfte. Die Corona-Zeit habe "die Bäder nicht sanierungsärmer gemacht". Vielerorts sei die Zeit ohne Badebetrieb allenfalls für kosmetische und technische Reparaturen genutzt worden.

In dem Bericht wird nun auf viele Probleme hingewiesen. Doch es gibt keine Schuldzuweisungen an die Politik, die über den damaligen Innenminister Horst Seehofer noch 2020 einen Goldenen Plan Sport für die Bäder versprochen hatte - bevor Corona die Prioritäten wieder änderte. So hatte die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft DLRG, die auch der Bäderallianz angehört, jahrelang darauf verwiesen, dass alle vier Tage in Deutschland ein Bad für immer schließt. So hätten seit der Jahrtausendwende fast 2000 Bäder bereits dicht gemacht. Darauf geht der aktuelle Bericht nicht ein, kommt stattdessen zum Ergebnis: Eine reine Sanierung der Bäder sei "nicht erstrebenswert". Es gehe vielmehr darum zu ermitteln, wie hoch die "bedarfsgerechte Investitionsnotwenigkeit" sei, "was leistbar ist" - kurzum: Die Bäderallianz fordert ein Umdenken, hin zum Schwimmbad der Zukunft. Betont allerdings auch: "Die bedarfsgerechte Investitionsnotwendigkeit wird höher sein als die vorliegenden 4,5 Milliarden."

Forderung: Der Bund muss die Kommunen unterstützen

Hierzu werden in dem Bericht die Kommunen in die Pflicht genommen ("Schwimmen lernt man nicht im Klassenzimmer"), aber auch der Bund sei gefordert, Städte und Gemeinden nicht allein zu lassen. Denn Bäder seien "öffentliche Orte des Mehrwertes. Moderne Bäder werden neben der Pflichtaufgabe Schulsport etwa zur Hälfte aus Motiven des öffentlichen wie Vereins-Sports aufgesucht, zur anderen Hälfte aus Motiven der Gesundheit, Bewegung und des Familien-Freizeitwerts", so Christian Kuhn, Sprecher der Bäderallianz: "Das alles zeigt auf, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam an einer nachhaltigen Finanzierung der Bäder in Sachen Investition und dauerhaftem Betrieb zusammenarbeiten müssen."

Wie sieht das Schwimmbad der Zukunft laut Bäderallianz aus? Es müsse kostengünstiger gebaut und betrieben werden. Dies sei auch durch regionale Bäderverbünde möglich. Dann könnten aus Bädern "Managementimmobilien mit mehrfach siebenstelligen Umsätzen" werden. Synergien müssten genutzt werden, multiple Angebote aus Sport, Fitness und Gastronomie könnten daraus "lebendige Orte des Stadtgeschehens" machen. Eine Vision.

Der Status quo: Derzeit gibt es etwa 6.500 öffentlich zugängliche Bäder – Hallen-, Frei-, Natur- und Schulbäder. Die meisten Schwimmbäder entstanden zwischen 1960 und 1992. Sie würden, so der Bericht, nicht mehr zum modernen Freizeitverhalten passen. Und: Derzeit sind diese alten Bäder meist die kommunalen Einrichtungen mit den höchsten Energieverbräuchen – und damit großen jährlichen Defiziten, jeweils oft im Millionenbereich. Energetisch müsse man weg von den bekannten gasgeführten Blockheizkraftwerken, hin zu nachhaltiger Energieversorgung. Bisher hätten vielerorts Stadtwerke zum Wohle der Kommunen (die sonst noch mehr Bäder hätten schließen müssen) ihre Gewinne mit den Defiziten verrechnet. Viele Bäder, zu diesem Schluss kommt die Bäderallianz, würden nicht effizient geführt.

Für die Zukunft sei nun ein digitales Energie- und Auslastungsmanagement nötig. Auch das erfordere hohe Investitionen. Die Bäderallianz spricht sich dafür aus, die noch bestehenden Lehrschwimmbecken an Schulen weiter zu betreiben, sie aber nicht neu zu errichten oder umfangreich zu sanieren. Stattdessen werden umfangreiche Vorschläge gemacht, wie ein effektives modernes Bad künftig aussehen muss: Hubböden, Trennwände, Eltern-Kind-Becken oder kleine Reha-Einheiten, die auch für Schulsport verwendet werden könnten.

Erstrebenswert: Maximal 15 Minuten Anfahrt bis zum Schwimmunterricht

Es wird keine Forderung nach einer Anzahl von Bädern erhoben, sondern der Bedarf müsse regional exakt ermittelt werden nach Faktoren wie Erreichbarkeit, Anzahl an Schulen und Vereinen, Demografie und Bedarf der Bevölkerung. Jedes Schulkind müsse die Chance haben, mit 30 Minuten Anfahrt Schwimmen zu lernen, erstrebenswert seien weniger als 15 Minuten. Hier geht die Forderung an die Bildungsträger nach mehr Blockunterricht. Die Bäderallianz empfiehlt zudem die Wiederbelebung des Arbeitskreises Schulschwimmen bei der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder, unter Einbeziehung von Vereinen und Verbänden. Christian Kuhn: "Es kommt nicht auf die Anzahl der Bäder, sondern auf die bedarfsgerechte Wasserfläche und deren Verteilung sowie Erreichbarkeit an." Die größte Revolution würden dabei die Freibäder erleben. Sie sollten witterungsunabhängiger gemacht werden, empfiehlt die Bäderallianz – zum Beispiel durch Cabrio-Dächer.

Mehr Geld und Bildungsurlaub – weil 2.500 Schwimmmeister fehlen

Ein weiterer Ansatzpunkt ist das Personalproblem. Mindestens 2.500 Schwimmmeister fehlen bundesweit, sagt der Bundesverband Deutscher Schwimmmeister, auch Mitglied der Bäderallianz.  Die DLRG hat vielerorts Personallöcher mit ihren Rettungsschwimmern gefüllt – konnte aufgrund der Pandemie zwischenzeitlich aber auch deutlich weniger Personal ausbilden. Vielerorts konnten Bäder nur eingeschränkt öffnen oder blieben ganz geschlossen.

Hier verweist die Bäderallianz darauf, dass der Beruf des Schwimmmeisters dringend einen Imagewandel benötige. "War der Schwimmmeister früher eine Respektsperson, ereilt ihn heute das gleich Schicksal wie in fast allen vergleichbaren Berufen wie Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste", heißt es. Hinzu kommen unattraktive Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung mit Monatsgehältern unter 3.000 Euro brutto. Es müsse künftig mehr Geld geben, und: "Anreize wie ein Bildungsurlaub für das Erlangen der Rettungsfähigkeit" würde mehr Personal anlocken und obendrein "zu mehr Sicherheit in Deutschland führen". Der Quereinstieg müsse außerdem erleichtert werden. Zudem aber seien für die Bäder der Zukunft auch moderne Überwachungssystem mit künstlicher Intelligenz nötig.

Die Problemfelder müssen in den kommenden Jahren angegangen werden, betonte auch Michaela Röhrbein, Vorständin Sportentwicklung des Deutschen Olympischen Sportbundes. Der DOSB unterstütze die Bäderallianz: "Wir brauchen nutzbare Schwimmbäder. Sie sind Orte des Schwimmenlernens, des Breiten- und Leistungssports, des Gesundheits- und Rehabilitationssports, Naherholungsorte für die Bevölkerung und vieles mehr. Schwimmbäder sind daher Teil der Daseinsfürsorge in Deutschland und eine notwendige Infrastruktur für den Sport."

Der Bericht schließt mit einigen Forderungen, wie die Unterstützung von sozial benachteiligten Familien, zum Beispiel Bereitstellung von Badebekleidung, Übernahme von Eintritts- und Fahrtkosten. Nun sei die Politik, die die Bäderallianz laut Kuhn zu dieser Analyse aufgefordert habe, am Zug. Doch genau daran hakt es seit vielen Jahren.