Weitspringer Markus Rehm vom TSV Bayer 04 Leverkusen im Sprung

Para-WM Markus Rehm will legendären Rekord von Mike Powell knacken

Stand: 11.07.2023 22:26 Uhr

Prothesenspringer Markus Rehm befindet sich in bestechender Form und peilt bei der Para-Leichtathletik WM in Paris die 6. Goldmedaille in Folge an. Auch der ganz weite Sprung könnte gelingen.

Auch abseits des “Stade Sébastien Charléty“ im Süden von Paris macht Markus Rehm derzeit einen entspannten und lockeren, aber fokussierten Eindruck. "Anspannung und Vorfreude, beides ist da", sagte Rehm gegenüber dem WDR vor seinem ersten Wettkampf bei der Para-Leichtathletik-WM am Freitag. Bei anderen Weitsprung-Wettbewerben anderer Klassen sei er schon Zuschauer gewesen, sagte er. "Das macht schon richtig Lust."

Sein Ziel ist klar: die sechste WM-Goldmedaille im Weitsprung in Folge. "Das muss das Ziel sein. Alles andere wäre gelogen", sagte er. Und: "Wir würden schon gerne den Championship-Rekord angreifen. Der liegt bei 8,40 Metern."

Mit Weltrekord zur WM

Der dreimalige Paralympicssieger im Weitspringen weiß, was er will - und was er kann. Vor gut zwei Wochen gelang dem 34 Jährigen erneut ein ganz weiter Satz: Beim LAZ-Meeting in Rhede sprang der Prothesenspringer mit 8,72 Meter Weltrekord und verbesserte seine erst wenige Wochen zuvor in Barcelona aufgestellte Bestmarke um acht Zentimeter.

Ein Sprung, der - ein weiteres Mal - für Aufsehen sorgte: Denn der Leverkusener sprang 30 Zentimeter weiter als der derzeit beste Springer der Welt ohne Behinderung, der Inder Jeswin Aldrin. Und: 81 Zentimeter weiter als der jahresbeste deutsche Weitspringer Felix Wolter (Stand 10.07.2023). Dass der Weltrekord bei der WM nun erneut fallen wird, will Rehm nicht versprechen: "Da muss schon sehr, sehr viel zusammenkommen. Das werden langsam schwierige Weiten."

Noch nie sprang ein deutscher Springer weiter als Rehm

Die neue Bestmarke von 8,72 Meter, sie bedeutet Markus Rehm viel. Nie zuvor sprang ein deutscher Weitspringer – ob mit oder ohne Behinderung – weiter. Der bisher weiteste Sprung eines Deutschen gelang Sebastian Bayer 2009 bei der Hallen-EM in Turin mit 8,71 Meter, den Freiluftrekord hält Lutz Dombrowski, der mit 8,54 Meter 1980 in Moskau Olympia-Gold für die DDR gewann.

"Das ist natürlich Wahnsinn", sagte Rehm. "Ich habe die Marke 8,71 Meter natürlich auch im Kopf gehabt und hab mich dann schon ein bisschen gefreut, dass es 8,72 Meter geworden sind. Es ist toll, das ist eine Wahnsinns-Weite, auf die wir lange hingerabeitet haben."

Mike Powells Weltrekord von 8,95 Metern im Visier

Auch mit der bisher noch nie erreichten Marke von neun Metern setzt sich Rehm inzwischen gedanklich auseinander. Lange hielt er es nicht für möglich so weit zu springen, doch das hat sich in der Zwischenzeit geändert: Der Weltrekord des US Amerikaners Mike Powell von 8,95 Meter erscheint dem Orthopädietechnik-Meister mittlerweile im Bereich des Möglichen. Nicht unbedingt schon im Wettkampf am Freitag, aber in den nächsten Monaten. Nur noch 23 Zentimeter fehlen dem für den TSV Bayer 04 Leverkusen startenden Springer bis zum 32 Jahre alten Weitsprung-Weltrekord.

"Ich bin ehrlich. Als Leistungssportler will man dann doch immer mehr und irgendwann fängt man schon an zu träumen", sagte Rehm. Einen Rekord hat Rehm Powell sogar schon abgenommen. Mit seinen 8,72 Metern in Rhede übertraf Rehm den bisherigen Stadionrekord im Rheder Sportzentrum von 8,60 Metern - aufgestellt von Mike Powell im Jahr 1991, dem Jahr, in dem er auch die 8,95 Meter gesprungen war. "So einer Legende auch nur so einen kleinen Stadionrekord abzunehmen hat schon Spaß gemacht", sagte Rehm mit einem Grinsen. "Mal gucken, was jetzt noch geht."

"Man muss sich höhere Ziele stecken, um den nächsten Schritt zu machen"

Auch Trainerin Steffi Nerius hält die Weite für möglich, vielleicht sogar schon im Wettbewerb am Freitag – falls alle Bedingungen perfekt sind. "Das Stade Charléty ist ein geschlossenes Stadion, bisher gab es nur wenig Wind und kaum Rückenwind. Mal abwarten, wie das am Freitag ist."

Weitspringer Markus Rehm (l) mit Steffi Nerius (r) beim Heimspiel Para Leichtathletik in Leverkusen.

Weitspringer Markus Rehm (l) mit Steffi Nerius (r) beim Heimspiel Para Leichtathletik in Leverkusen.

Die Speerwurfweltmeisterin von 2009 trainiert Rehm seit ihrem Karriereende im selben Jahr und weiß, dass der erneute Weltrekord ein zusätzlicher Motivationsschub für ihren Athleten ist. "Es war schon das Ziel bester deutscher Weitspringer zu werden und weiter als Sebastian Beyer zu springen."

Neun-Meter-Marke im Bereich des Möglichen

Nerius traut ihrem Schützling einen Sprung an die Neun-Meter-Marke zu. "Die Landung bei den 8,72 Meter war nicht optimal. Man muss für so einen Sprung auch im Kopf bereit sein. Markus war selber überrascht, wie weit er gesprungen ist und ist in der Luft abgekippt. Jetzt weiß er, dass er die Beine noch länger anheben muss." Das sieht auch Rehm so: "Man muss bereit sein für die ganz großen Weiten. Und das soll das Ziel sein."

Neue Athleten in der Leverkusener Trainingsgruppe haben Rehm im Wintertraining gefordert und neue Impulse gegeben. Mit Blick auf die Paralympics im kommenden Jahr in Paris sieht Nerius durchaus noch Verbesserungspotential. "Wir werden an der Sprintfähigkeit arbeiten, damit Markus noch schneller im Anlauf ist."

Erfolgreiche Zusammenarbeit seit 14 Jahren

Wie lange die beiden noch DAS Erfolgsduo in der deutschen Para-Leichtathletik bilden, steht noch in den Sternen. Die ehemalige Speerwerferin, die in Leverkusen Leiterin des Sportinternats ist, macht ihre weitere Trainerkarriere von ihrem Athleten abhängig: "Für mich ist klar, dass ich als Trainerin aufhöre, wenn Markus seine Sportkarriere beendet. Bei den Paralympics im kommenden Jahr ist er 36. Aber wann er Schluss macht, kann natürlich nur er selbst entscheiden."

Rehm selbst hat sich auch schon einmal als Snowboarder versucht - und dabei durchaus Talent gezeigt. Die Winterspiele 2026 seien aber noch "weit weg", sagte er mit einem Lachen. "Erst einmal kommen die Paralympics in Paris im nächsten Jahr. Da liegt der Fokus drauf." Ganz abwegig ist das Thema Snowboard aber nicht: "Wir haben schon geschaut, wo es vielleicht Möglichkeiten gibt, dabei zu sein. Mir tut es immer ganz gut, auch mal was anderes zu machen. Aber das Training für den Weitsprung darf natürlich nicht darunter leiden. Die Leichtigkeit vom Snowboard tut mir immer ganz gut, aber auf dem Niveau muss der Fokus auf dem Weitsprung liegen."