Gerardo Seoane, unzufrieden auf der Bank

WDR-Sport Borussia Mönchengladbach - Seoane auf der Suche nach der Balance

Stand: 21.08.2023 18:04 Uhr

Das erste Spiel von Borussia Mönchengladbach in der Fußball-Bundesliga offenbarte Licht und Schatten. Die Tormaschine läuft unter Gerardo Seoane auf Hochtouren, die Defensive aber nur hinterher.

Von Sebastian Hochrainer

Die Bilanz könnte kaum besser sein: In den ersten beiden Pflichtspielen hat Borussia Mönchengladbach elf Tore erzielt. Natürlich liegt das auch daran, dass der Klub im DFB-Pokal mit Fünftligist Bersenbrück (7:0) eine durchaus leichte Aufgabe hatte, die vier Tore zum Bundesliga-Auftakt beim FC Augsburg (4:4) sind aber sehr beachtlich.

Cvancara, Honorat und Ngoumou - ein gefährliches Trio

Gladbachs Offensive präsentiert sich in einer sehr guten Frühform. Entscheidend dafür sind die beiden Neuzugänge Tomas Cvancara und Franck Honorat. Cvancara hat in beiden Partien jeweils einen Doppelpack erzielt, in Augsburg verwandelte er in der Nachspielzeit cool den Elfmeter zum Ausgleich.

Insgesamt war 23-Jährige schon an fünf Toren direkt beteiligt, sein neuer Kollege Honorat fällt mit vier Scorerpunkten nicht ab. Und Platz drei der internen Liste ist quasi auch ein Neuzgang, Nathan Ngoumou (zwei Tore, eine Vorlage) blüht nämlich auch plötzlich auf, nachdem er in seiner ersten Saison in Gladbach in einem Jahr nur bei einem Treffer involviert war.

Außenverteidiger sind eine Schwachstelle

So stark die Offensive sich bisher präsentiert hat, so sehr ist aber auch die Defensive der große Schwachpunkt. "Einerseits haben wir phasenweise gut verteidigt, andererseits waren wir zu fehlerhaft und haben zu wenig Druck auf den Ball in unserem eigenen Drittel gebracht", sagte Trainer Gerardo Seoane und kündigte an: "Wenn du vier Auswärtstore kassierst, kannst du als Trainer nicht zufrieden sein. Dieses Spiel wird sicherlich eine lange Aufarbeitung brauchen."

Recht offensichtlich ist, dass schon der Kader einen Verweis darauf gibt, wo die Gladbacher verwundbar sind. Die Außen Luca Netz und Joe Scally sind zwar talentiert, gerade im Defensivspiel fehlt ihnen mit ihren 20 Jahren aber noch vieles. Positionsspiel, Timing, Robustheit - sowas müssen sich die meisten Spieler in der Bundesliga erst erarbeiten. Dass die beiden Spieler in dieser Hinsicht Defizite aufweisen, stellte die Augsburger Offensive zur Schau.

Im zentralen Mittelfeld fehlt ein Abräumer

Vielleicht noch größer ist aber das Problem im defensiven Mittelfeld. Florian Neuhaus definiert sich als kreativer Spieler mit Drang nach vorne - er ist kein Sechser, wird aber dort trotz der Gewissheit positioniert, defensiv seine Schwächen zu haben. Julian Weigl ist auch kein Abräumer, sondern wurde für den Stil von Ex-Trainer Daniel Farke geholt, der auf viel Ballbesitz setzte. Christoph Kramer ist ebenfalls eher Ballverteiler als Zweikämpfer - da fehlt den Borussen einfach ein wichtiger Aspekt im Zentrum.

Borussia Mönchengladbachs Mittelfeldspieler Florian Neuhaus führt den Ball

Borussia Mönchengladbachs Mittelfeldspieler Florian Neuhaus führt den Ball

So kann es dann eben auch passieren, dass Gladbach wie in Augsburg einen 2:0- und 3:1-Vorsprung verspielt und am Ende einen recht glücklichen Elfmeterpfiff benötigt, um wenigstens noch einen Punkt mit nach Hause zu nehmen. Das Team hat es nicht geschafft, sich dem Druck des Gegners erfolgreich zu widersetzen.

Insgesamt ein Schritt nach vorne für Gladbach

Immerhin hat es Gladbach dann aber geschafft, nach dem Rückstand selbst wieder zurückzuschlagen. Und deswegen fand Seoane: "Am Schluss überwiegt das positive Gefühl, mit der Schlusssekunde noch einen Punkt mitgenommen zu haben." Der Trainer richtete ein "Kompliment an die Mannschaft für diese Moral, sie hat bis zum Schluss versucht, zurückzukommen."

Auch Roland Virkus fand durchaus Gefallen an der Leistung des Teams. "Wenn man den heutigen Auftritt mit denen in den vergangenen Jahren in Augsburg vergleicht, war es ein gutes Spiel von uns", sagte der Sportdirektor. Drei Niederlagen hatte es für die Gladbacher zuvor bei den Fuggerstädtern gegeben.

Große Aufgabe für Seoane

Es gibt also durchaus Ansatzpunkte für den Gladbacher Optimismus. Zumal der neue Weg auch beinhaltet, Spielern wie Netz und Scally trotz ihrer Fehler das Vertrauen zu schenken. Da sind Rückschläge eingeplant. "Wir haben eine junge Mannschaft, die ihre Zeit braucht. Das ist ein Prozess - und auf diesem Weg befinden wir uns gerade", sagte Virkus. "Es war ein sehr ordentlicher Saisonbeginn, aber es gibt noch viel Potenzial, was wir verbessern können."

Ganz oben steht da, dass Seoane es schaffen muss, seine Mannschaft besser zu balancieren. Die Kunst, die Defensive zu stärken, ohne der Offensive ihren Esprit zu nehmen. Will er mit Gladbach in dieser Saison erfolgreich sein, muss er diese Kunst jedoch beherrschen. Denn eins ist auch klar: schon an den nächsten beiden Wochenenden stehen schwierigere Aufgaben als Bersenbrück und Augsburg auf dem Plan. In der Bundesliga trifft Gladbach nun auf Bayer Leverkusen und den FC Bayern München.