Die Frauen des TSV Crailsheim gegen den VfB Stuttgart

Frauen-Fußball Immer mehr Profiklubs: Werden kleinere Vereine verdrängt?

Stand: 18.03.2023 10:30 Uhr

Erst kürzlich zog der Ex-Bundesligist TSV Crailsheim sein Frauenteam zurück. Immer mehr Profiklubs hingegen steigen in den Frauenfußball mit viel Geld ein und verändern den Sport.

Für die Frauenmannschaft des TSV Crailsheim war das Hinspiel gegen den VfB Stuttgart ein Highlight. Dabei sind die Stuttgarterinnen im Gegensatz zum TSV Crailsheim noch keine feste Größe im Frauenfußball. Im Gegenteil, der VfB ist Neuling. Und dennoch freuten sich die Crailsheim-Fußballerinnen über den prominenten Besuch in der Baden-Württemberg-Oberliga Süd. Dass genau eine Hinrunde später dieser Termin für das Team, das bis 2009 noch Bundesliga spielte, ausfallen soll, war so laut eigenen Aussagen nicht vorhersehbar.

Vergangene Woche wurde es dann bekannt gegeben: Der TSV Crailsheim zieht seine Frauenmannschaft aus dem Spielbetrieb für die Rückrunde zurück. "Eine Ära geht abrupt zu Ende", betitle das Hohenloher Tagblatt das Ausscheiden der Frauen-Mannschaft. Der ehemalige Bundesligist konnte in dieser Saison den Widrigkeiten nicht mehr standhalten und setzte den Abwärtstrend, der seit Jahren anhält, fort. Das Team hatte viele verletzte Spielerinnen und Abgänge zu beklagen. TSV-Frauen-Abteilungsleiter Michael Schwenger gegenüber SWR Sport: "Es ist einfach nur schade."

Profiklubs wie der VfB etablieren sich und polarisieren

Wo eine Ära zu Ende geht, beginnt oftmals auch eine Neue. Im Gegensatz dazu befindet sich der VfB Stuttgart, zu dem insgesamt drei Spielerinnen des TSV Crailsheim wechselten, nämlich im Aufschwung: Platz eins nach der Hinrunde und der Aufstieg in die Regionalliga fest im Blick. Der VfB übernahm in dieser Saison den Startplatz des VfB Obertürkheim nach dem Abstieg aus der Regionalliga vollständig. Die Kooperation der beiden Vereine läuft schon seit 2021.

Der VfB Stuttgart ist kein Einzelfall. Der Verein für Bewegungsspiele ist sogar vergleichsweise spät dran. Es dringen immer mehr Proficlubs aus dem Männerfußball in den Frauenfußball vor. Beispielsweise die TSG Hoffenheim oder der SC Freiburg, der sich vor allem durch die Entwicklung von Talenten wie Giulia Gwinn oder Klara Bühl einen Namen machen konnte, spielen in der ersten Bundesliga. Ein Trend, der sich durchsetzt. Das große Geld spielt mittlerweile aber auch hier eine übergeordnete Rolle und verdrängt in gewisser Weise Traditionsvereine wie den TSV Crailsheim, die nicht über diese Mittel verfügen.

Michael Schwenger: "Profivereine polarisieren"

DFB-Vizepräsident Koch: "Wir müssen auch die Frauenspiele eventisieren"

Die Clubs werben mit guter Infrastruktur, besseren Gehältern und professionellen Trainingsbedingungen - vor allem zum Vorteil von ambitionierten Fußballerinnen. "Grundsätzlich finde ich die Professionalisierung gut. Andererseits sehe ich die Gefahr, dass die Profivereine in Zukunft polarisieren, da sie ein größeres Einzugsgebiet haben und den Spielerinnen mehr bieten können", sagte Michael Schwenger, der den Druck der großen Vereine zunehmend spürt.

Auch erfahrene Leute aus dem Profi-Geschäft wie Siggi Dietrich, der viele Jahre Manager des 1. FFC Frankfurt war, sehen diese Entwicklung aus zwei Sichtweisen. "Ich glaube, dass es künftig mehr braucht. Wir stehen erst am Anfang dieser Form der Professionalisierung. Reine Frauenfußball-Vereine werden es künftig extrem schwer haben. Ihnen fehlen in vielen Punkten schlichtweg die richtigen Werkzeuge", sagte Dietrich gegenüber sportschau.de.

Der ehemalige DFB-Vizepräsident Rainer Koch geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert: "Wir brauchen den Profifußball der Männer, um den Frauenfußball zu entwickeln. Wir müssen auch die Frauenspiele eventisieren." Spiele wie Bayern gegen Dortmund ziehen mehr als Potsdam gegen Essen, so der Tenor. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sagte ebenfalls: "Die großen Klubs werden auch bei den Frauen den Fußball der Zukunft prägen."

VfB-Einstieg kommt Verband zugute

Der VfB hat sich als großer Verein das mittelfristige Ziel 2. Bundesliga für die Saison 2025/2026 auf die Fahne geschrieben. Mit großen Sponsoren wie 'Ritter Sport' und 'Allianz' im Gepäck sprach VfB-Sportvorstand Alexander Wehrle von einem sechsstelligen Etat für die Frauen-Abteilung. Summen von denen die Konkurrenz nur Träumen kann. "Das ist schon auch ein Wettbewerbsvorteil", merkt Michael Schwenger gegenüber SWR Sport an.

Aus Sicht des Württembergischen Fußballverbands (wfv) überwiegen die Vorteile der großen Vereine. "Das hat schon auch positive Effekte. Wir hatten bisher keine Profivereine in unserem Verband, sodass wir große Talente zwar ausgebildet haben, diese aber in ihrer Region keine Möglichkeiten hatten, in einem professionellen Umfeld den nächsten Schritt zu gehen", sagt wfv-Sprecher Arne Bauer.

Michael Schwenger: "Wir profitieren im Moment gar nicht davon"

"Wir haben den VfB Stuttgart als Verband bei diesem langjährigen Prozess unterstützt, weil wir der Meinung sind, dass der Frauenfußball in Württemberg insgesamt davon profitiert, wenn ein Club mit einer solchen Strahlkraft in der Region im Frauenfußball vorangeht", sagt Arne Bauer und fügt an: "Kleine Vereine können von einem Wachstum des Frauenfußballs profitieren – schließlich bilden sie die Talente in jungen Jahren aus."

Denn durch die Ausbildung von Nachwuchstalenten profitieren die kleineren Vereine unterhalb der 2. Bundesliga auch finanziell. Sollten Spielerinnen, die mindestens zwei Jahre für den auszubildenden Verein gespielt haben, in der U17- oder U-19-Nationalmannschaft auflaufen, winken pro Akteurin einmalig 1200 Euro - für jedes weitere Jahr kommen 500 Euro hinzu.

Frauen-Bundesliga hat sich deutlich verändert

"Wir profitieren im Moment noch gar nicht davon", beklagt Michael Schwenger hingegen die Entwicklung und den sogenannten Boom des Frauenfußballs. Er verspüre dadurch auch keinen Hype, dass sich immer mehr Nachwuchs-Fußballerinnen den Vereinen anschließen. Dennoch ist er Befürworter der Professionalisierung des Sports: "Anders hat man keine Chance mehr, sich als Spielerin weiterzuentwickeln." Heiner Baumeister, wfv-Pressesprecher erklärte dem SWR im vergangenen Jahr, dass der große Ansturm auf die Vereine nach der Europameisterschaft der Frauen 2022 und dem guten Abschneiden der Nationalmannschaft mit der Silber-Medaille ausgeblieben ist.

"Ich kann keinen Hype spüren"

Die Frauen-Bundesliga besteht mittlerweile zu zwei Dritteln aus Bundesliga-Teams, die im Profi-Geschäft des Männerfußballs tätig sind. Das sah vor zehn Jahren noch deutlich anders aus, da waren es nur vier von zwölf Mannschaften, die eine Männer-Bundesliga-Mannschaft im Club hatten: VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen, FC Bayern München und der Sport-Club aus Freiburg.

Vereine wie VfL Sindelfingen, die mittlerweile Verbandsliga spielen oder der SC Sand, 2. Bundesliga, konnten und können da nicht mehr mithalten. Auf Rang eins der zweiten Liga steht aktuell das finanzstarke RB Leipzig mit 40 Punkten und elf Punkten Vorsprung auf die SG 99 Andernach. Turbine Potsdam, sechsfacher Deutscher Meister, wird aller Voraussicht nach aus der ersten Liga absteigen. Die langjährige Bundesligist steht mit nur einem Punkt auf dem letzten Platz.

Engagement der Proficlubs muss nachhaltig sein

Die Entwicklung des professionellen Frauenfußballs deutet daraufhin, dass eine Landschaft aus etablierten Männer-Proficlubs entstehen wird und diese den Sport weiter anführen werden. Das kommt vor allem dem Image und der Professionalisierung des Frauenfußballs zu Gute. Doch das darf aus Sicht der zuständigen Verbände keine Eintagsfliege sein. "Natürlich muss das Engagement nachhaltig sein und einen soliden Unterbau inklusive Jugendarbeit haben", sagt Arne Bauer.

Wie genau es für den TSV Crailsheim in der kommenden Saison weitergeht, weiß Michael Schwenger noch nicht. Die B-Juniorinnen kämpfen aktuell um den Klassenerhalt in der Juniorinnen-Bundesliga. Nach zwölf Spielen steht der TSV Crailsheim noch sieglos auf dem letzten Platz. Denn auch hier ist ein deutlicher Trend zu erkennen: Immer mehr Proficlubs, die die kleinen Vereine verdrängen.