Nationalspielerin Alexandra Popp bejubelt ihren Treffer zum 2:2 beim Testspiel gegen Sambia (imago images/ActionPictures)

Interview | ARD-Kommentatorin Stephanie Baczyk "Es wird anders auf den Fußball der Frauen geguckt als noch vor ein paar Jahren"

Stand: 18.07.2023 16:32 Uhr

Am Donnerstag beginnt in Australien und Neuseeland die Fußball-WM der Frauen. rbb-Sportjournalistin Stephanie Baczyk wird das Turnier in der ARD kommentieren und verrät, was die Fans erwartet und wie sich der Blick auf den Sport verändert hat.

rbb|24: Stephanie, in einem monatelangen Poker um die TV-Rechte für die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen war zeitweise nicht klar, ob das Turnier überhaupt frei empfangbar ausgestrahlt werden würde. Wie hast du als TV-Kommentatorin diese Hängepartie verfolgt?
 
Stephanie Baczyk: Wahrscheinlich wie alle bei uns im Team immer mit der Hoffnung, dass es am Ende doch eine Einigung geben wird. Wir haben alle sehnlichst darauf gewartet, weil es einfach etwas Besonderes ist, eine Weltmeisterschaft zu übertragen. Und es wäre auch ein fatales Zeichen gewesen, wenn das Turnier nicht für alle frei empfangbar zu sehen gewesen wäre. Gerade nach dem mitreißenden Auftritt bei der EM im vergangenen Sommer.

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Was sagt es über den Stellenwert des Fußballs der Frauen aus, dass der Prozess der Rechtevergabe so verlaufen ist?
 
Auf den ersten Blick könnte man glauben, dass die Fifa die Frauen pushen möchte, indem sie höhere Preise als sonst für die Rechte verlangt. Aber da muss man sich ehrlich die Frage stellen, ob es dabei wirklich um die Frauen ging oder nicht viel mehr um das Geld. Gianni Infantino (Präsident der Fifa, Anm. d. Red.) hat gesehen, dass sich damit mehr verdienen lässt und wollte ein bisschen ein Exempel statuieren, indem er dicht gemacht hat und bei seinem Preis geblieben ist. Unter dem Strich ist es aber sehr wichtig, dass es jetzt eine Einigung gegeben hat. Die Leistungen der Top-Teams verdienen es einfach, gesehen zu werden.

Du begleitest den Sport schon über Jahre. Welche Veränderungen sind dir in der öffentlichen Wahrnehmung aufgefallen?
 
Mir ist als Kommentatorin während meiner Vorbereitung besonders aufgefallen, dass mittlerweile anders auf den Fußball der Frauen geguckt wird als das noch vor ein paar Jahren der Fall war. Es ist viel analytischer und taktischer. Ich werde nie die EM 2017 in den Niederlanden vergessen, bei der wir im Vorfeld eines Spiels mit der russischen Trainerin gesprochen haben und ein Heft von den Verantwortlichen bekommen haben, in dem von jeder Spielerin zwei Hobbys genannt wurden. Da stand dann so etwas drin wie "liest gerne" oder "geht gerne mit ihrem Hund in die Stadt". Das ist komplett absurd, wenn es um die Vorbereitung eines Fußballspiels geht, weil diese Informationen braucht man ja überhaupt nicht. Das ist jetzt komplett anders und auch den Leuten bleibt nicht verborgen, dass die Spiele immer attraktiver werden.

Gianni Infantino hat bei der Gruppenauslosung die beste WM aller Zeiten versprochen. Wird er damit Recht behalten? Was für ein Turnier erwartest du sportlich?
 
Es sind noch nie so viele Teams dabei gewesen wie bei dieser WM. Da wird es natürlich Länder geben, die sich eher ganz unten ansiedeln. Ich glaube aber trotzdem nicht, dass das Turnier qualitativ leiden wird, sondern es viele Überraschungen geben wird. Ich bin zum Beispiel gespannt auf die Performance von Sambia. Die haben gerade beim letzten Testspiel vor der WM Deutschland einfach mal mit 3:2 geschlagen. Außerdem freue ich mich auf die Gastgeberinnen aus Australien. Die habe ich schon während der Olympischen Spiele 2021 gesehen und die waren frisch, frech und cool. Und natürlich haben sich auch die Top-Teams noch einmal weiterentwickelt.

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Apropos Top-Teams: Wer ist denn dein großer Favorit auf den Titel?
 
Die größten Favoritinnen sind nach wie vor immer die USA, die ja auch 2015 und 2019 den Titel geholt haben. Aber es gibt durchaus einige, die mithalten können. Die Europameisterinnen aus England, Schweden, Frankreich, aber auch Deutschland zählen zu diesem Kreis. Ich würde mich gar nicht so sehr festlegen wollen, weil es wirklich einige Länder gibt, die den USA Konkurrenz machen werden.

Bei den USA verabschiedet sich bei diesem Turnier mit Megan Rapinoe eine Ikone des Fußballs der Frauen. Welche Bedeutung hat dieser Abschied?
 
Da geht eine Stimme, die immer laut gewesen ist, wenn es um Ungerechtigkeiten ging und darum, für andere einzustehen. Das wird sie mit Sicherheit weiterhin machen. Und es hört auch eine Spielerin auf, die fußballerisch richtig abgeräumt hat. Sie ist zweimal Weltmeisterin geworden, hat Gold bei den Olympischen Spielen geholt und wurde als Weltfußballerin ausgezeichnet. Und egal, wie weit die USA bei diesem Turnier kommen werden, der Abschied wird auf jeden Fall emotional werden und es wird Tränen geben.

Das deutsche Team zeigte in der Vorbereitung wechselhafte Auftritte. Worauf wird es bei der WM für sie ankommen?
 
Ganz oben steht, dass sie als Team auftreten müssen. Bei der Testspiel-Niederlage gegen Sambia war in der zweiten Hälfte hintenraus genau das zu sehen. Da haben sie gekämpft und Moral bewiesen. Aber die einzelnen Rädchen haben noch nicht so ganz ineinandergegriffen. Die Bundestrainerin hat im Vorfeld auch einiges ausprobiert und musste hier und da auf verletzte Spielerinnen verzichten. Es wird jetzt vor Ort darauf ankommen, diese kleinen Dinge besser hinzubekommen und sich klarzumachen, worauf es ankommt. Es braucht auf dem Platz schnellere Entscheidungsfindung, direkteres Spiel in die Spitze, bessere Chancenverwertung und gute Restverteidigung.

Welche Spielerinnen können im deutschen Team am Ende den Unterschied ausmachen und auf wen gilt es besonders zu achten?
 
Auf jeden Fall Kapitänin Alexandra Popp. Sie kann sowohl vorne spielen, sich aber auch auf die Sechser- und Achterposition fallen lassen und das Mittelfeld zusammenhalten. Auch Lena Oberdorf, die gerade einmal Anfang 20 ist, ist eine unglaubliche Leaderin im defensiven Mittelfeld. Außerdem bin ich großer Fan von der Wolfsburg-Connection in der Innenverteidigung aus Marina Hegering und Kathrin Hendrich. Auf dem Flügel hat man dann auch noch schnellere Spielerinnen wie Klara Bühl und Jule Brand. Am Ende wird es unterm Strich aber darauf ankommen, wie das Team zusammenarbeitet. Das hat man bei der EM im letzten Jahr toll gesehen, wie sie sich als Kollektiv von Spiel zu Spiel gesteigert haben und es so ins Finale geschafft haben. Und man sagt ja immer so gerne, dass Deutschland eine Turniermannschaft ist.

Vielen Dank für das Gespräch.
 
Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.