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Ex-Unioner Sven Michel im Interview "Die Spieler werden brennen, die Fans werden brennen"

Stand: 22.11.2023 14:07 Uhr

Anderthalb Jahre trug Sven Michel das Trikot von Union Berlin. Am Samstag kehrt der Stürmer - in Diensten des FC Augsburg - an die Alte Försterei zurück. Im Interview spricht er über seine Zeit in Berlin, Urs Fischer, Trainerwechsel auf beiden Seiten und einen "Hexenkessel".

rbb|24: Herr Michel, der 1. FC Union Berlin hat sich - nach fünfeinhalb Jahren - einvernehmlich von Trainer Urs Fischer getrennt. Wie haben Sie davon erfahren und was war Ihr erster Gedanke?
 
Sven Michel: Das habe ich aus den Medien erfahren. Es ist echt schade. Urs Fischer hat Union Berlin zu dem Verein gemacht, der es jetzt ist. Aber so ist der Fußball: nach jedem Hoch kommt auch wieder ein Tief.
 
Das Aus für Urs Fischer steht am Ende einer sportlichen Talfahrt in dieser Saison. Haben Sie sich aus der Augsburger Ferne manchmal die Augen gerieben, was da bei Ihrem Ex-Klub gerade passiert?
 
Man denkt natürlich an seine alten Kameraden und fragt sich, was da los ist. Sie sind mit sechs Punkten aus den ersten beiden Spielen in die Bundesliga-Saison gestartet – jetzt sieht es nicht ganz so rosig aus.
 
Eineinhalb Jahre haben Sie unter Fischer beim 1. FC Union verbracht. Sie kennen das Innenleben des Vereins. Wie groß ist die Lücke, die dort nun entstanden ist?
 
Seine Fußstapfen sind riesig. Da reinzutreten ist für jeden Trainer eine Herausforderung – du wirst immer 'der Trainer nach Urs Fischer' sein. Das ist eine große Bürde. Ich weiß nicht, wie es beim Verein weitergehen wird, ob Marco Grote Trainer bleibt oder nicht. Ich drücke ihm auf jeden Fall die Daumen – zwar nicht für das kommende Wochenende, aber danach sehr gerne.

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Sie selbst haben den 1. FC Union auf dem Höhepunkt des Erfolgs in Richtung Augsburg verlassen. Fiel es Ihnen schwer, die Chance auf Champions-League-Einsätze sausen zu lassen?
 
Nein, eigentlich nicht (lacht). Die Einsatzzeiten sind mir bei Union zu wenig geworden, das habe ich klar kommuniziert. Die Verantwortlichen konnten mir für diese Saison nicht mehr Minuten versprechen, also habe ich gesagt, dass ich mir gerne einen neuen Verein suchen möchte, weil ich gerne mehr Fußball spielen will. Vielleicht wäre ich irgendwann mal für fünf Minuten in der Champions League eingewechselt worden. Mir ist es aber wichtiger, viel in der Bundesliga zu spielen. Ich habe mit Union aber vieles erlebt, vieles durchgemacht und dort eine richtig schöne Zeit gehabt, die mir immer in Erinnerung bleiben wird.
 
Auch in Augsburg ist das personelle Gedränge in der Offensive beachtlich. Aber: Sie bekommen regelmäßige Einsatzzeiten. Getroffen haben Sie jedoch seit dem ersten Spieltag nicht mehr. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Start beim FCA?
 
Als Stürmer werde ich an meinen Toren gemessen, das ist nun mal so. Die ersten drei Spiele unter unserem neuen Trainer (Jess Thorup; Anm. d. Red.) habe ich von Anfang gespielt und echt gute Leistungen gezeigt. Ich habe dabei zwar leider kein Tor gemacht, aber das gehört auch dazu. Irgendwann werde ich wieder treffen – und solange ich den Jungs mit meinem Einsatz helfen kann, ist das genauso wichtig.
 
Auch Sie haben in dieser Saison schon die Trennung von einem Trainer hautnah miterlebt. Was macht eine solche Situation mit einer Mannschaft?
 
Das war für mich persönlich ja auch nicht die erste Trennung von einem Trainer, ich kenne diese Situation also leider schon zu gut. Es ist immer dasselbe: Es kommt ein neuer Trainer mit neuem Input, probiert etwas anderes aus, sieht andere Dinge und hat eine andere Herangehensweise. Genauso ist es hier und es funktioniert bis jetzt sehr gut. Man kann aber nicht sagen: Enno (Enrico Maaßen, der den FC Augsburg bis Anfang Oktober trainierte; Anm. d. Red.) ist schlecht und unser jetziger Trainer ist der Beste. Das wäre Enno gegenüber unfair, er ist auch ein richtig guter Trainer.

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Seitdem Jess Thorup den Posten übernommen hat, hat der FCA nicht mehr verloren. Was hat der neue Coach verändert?
 
Das Training ist anders, die Aufstellung ist eine etwas andere. Das sind schon mal zwei große Punkte. Vielleicht passt das besser zu unserem Kader. Wir arbeiten erst seit vier Wochen mit dem neuen Trainer zusammen, ich kann also noch nicht allzu viel zu ihm sagen, da ich ihn noch nicht so gut kenne. Vier Spiele hintereinander nicht zu verlieren, spricht aber erstmal für sich.
 
Sie standen seitdem drei Mal in der Startelf, gegen Hoffenheim reichte es dann nur zu einem Kurzeinsatz. Wie sehen Sie derzeit Ihre Rolle im Team - und glauben Sie, dass Sie gegen Ihren Ex-Klub ran dürfen?
 
Ich glaube schon, dass ich im Team einen großen Stellenwert habe und dass ich sehr wichtig für die Mannschaft bin. Ich bringe sehr viel Intensität und Wucht mit auf den Platz und glaube, dass wir das brauchen. Ob ich am Wochenende von Anfang an spielen werde, weiß ich nicht. Ich werde mich bis dahin noch anbieten und Gas geben. Natürlich hoffe ich, dass ich gegen meinen Ex-Klub starten darf.
 
Was bedeutet die Rückkehr ins Stadion An der Alten Försterei für Sie? Wie werden Sie sich fühlen, wenn die Fans Sie - wie alle Ex-Unioner - mit "Fußballgott"-Sprechchören begrüßen werden?
 
Das bedeutet mir viel, das muss ich wirklich sagen. Ich war anderthalb Jahre da und das war wirklich richtig cool mit den Fans und den Jungs, natürlich auch, weil wir zusammen Erfolge gefeiert haben. Ich habe Dinge erlebt, für die ich dem Verein, Urs Fischer und den Fans immer dankbar sein werde. Von daher freue ich mich riesig darauf. Das ist für mich ein bisschen wie nach Hause zu kommen.

Was erwarten Sie für ein Spiel? Ist der Trainerwechsel auf Seiten der Köpenicker für Ihre Mannschaft ein Nachteil?
 
Man hat es auch bei uns gesehen: Es ist immer schwierig, sich auf einen Gegner mit neuem Trainer einzustellen. Urs war fünfeinhalb Jahre bei Union, da war eine klare Handschrift erkennbar. Mit einem neuen Trainer ist es etwas anderes. Ich weiß nicht, ob er (Marco Grote, Union Berlins Interimstrainer; Anm. d. Red.) überhaupt schon mal in der ersten Liga trainiert hat. Ich kenne ihn noch aus seiner Zeit in Osnabrück. Es wird eine Riesen-Herausforderung. Die Spieler werden brennen, die Fans werden brennen. Das wird ein Hexenkessel und für uns eine Mammutaufgabe, in Berlin zu gewinnen.
 
Was muss der FCA auf den Platz bringen, damit Union nicht ausgerechnet gegen Sie und Ihr neues Team die Negativserie beendet?
 
Wenn wir nicht an unsere Leistungsgrenze kommen, dann wird es unfassbar schwer. Wir müssen alles raushauen, anders kannst du in Berlin nicht bestehen. Ich kenne das und weiß noch aus meiner Zeit bei Union, wie viele Punkte wir immer zu Hause geholt haben. Wir müssen an unsere hundert Prozent kommen, ein bisschen Spielglück und einen sehr, sehr guten Tag haben.
 
Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 23.11.2023, 18 Uhr